Und weiter geht es mit unserer Sightseeingtour durch diese großartige Stadt. Der Weg führte uns zurück zum Plaza del Triunfo, denn ich hatte schon im Vorfeld online Eintrittskarten für den Königspalast
Real Alcázar besorgt. Seit dem Mittelalter ist der Palast Residenz der Könige und bis heute der offizielle Aufenthaltsort der spanischen Königsfamilie, wenn sie in Sevilla weilt.
In der kurzen Schlange am Eingang wurden wir von einer gepflegten älteren Dame mit Hut und Perlenkette angesprochen, welche eine private Führung durch den Palast in deutscher Sprache für einen gewissen Stundenlohn anbot. Ich dachte kurz darüber nach, denn wenn man Glück hatte und an einen privaten Reiseführer mit einem umfassenden Wissen und vielen Hintergrundinformationen geriet, konnte das schon ganz interessant werden. Schlussendlich war es mir dann doch zu ungewiss und zu riskant ... veranschlagt und auch empfohlen waren zwei bis drei Stunden für die Palastbesichtigung … nachher würde die nette Dame gar nicht mehr aufhören zu erzählen und wir wären dann vielleicht 5 Stunden im der Anlage unterwegs.
Durch das doch recht unscheinbar wirkende Löwentor gelangten wir ins Innere des mittelalterlichen Königspalastes und auf den Vorhof „Patio de la Montería“. Hier kann man deutlich erkennen, dass es sich bei der Palastanlage um einen ganzen Komplex von Palastbauten handelt, die im Laufe verschiedener Jahrhunderte entstanden sind.
Im Jahr 913 gab Abd ar-Rhaman III., er war der erste Kalif von Al-Andalus, den Befehl zum Bau einer Burg an dieser Stelle, deren Reste heute zu den ältesten des Alcázars zählen. Später errichteten die Almohaden (eine Berber-Dynastie) einen Palast.
Der Großteil der modernen Anlagen wurde ab 1364 auf den maurischen Ruinen für Peter I. von Kastilien im Mudéjarstil gebaut. Spätere Monarchen erweiterten den Alcázar, wodurch noch weitere Baustile hinzukamen. So entstanden z. B. unter den Katholischen Königen, Karl V. und Philipp II. Bauten mit gotischen Elementen, die in starkem Kontrast zu der dominierenden Mudéjar-Architektur stehen.
Das beeindruckendste Gebäude des großen Komplexes ist der Palast Peter I., der 1364 errichtet wurde. Der Palast ist eines der am besten erhaltenen Beispiele für die Mudéjar-Architektur.
Aber was bedeutet Mudéjar-Architektur oder auch Mudéjarstil überhaupt?
Mudéjar war nach der Reconquista die Bezeichnung für einen unter christlicher Herrschaft lebenden Mauren mit islamischen Glauben. Unter den Mudéjaren waren gebildete und geschickte Leute, es gab viele Handwerker wie Töpfer, Maurer, Tischler und Gärtner.
Einige der christlichen Herrscher waren fasziniert von den islamischen Bauten, die nun in ihrem Besitz waren und eine Zerstörung der prachtvollen Bauwerke kam für sie nicht in Frage. So wurden aus arabischen Burgen christliche Kastelle und aus Moscheen Kirchen gemacht. Da christliche Baumeister rar waren und man den arabischen Baustil sehr schätzte, errichteten die Mudéjaren für die christlichen Herrscher Kirchen und Paläste oder gestalteten sie um.
Da aber trotzdem erkennbar sein sollte, dass es sich um christliche Bauwerke handelt, entstand ein Mix oder eine Verschmelzung maurischer Baukunst mit christlichen Baustilen der Romantik, Gotik und Renaissance.
Wenn man also von Mudéjarstil spricht, so muss man beachten, dass damit immer ein Bauwerk gemeint ist, dass in christlichen Gebieten aus islamischen Händen entstanden ist. Es fehlen hier auch wichtige Merkmale echter arabischer Kultur wie Gebetsnischen, Bäder oder auch ein Harem. Diesen Baustil gab es also erst nach der Reconquista und vor allem in Spanien.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Meine Lieblingsburg, die wundervolle Alhambra in Granada ist keine Mudéjar-Architektur, da sie als islamische Kunst unter maurischer Herrschaft entstand, die Architektur steht hier im Dienste der islamischen Religion. Mudéjar-Architektur entstand innerhalb christlicher Herrschaft, wurde aber von Mudejaren ausgeführt. So gesehen mussten sich die Bauherren nicht mehr den Regeln der islamischen Religion fügen, konnten aber aus der reichhaltigen Tradition schöpfen.
So war auch Peter I. sehr angetan von der arabischen Baukunst und beauftragte für den Bau seines Palastes maurische Handwerker und Baumeister
u. a. auch aus Granada.
Die mit herrlichen Ornamenten geschmückte Fassade mit den offenen Arkaden ist wunderschön anzuschauen.
Ich zeige euch jetzt einfach mal ein paar Highlights des wundervollen Palastes …
Patio de las Munecas – der „Puppenhof”
Der kleine, heute von einer Glaskuppel überdachte Innenhof der Privatgemächer begeistert durch filigran ausgearbeitete maurische Ornamente. Man wusste gar nicht, wohin man zuerst schauen sollte. Den Namen hat der Hof von kleinen Puppengesichter, die versteckt die Bögen schmücken.