Kissimmee und Gatorland
In Florida City nehmen wir den Turnpike, weil wir heute einfach nur schnell vorankommen müssen, das Ziel ist Orlando.
Mit schnell ist aber nichts, es sind überall Baustellen und wir stecken im Stau, der sich bis irgendwo hinter Miami hinzieht. Dann geht es endlich voran, und ab hier sind dann auch wieder alle schneller unterwegs als wir, obwohl wir schon die erlaubten 70 fahren. Rechtsfahrgebot gibt es auch keines mehr, so werden wir munter rechts und links gleichzeitig von deutlich über der Geschwindigkeitsgrenze fahrenden Wasweißichwievieltonnern überholt, daß der Toyota nur so wackelt. Manche sind so dermaßen schnell, daß wir uns ernsthaft fragen, ob wir irgendwas übersehen haben, aber es ist schon richtig, die regelmäßig auftauchenden Schilder zeigen nach wie vor 70 an. Bloß hält sich niemand mehr daran, und die auf dem Median stehenden Sheriffs kümmern niemanden. Und umgekehrt genauso.
Gegen Abend erreichen wir Kissimmee am südlichen Rand von Orlando. Wir haben hier eine Unterkunft in direkter Nachbarschaft der ganzen Themenparks, das Oak Plantation Resort. Zu unserer Überraschung ist unser Apartment eher ein kleines Reihenhaus mit allem, was dazugehört. Wir haben ein eigenes Wohn- und Eßzimmer, eine piekfeine Küche und einen Laundry Room mit Waschmaschine und Trockner. Es gibt einen Herd, Mikrowelle, Toaster, und alles ist niegelnagelneu. Und das alles für weniger als 60 Euro die Nacht. Für die Wohnung, nicht pro Person. An mir ist keine Hausfrau verloren gegangen, aber hier macht es fast ein bißchen Spaß, die Wäsche in den Toplader und anschließend in den Trockner zu schmeißen, bis sie trocken, glatt und frisch duftend herauskommt.
https://oakplantationresort.com/accommodations.cfm
Die Anlage ist ein Timesharing-Projekt und wirkt wie irgendwas zwischen Seniorenwohnanlage und Gated Community. Die Häuser sind kreisförmig um einen kleinen See angeordnet, dazwischen größere Gemeinschaftsgebäude, in denen Bingo-Abende („free Pizza!“) abgehalten werden. Dazu zwei große Pools, allerdings mit unpraktisch geschwungener Beckenform, so daß man keine anständigen Bahnen schwimmen kann, aber ansonsten sehr schön. Auf dem Gelände jede Menge Eichhörnchen und vor allem Pfauen, deren unheimliche Schreie manchmal das einzige Geräusch sind, das man hört.
Außer uns scheinen nur wenige Gäste anwesend zu sein, in der Dämmerung wirkt unsere Straße wie eine Filmkulisse für einen postapokalyptischen Film. Es ist schon ein bißchen gruselig, als wir abends auf dem Sofa sitzend und Tarzan-Filme schauend von Schritten auf dem Dach aufgeschreckt werden. Es ist vermutlich ein Pfau, denn als wir an die Decke klopfen, hören wir etwas eilig davontrappeln. Danach wird es wieder ruhig, nachts schreien sie auch nicht, da schreit nur Tarzan, dessen Filme ein Nostalgie-Sender in Endlosschleife zeigt und für die es keinen besseren Ort zum Anschauen gäbe, als Florida.
Fünf Nächte Aufenthalt hat der Ehemann
mir hier abgerungen, um sich ausgiebig an dem Ort aufhalten zu können, der ihm noch sehr viel mehr am Herzen liegt als Fort Jefferson, das Gatorland:
https://www.gatorland.com/
Das Gatorland ist ein Hybrid aus zoologischer Einrichtung und Alligatorfarm, aber mit Anspruch auf artgerechte und möglichst natürliche Haltung und Aufzucht. In einer derartigen Einrichtung, die ihren Schwerpunkt auf Reptilien legt, gibt es natürlich auch Gehege, manche sogar mit Sicherheitsverglasung, hinter denen Giftschlangen und vor allem die drei als äußerst aggressiv geltenden leukistischen Alligatoren gezeigt werden, die in den Sümpfen Louisianas kaum eine realistische Überlebenschance gehabt hätten, so wie sie im trüben Sumpfwasser leuchten müssen.
Das Gatorland ist auch für Alligatoren, die „draußen“ Probleme hatten oder gemacht haben, Aufnahmestelle. So sitzt hier der eine oder andere Unruhegator wie z.B. Chester lebenslänglich ein, der sich in Freiheit auf ein Leben zwischen Vorgärten und Pools und eine Diät aus Pudeln spezialisiert hatte.
Manche der verhaltensoriginellen Alligatoren werden auch mit Krokodilen vergesellschaftet, die im hinteren Bereich des Parks große Gehege haben. Es gibt regelmäßige Führungen, bei denen den Besuchern die Unterschiede zwischen den Tieren und ihr Verhalten nahgebracht werden. Wobei ich finde, daß der Unterschied zwischen Alligatoren und Krokodilen eigentlich ganz einfach zu merken ist: One will see you later and the other in a while. Ok, der ist alt. Aber witzig. :P
Der Park ist vor allem bei Einheimischen beliebt, die den Bildungscharakter der Einrichtung schätzen. Dazu hat sicher beigetragen, daß im vergangenen Jahr der Angriff eines Alligators auf eine Zehnjährige durch die Presse ging, den das Mädchen mit Hilfe der im Gatorland erlernten Tricks überlebte:
http://www.dailymail.co.uk/news/article-4486252/Girl-10-reveals-fought-9-foot-gator.html