Road und Hiking Trip - 85 Tage USA [2012]

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Man könnte meinen, er hätte seine Entscheidung etwas früher treffen und seine Umgebung netterweise auch davon in Kenntnis setzen können. Aber Fritz Zehrer war noch nie ein großer Grübler gewesen. Entsprechend war der Einfall auch noch ganz frisch, als der alte Mann sich in den Kopf setzte, sich mitsamt seiner Frau in die USA abzusetzen; nicht für immer, aber wenigstens für eine längere Zeit.


Auslöser waren die zwar immer länger werdenden USA-Aufenthalte, zu deren Ende aber noch jederzeit ein paar zusätzliche Wochen schön gewesen wären. Es gäbe auch immer noch etwas zu sehen, verdammt noch mal! Wie lange kann denn so ein USA Urlaub sein, damit man genug davon bekommt? Sollten wir mal mit drei Monaten anfangen? Das wäre auch die Zeit, die die Autoritäten der Vereinigten Staaten so ohne Tohuwabohu gedulden. Und nun fraß sich der Gedanke mal in den Kopf und bis zu dem Zeitpunkt, als die zwei Zehrer's aus der Tür stürmten, um diesen Kontinent von Osten nach Westen und von Westen nach Osten zu durchqueren, war es kaum ein Jahr.


Und dieses Jahr verging wie im Flug, denn die Planung alleine verschlang drei Monate. Zudem waren noch ein paar Besonderheiten zu beachten, denn die deutschen Vermittler der einschlägigen Mietwagen erlaubten nur 62 oder gar nur 56 Tage Mietdauer. Trotz aller Anstrengungen war es nicht möglich, einen durchgängigen Vertrag zu bekommen, so dass am Ende zwei Mietabschnitte, jeweils mit einer sogenannten Einwegmiete, das Ergebnis war. Der Rest war Verhandlungssache vor Ort. Auch die Krankenversicherung war ein Problem. Zwar hat jeder, der sich auf den Weg in die weite Welt macht, eine Auslandskrankenversicherung, leider ist die natürlich nur auf maximal 6 bis 8 Wochen Reisedauer ausgelegt. Auch dieses Problem konnte mit 180 Euro beim ADAC gelöst werden.


Nun gut, die Koffer sind gepackt, der Plan, der heuer auf besonders dünnem Papier gedruckt werden musste, füllt den A4-Ordner und zwar "close to the edge". Woody Gothrie bringt es auf den Punkt: "This Land is your land". Die Gegend, die in dem Song beschrieben wird, beschreibt auch den Umfang unserer Reise. Wir werden schöne Städte sehen, Steinbögen im Meer und auf gewaltigen Gipfeln erkunden, die weiße Welle im Watercanyon erklettern und durch die grüne Hölle des Ostens wandern. Narben werden bleiben, auf der Haut und im Kopf. 74 Wanderungen und Flip-Flop-geeignete Gewaltsmärsche in den Städten, Essen über den Dächern von Las Vegas und Schwitzen im Reifenservice des Walmarts von Paducah, Kentucky. Die Gegensätze könnten nicht schöner sein.


Begleitet uns nun auf unserem Road und Hiking Trip. 85 Tage, 86 Nächte, 18.000 Meilen und 6.274 Fotos lang durch 36 Staaten (natürlich ist auch Florida dabei) der USA. Was alles passiert liegt im Nebel, aber das Leuchtfeuer weist die Richtung!


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Dienstag
Die Eincheckterminals der Lufthansa sind nicht so schlecht. Karte rein, Boardkarte raus, gut is. 50 Euro bitte! Das ist der Preis für einen zusätzlichen Koffer bei der Lufthansa in der Holzklasse. Gegenüber dem letztem Jahr 10 Euro mehr, das entspricht ... hilft ja nix! Und nachdem wir das immer am Abend vor dem Abflug erledigen, bleibt jetzt noch Zeit für ein Abschiedsessen beim Italiener. Wie haben sich die Zeiten geändert. Früher wäre der Bayer nicht ohne Schweinebraten im Bauch über die Landesgrenzen hinausgekommen. Tja, auch wir im Süden werden immer gespreizter. Sind wir etwa unterwandert?


Mittwoch
Unser Abenteuer kann beginnen!


Entgegen der USA-West-Flüge, sind wir heuer am diamentral anderen Ende des Terminals. Der Vorteil ist, dass die Infrastrukturen für die zusätzlichen USA-Kontrollen nicht so gut ausgebaut sind, - die Sache war also gleich erledigt. Der größte Vorteil für mich aber war ein Glaskasten, in dem es stank wie die Sau und in dem man sich vorkam, wie ein Tier im Käfig, das von den Tierparkbesuchern eifrig beobachtet wird. Das ist mir jetzt auch sowas von egal, dann schau ich halt auf den Boden.


Tumult im Flieger! Nachdem ein paar Männer mit schwarzen Hüten und seitlichen Locken ziemlich spät kamen und dann endlich "boarding completed" durch die Lautsprecher krächzte, waren akurat diese Männer nicht zum Sitzen zu bewegen. Stewardessen taumelten von Reihe zu Reihe, um ein Problem zu lösen, das auf den ersten Blick nicht zu identifizieren war. Und das obwohl es fast neben unserer Reihe 37 passierte. 25 Minuten zähe Verhandlungen! Und dann setzten sich ein paar Frauen weg und ein paar Männer hin zu den Domizilen, die diese Herren reserviert hatten. Eine Frau landete direkt neben unserer Reihe. Sie war nett, gutaussehend und hat auch nicht streng gerochen. Manche Leute wissen nicht, was sie im Leben versäumen.


Ansonsten düste der A340-600 seelenruhig über den Atlantik. Ich war gespannt darauf, wann ich nicht mehr sitzen kann und es kam, wie es kommen musste. Die letzten drei Stunden habe ich mir die Füße vertreten. Ich bewundere manche, die sich hinsetzen, sich nicht mehr bewegen, schlafen und erst bei der Landung wieder die Äuglein aufmachen. Der Luftraum über New York ist wie immer proppenvoll, so dass unser Gefährt noch ein paar Runden über dem Airport kreist. Dass dabei die Skyline von New York immer wieder am Fenster vorbeirauscht, war schön, aber nur ein schwacher Trost. Aber nun ist es geschafft! Willkommen USA, welcome Newark Liberty International Airport.
Obwohl wir ziemlich vorne an der Immigration standen, wollte unser Grenzschützer nicht so recht in die Puschen kommen. Ein Päuschen hier, ein verträumter Blick da und eigentlich will ich nur noch meine Koffer und eine Zigarette rauchen. Irgendwann war es dann soweit und wir fuhren mit der Tramrail zu Hertz. Immer ein spannender Augenblick und heute insbesondere, denn wir wollen ein neues Auto und die Einwegmiete gleich mal wegverhandeln.


Eine ziemlich unterbelichtete Walküre saß vor meinen Einmetereinundziebzig stehend und war zudem noch genervt. Auch meine Gold-Karte konnte sie nicht zu einem Lächeln bewegen. Und als ich ihr dann noch erklärte, dass ich 85 Tage dasselbe Auto will und ich Hertz sehr verbunden wäre, wenn man mir als Stammkunde ein frisches Auto gäbe, das ich aber wohlbehalten zurück brächte, falls man mir die Einwegmiete erließe, hat sie ihre toll lackierten Fingernägel zusammengekrallt, zum Hörer gegriffen und den Supervisor angefunkt. Oh, der Mann ist gleich einen Kopf kleiner wie ich. Sehr gut, da fühle ich mich gleich besser! Er kenne Tarife, die monatilich fällig wären und in dem Fall wäre es durchaus Usus, dass man das Fahrzeug so lange behält, wie man es braucht. Tarif hin, Tarif her, was soll das? Ist die Einwegmiete nicht nur deshalb fällig, weil das Auto zurückgeführt werden muss? Der Knirps war er gnadenlos!. Die 375 Dollar Einwegmiete müsse er mir aufgrund der Vertragskonstellation abnehmen. Ein anderer Vertrag würde mich fast 6.000 Dollar kosten. Ich war müde und dachte mir, dass es gegebenenfalls von daheim aus mit Leuten zu regeln ist, die was zu sagen und zu entscheiden haben. Ok, raus zum Auto.


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So ein Hundskrüppel, will er mir tatsächlich ein relativ altes und versifftes Auto, einen Chevy Traverse, unterjubeln. Aber jetzt mein Freund reicht es. Daneben stand ein nagelneues Fahrzeug gleichen Typs, es hatte 277 Meilen drauf, entsprechend gute Reifen und war perlweiß. Ich habe gleich mal meine Koffer eingeladen und dann bin ich zu meinem kleinen Freund. Jetzt war er aber zahm und hat sofort alles umgeschrieben. Geht doch! Das Walküren-Gesicht hätte ich aber gerne gesehen. Ich war ja leider draußen und habe derweilen eine Zigarette geraucht.


Nach weit über dreißig Ehejahren habe ich mir heuer eine Freundin mitgenommen. Sie heißt Steffi, ihr Format ist jedoch ein Rechteck, aber immer, wenn ich mit ihr kommuniziere, leutet sie und spricht sogar mit mir. Ihr Vater, der Garmin heißt, hat ihr den komischen Namen 1570T verpaßt. Monika hat sie auch sofort ins Herz geschlossen, die Steffi, denn sie weiß immer, wohin wir wollen und wie wir unser Ziel schnellstens erreichen. Und so sitzt die liebe Steffi nun auf unserer Windschutzscheibe und gleitet mit uns durch die Nacht nach Süden.
Ich liebe die Ossis. Unser Auto bahnt sich den Weg durch Baustellen, das Speedlimit ist mit 45 mph nicht sehr üppig ausgefallen. Aber ich merke, dass ich mit 60 viel zu langsam bin und habe schon in der Fahrschule gelernt, dass man den Verkehr nicht aufhalten soll. Steffi zeigt die Geschwindigkeit schon lange nicht mehr in schwarz, sondern in knalligem Rot. Also ihr lieben Ossis, ich fahre mit Euch 80 mph und vertraue auf euer Gespür für die hiesige Polizei. Es hat dann aber doch bis 22 Uhr, also zwei Stunden, gedauert, bis die liebe Steffi ein freundliches "Ziel erreicht" ausgerufen hat.


Das Best Western in Philadelphia ist nicht so der Hit, nicht sehr einladend und kuschlig, aber als wir umgehend in die Betten fielen, wurde es nur noch dunkel. Steffi muss übrigens im Auto übernachten, die Arme.
 
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Gelöschtes Mitglied 5876

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Donnerstag
Bruce Springsteen's Streets of Philadephia liegen im Dunkeln. Und so mancher Nachtschwärmer dürfte gegen 4 Uhr morgens noch unterwegs sein oder erst den Weg nach Hause antreten. Und dann sind da noch die Jetlag-geplagten USA-Touris, deren eineinhalb Augen ebenfalls um diese Zeit am Plafond der Hotelzimmerdecke kreisen. Der Vorsatz, das Aufstehen noch ein bisschen hinauszuziehen gelingt mehr schlecht als recht. Aber nachdem das Hotel seit gestern auch nicht heimeliger geworden ist, gurgelt die Kaffeemaschine und spukt um 5 Uhr einen gewohnt schlechten Kaffee aus.
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Noch malt die Sonne die Wolken rosarot an und man könnte meinen, dass es ein schöner Tag wird. Der Weather Channel sagt leider etwas anderes, - und so nehmen wir vorsichtshalber die Regenjacken mit, als wir in Richtung Delaware River marschieren. Es fing immer wieder an zu nieseln, als wir nach einer Stunde am Penn's Landing sind. Hier dockte William Penn an und gründete 1682 Philadelphia. Nicht viel los und nicht sehr spannend hier, was sicherlich am Wetter und an der frühen Morgenstunde lag.


Es wird Zeit für ein Frühstück, sozusagen als Stärkung für ein bisschen Geschichte. Nachdem die USA geschichtlich nicht viel zu bieten haben, sind sie auf das Wenige, das sie besitzen, sehr stolz und zelebrieren es dementsprechend.

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Als wir an der Liberty Bell ankommen, waren wir die Ersten und es dürfte sicherlich rar sein, wenn man die Freitheitsglocke ohne Menschen sehen, respektive fotografieren kann. 1776 hat sie geläutet, als die Unabhängigkeitserklärung dem gewöhnlichen Volk verlesen wurde. Und obwohl das Teil für europäische Verhältnisse recht jung ist, hat sie einen Riss, der sie funktionsunfähig macht. Die würden sie sonst heute noch bimmeln lassen. Irgendwie passen aber die geschichtlichen Anfänge der USA zu unserem Urlaubsstart.


In der Independance Hall, die im übrigen auch die Rückseite der 100 Dollar Note ziert, hören wir uns dann einen Vortrag über die Anfänge der USA an und besichtigen die entsprechenden Schauplätze, unter anderem auch die Congress Hall. Um die Unabhängigkeitserklärung, nein, ich glaube es war die Verfassung, zu lesen, hatten wir zwar Zeit, aber ich hatte ausgerechnet keine Brille dabei. Nun gut, wird schon alles ok sein. Draußen regnet es inzwischen und damit bekommt die überdachte Geschichte erst Recht Sinn. Nur der guten Ordnung halber sei hier erwähnt, dass das ein halber von eineinhalb Regentagen in 85 Tagen war. Es bleibt also trocken.


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Just, als wir die Nase voll haben, hört der Regen auf und jetzt ist es auch genug mit Geschichte. Wir erkunden Philadelphia per pedes. Das wunderschöne Rathaus hat ein Observation Deck und von dort aus wollen wir uns mal die Stadt von oben ansehen. Aber diese Idee hatten wohl mehrere, so dass die nächsten Tickets erst für drei Stunden später zu haben waren. Das war uns dann doch zu lange und wir bewegen uns motiviert weiter. Der Anfang ist gemacht, es war ganz interessant, aber zu wenig Action für den Hiker.


Damit es aber komfortabel weiter gehen kann, gibt es noch ein paar Dinge zu besorgen. Steffi sagt uns, wo der nächste Walmart ist und die fast essentielle Kühlbox wird gekauft. Arrowhead, unser Lieblingswasser aus dem Westen, das bei vielen Wanderungen der Retter in der Not war, ist hier im Osten nicht zu haben; das von Nestlé tut's auch.


Als wir am Abend im TGI Fridays sitzen, ist mal wieder die exorbitante Organisationskunst der Amerikaner zu beobachten. Viele Tische leer, aber draußen warten die Leute. Das Essen war dann ebenfalls Mist. In der Sportsbar im Hotel wechselt der Inhalt von Bierflasche zu Magen, zweimal. Nur damit wir gut schlafen können, gell (ohne "bruised and battered", um auch mit dem Boss zu enden).
 
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Gelöschtes Mitglied 5876

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Freitag
Und es wirkte; wir haben 8 Stunden selig durchgeschlafen, jetzt geht es uns besser.


Das Frühstück ist in diesem Best Western nicht dabei, nicht mal Continental, und so fahren wir mit leerem Magen um 6.30 Uhr in Richtung Atlantic City los. Erst auf dem Expressway, der in die Spielerstadt am Atlantik führt, sichten wir einen IHOP und die ersten Eier sorgen für USA Feeling.


Frisch gestärkt geht es zurück auf die kostenpflichtige Straße. 75 Cent Toll, tja, - kein Thema. Ooooooh doch! Das Geld ist passend einzuwerfen, Kreditkarte Fehlanzeige und nun? Ich setze den Traverse zurück - da hatten die hinter mir vielleicht eine Freude -, aber die weitere Suche nach Kleingeld war auch ohne Stress, das heißt ohne Druck von hinten, nicht erfolgreich. Wie ein Penner stehe ich nun vor der Schranke und bettelte die Autofahrer an, mir einen Dollar in vier Quarter zu wechseln. Nein, ich putze keine Scheiben! Der hiesige Pendler hat Gott sei Dank immer Kleingeld dabei, denn auch kein EZ Pass oder wie die Dinger sonst noch heißen, öffnet das Gate. Hilfsbereit sind sie ja, die Amis, - bei uns hätten sie den Kopf weggedreht. Hat ja auch was.


Die angenehme Wärme am Meer durchströmt den Körper und erhellt den Geist. "Der Planet" bringt den Atlantik zum glitzern und läßt die Hotels und Casinos in warmen Farben strahlen. Die erste "richtige" Küste, also einprägen und dann mal schau'n, ob das Wasser auf der anderen Seite des Kontinents anders ausschaut.


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Zwischen Meer und Skyline liegt der schöne Strand, der um diese Tageszeit noch keine Badegäste angelockt hat. Wir schlendern den Boardwalk, einen breiten, momentan überdimensionierten Holzweg entlang und ich wundere mich, warum der Abklatsch von Las Vegas nicht mehr boomt, ist doch sein Einzugsgebiet weitaus größer, als das des großen Vorbildes. Die zweite Reihe jedoch kann man gleich ganz vergessen. Freie Grundstücke, baufällige Häuser, also nichts, was den Zocker oder die Badegäste anlocken könnte. Der Vorteil ist, dass man selbst bei einer Kurzvisite einen kostenfreien Parkplatz bekommt.


1995 und 2002 waren wir hier und es hat sich nicht viel getan. Es werden immer noch die abscheulichen Salt Water Taffy verkauft. Die Frontrow haben sie wunderbar in Schuss gehalten, aber nichts Auffälliges verändert. Jedoch steht nun am nördlichen Ende der Stadt ein neues, wunderschönes Hotel. Die verspiegelte Fassade streitet sich mit der Sonne um die Leuchtkraft. Die Wolken strukturieren das Gebäude. Futuristisch sieht es aus, das Revel. Und es ist wirklich super geworden und würde gut und gerne ins City Center passen. Wir erkunden das Hotel, man muss ja auch mal für kleine Jungs, und sind begeistert.


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"Scho schee [schon schön]" ist der bayrische Ausdruck, eigentlich ist es eine Frage, die man seinem Partner zuruft, wenn man sich nicht sicher ist, ob es ihm auch gefällt. "Geht scho [geht schon]" ist die Antwort, wenn es ihm nicht gefällt. "Des g'foit ma scho [das gefällt mir schon]" ist die positive Reaktion. Letzteres war die Antwort von Monika.


Michael Phelps, das Schwimmidol aus Baltimore, war nicht der Grund, warum wir vor Washington noch diese Stadt ansteuern. Sie wird oft von Touristen links liegen gelassen, ist aber unseres Erachtens ein Juwel an der Ostküste. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt parken wir im Renaissance Baltimore Harborplace Hotel.


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Der Weg führt am Inner Harbor entlang zum Rash Field und dann in die Innenstadt. Etwas Geschichte, ein paar nette Wolkenkratzer, und vor allem ein traumhaftes Hafenareal mit netten Lokalen und Bars. In der Zeit der großen Segelschiffe spielte Baltimore eine bedeutende Rolle. Die Baltimore Clipper, die dort gebaut wurden, kreuzten durch alle Weltmeere. In Little Italy gibt es nicht nur eine Menge italienischer Restaurants. Hier steht auch das Star Spangled Banner Flag House, in dem das erste Sternenbanner mit 15 Sternen genäht wurde. Im Garten befindet sich eine Karte der USA aus Stein. Jeder Staat ist durch seinen Stein bzw. seine Steinplatte gekennzeichnet. Das Fort McHenry National Monument and Historic Shrine am Patapsco River wurde im September 1814 von den Engländern 25 Stunden beschossen. Doch die amerikanische Flagge, die auf dem Gebäude wehte, nämlich die, die im Flag House genäht wurde, litt keinen Schaden. Ein Herr namens Francis Scott Key wurde dadurch zu einem Gedicht inspiriert: Oh say! Can you see, by the dawn's early light, what so proudly we hailed at the twilight's last gleaming .... Sag mir, kannst Du in der Morgendämmerung erkennen, was wir gestern bei Sonnenuntergang grüßten ... Das ist, alle USA Freunde wissen es, der Text der amerikanischen Nationalhymne, The star-spangled Banner. Es gefällt uns wirklich gut hier und die zweieinhalb Stunden Sightseeing vergehen wie im Flug.


Als unser Auto bereits in den District of Columbia eintaucht, wird der Verkehr nicht nur zäh, sondern kommt zum Stillstand. Es geht nur noch stückchenweise vorwärts bis zum Hotel. Das Capitol Skyline hat eine einladende Lobby und das Zimmer ist im Vergleich zum BW sehr schön. Die Lage ist nicht schlecht. Also Koffer abstellen und los!


Die National Mall zwischen dem Kapitol und dem Washington Monument ist eine große Baustelle, aber die Sicht auf das Capitol und die anderen Sehenswürdigkeiten ist kaum getrübt. Dann finden wir endlich in der 7. Straße ein Futterzentrum. Ein Lokal neben dem anderen und nachdem Freitagabend ist, sind sie alle voll. Dort wo wir einkehren wollten, gab es Wartezeiten und das ist ja etwas, was ich wirklich nicht ausstehen kann, insbesondere wenn es um's Essen geht und mein Magen knurrt. Das Futter im Carmines, einem italenischen Familienrestaurant, war schon ok, aber die Portionen hätten für vier hungrige Personen gereicht.


Ein ereignisreicher Tag - man merkt, wir kommen in Schwung - nimmt sein Ende. Auf dem Heimweg ein paar Nachtaufnahmen der Hauptstadt und gute Nacht!
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... Fortsetzung folgt!
PS: Bilder zum Text sind bereits online - am schnellsten über "Updates" im Menü: www.zehrer-online.de
 

Petz90

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Oh wie schön. Bitte schnell weiter.:sun:Klasse geschrieben und sehr schöne Bilder.

l.g. Michael
 

Texelrita

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Fritz, genau nach meinem Geschmack. Toll geschrieben mit unglaublich guten Bildern....ich liebe es und werde 85 Tage mitreisen!!! Danke dafür!
 

gumpi67

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Wow, 85 Tage.... bin gespannt, ob ich das auch mal schaffen werde. Super Bilder, toll geschrieben, natürlich bin ich auch dabei. (y)
 
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Gelöschtes Mitglied 5876

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Bald geht's weiter, brauchte heute eine Pause:sun:
 
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Gelöschtes Mitglied 5876

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Samstag
Die Nacht endet abrupt um 6 Uhr. Tolle Leistung, das ist ja fast schon normale Augen-auf-Zeit. Schnell einen Kaffee aus dem Restaurant geholt, die Hauptstadt wartet.

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Noch sind sie dunkel, die Wolken, und das hat nichts mit der noch nicht vergangenen Nacht zu tun. Aber die Grauschattierungen werden freundlicher, als wir auf der I-Street zum Washington Channel wandern. Fischmarkt! Alles toll sortiert nach Größen und Farben. Einladend und sauber, die Schalentiere und Fische sehen exzellent aus, so appetitlich, dass selbst ohne Frühstück ein Würgereiz unterbleibt. Die Einkäufer sind schon da und die Fische fliegen nur so in die Tüten. Aber Fische ohne Frühstück lassen wir dann doch lieber bleiben. Obwohl, Hunger habe ich schon bekommen, aber das ist nicht außergewöhnlich.

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Thomas Jefferson war der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und so wie er in seinem Memorial am Tidal Basin steht, hat er nie einen Orthopäden gebraucht. Kerzengerade starrt der Hühne zwischen den Säulen hinaus, die die Kuppel seines Denkmals tragen und egal von welcher Perspektive man es betrachtet, die Statur dieses Mannes ist einfach wie mit dem Lineal gezeichnet. Gegebenenfalls ist das jedoch den heutigen Fotoretuschen auf Modezeitschriften gleichzusetzen. Egal, er war wohl einer der wichtigsten Präsidenten des Landes, da kann man auch mal fünfe gerade sein lassen.

Franklin Delano Roosevelt, der Vetter von Theodor und der einzige Präsident, der in drei Amtsperioden die Geschicke seines Landes führte, hat auch sein Denkmal bekommen. Er und sein Hund Fals und einige andere Skulpturen seiner Amtszeit sind verewigt. Und obwohl die Gedenkstätte erst 1997 eingeweit wurde, hat Roosevelt aus Kupfer schon grüne Patina angesetzt. Und schon wieder ein Denkmal, es läßt sich ja nicht vermeiden. Martin Luther King, der Theologe und Bürgerrechtler erstrahlt jedoch in weiß. Ähm, er war doch Afro-Amerikaner, wäre da nicht eine andere Farbe passender? Auch gut, auf alle Fälle sind hier die meisten Leute unterwegs, was natürlich auch daher rühren könnte, dass es langsam Vormittag wird.

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Über das Korean War Denkmal erreichen wir Opa Abe. Nahezu majestätisch sitzt Lincoln, der 16. Präsident, am Ende des Reflecting Pool und schaut auf seine Jünger herab. Crowded ist es inzwischen. Japaner, Koreaner, Italiener, wir und noch viele andere streiten sich um einen vernünftigen Fotografierplatz, um Abraham ohne störendes Beiwerk abzulichten. Resolut musst Du sein und dann geht's doch. Als ich so in die Ferne über den Reflecting Pool blicke, fällt mir der Covert Arch ein, als wir mitten in dieser gigantischen Felsenlandschaft bei Moab ganz alleine waren; warum nur? Das Vietnam Verterans Memorial ist eine lange Mauer mit eingravierten Namen - warum nur?

Albert Einstein sieht müde aus. Hingefläzt hat er sich, er lümmelt vor der Academy of Science, wo sonst. Hat wohl zuviel nachgedacht, der Liebe. Aber schön, dass sie diesen großen Wissenschaftler und Denker nicht vergessen haben. Aber er ist ja auch in New Jersey gestorben, der Albert, und das genügt, um von den Amerikanern als ihresgleichen akzeptiert zu werden. Die armen Ulmer.

Weil es immer noch nicht reicht, wollten wir noch die Theodore Roosevelt Statue auf der gleichnamigen Insel besuchen. Irgendwann sind wir auf einer Brücke. Der Verkehr rauscht vorbei, bei den Amis gilt man sowieso als verrückt, wenn man auf seinen eigenen Beinen unterwegs ist, und von dieser Brücke gibt es keinen Zugang zur Insel. Wir kehren um und nehmen die Rock Creek Park Trails zum Georgetown Waterfront Park. Als wir schon ein gutes Stück in Georgetown sind, fällt uns ein, dass wir noch nichts gefrühstückt haben. Es ist aber schon früher Nachmittag. Und just in diesem Moment kommen wir an einer Bäckerei vorbei. Nein, es war andersrum. Wir haben die Bäckerei gesehen und ... schmatz. Kaffee und Kuchen waren einfach fantastisch.

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Georgetown ist wunderschön mit seinen kleinen Häusern und den netten Geschäften. Eine dunkle Ecke hat das Viertel aber und dort wollen wir auch noch hin. Vor rund 40 Jahren, als ich noch mit langen Haaren durch die Gegend sauste, kam der Horrorfilm des Jahres in die Kinos: "Der Exorzist". Ich glaube, ich hatte eine Woche Albträume. Es war in der damaligen Zeit unglaublich. Irgendwann, nach den grusligsten Szenen, die ich in meinem kurzen Leben je gesehen habe, kam Damien Karras zurück und fand den Exorzisten, Pater Lancaster Merrin, tot. Wütend stürzt sich Karras auf den Dämon, der springt auf ihn über, und als er es merkt, stürzt er sich aus dem Fenster die Treppe hinunter, um die Welt zu retten. Und zu dieser Treppe müssen wir, - man gönnt sich ja sonst nichts. Ich habe den Film vor ein paar Jahren nochmal gesehen, er war zum Totlachen. So ändern sich die Zeiten.

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Zurück zur Treppe, wir steigen sie hinauf zur Prospect Street. Aber nicht gleich, denn ein Sportsmann benutzt sie als Trainingsgelände. Ein paar Klimmzüge und dann die Treppe hinauf und hinunter. Als wir mit unserem Alter angemessenen Schritten oben ankamen, war ich gerade noch in der Lage, den Auslöser am Foto zu drücken. Kollaps - no more sport today!

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Auf dem Weg über die Universität zurück zum Weißen Haus finden wir einen netten Italiener und wir reservieren für das Abendessen. Ist es ein gutes Gefühl, dem mächtigsten Mann der Welt so nahe zu sein? Und wie lange wird der gute Barack noch im Amt bleiben? Wenn man die Nachrichten und politschen Sendungen etwas verfolgt, meint man, seine Tage seien gezählt. Wieso soll jemand eine Krankenversichung haben, wenn er arm ist. Selbst Schuld, - kein Mitleid. Können wir das verstehen? Na ja, ein paar andere Fehler hat er auch noch gemacht und aus dem YES-WE-CAN-Mythos wurde ein normaler Präsident und so heruntergekommen, kann man ihn auch abwählen. Wir werden sehen.

Am Milestone, von dem noch heute alle Straßen von Washington DC aus gemessen werden, und am National Chrismas Tree vorbei, gehen wir zum Washington Monument. Dieser 169 Meter hohe Marmorturm überragt alles hier in der Stadt. Leider war der Obelisk für den Aufstieg geperrt. So machen wir uns auf den Weg zum Old Postoffice Pavillon. Ein schöner Bau, der (leider) zum Foodcourt umgemodelt wurde. Und weil es ein öffentliches Gebäude ist, bleiben die Leibesvisitationen nicht aus. Aber die Pepperoni Pizza war trotzdem gut. Frisch gestärkt nehmen wir den Weg zum FBI, zum HardRock Café und zur Union Station. War schon sehenswert.

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Nach 8 Stunden Washington sind wir fix und fertig. Nur eine Dusche bringt uns die Lebensgeister zurück. Den Rest besorgte dann das Ristorante Piccolo, respektive das Essen dort, aber insbesondere die gute Flasche Wein. Träumt in Frieden, morgen ist Wandertag!

... Fortsetzung folgt!
PS: Bilder zum Text sind bereits online - am schnellsten über "Updates" im Menü
 

Texellena

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Schöner Bericht :) Fühle mich nach Oktober zurückversetzt. Wir sind auch nach der Treppe und zweitägigem Fußmarsch erledigt gewesen und hatten sogar Blasen :( Im Nachhinein fällt mir auf, dass wir die Statuen gar nicht besucht haben...
 

jaju95

FLI-Bronze-Member
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Wow, toller Bericht, tolle Fotos! (y) Quetsch mich noch auf den Ruecksitz...
 

marie-65

FLI-Silver-Member
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Ort
Augustusburg
Schön, da haben wir ja jetzt fast 3 Monate einen Livebericht,wenn das nichts ist!
Freu mich auf Fortsetzung!!
herzliche Grüße
marie 65
 
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