Hallo liebe Gemeinschaft der Florida-Reisenden,
nachdem ich mich hier ein bißchen umgesehen habe, denke ich, daß mein/unser Reisebericht für hiesige Gewohnheiten bereits ein bißchen veraltet ist, weil Ihr immer alle so aktuell schreibt. Daß er etwas später kommt, hat seinen Grund, er war eigentlich zur Veröffentlichung in einem anderen Reiseforum gedacht, das mit Florida rein gar nichts zu tun hat, und in dem mein Mann und ich seit vielen Jahren Mitglieder sind und unsere Reiseberichte gewohnheitsmäßig veröffentlichen. Da mir hier aber mit meinen Fragen weitergeholfen wurde, will ich mich mal revanchieren und hoffe, daß er ein bißchen gefällt.
Da ich weiß, daß das geschriebene Wort manchmal anders ankommt als gemeint, möchte ich vorweg noch sagen, daß das oben Gesagte auch die Erklärung dafür ist, weshalb der Reisebericht so viele Erklärungen zum Inhalt hat, die langjährigen Floridaerfahrenen größtenteils bereits geläufig sind. Das soll also bitte hier nicht als Schlaumeierei empfunden werden, sondern war dazu gedacht, den Leuten in unserem "Stammforum" Florida näherzubringen und möglichst auch schmackhaft zu machen.
Alles andere sind unsere persönlichen Empfindungen und Eindrücke.
Zu uns: Mein Mann ist seit den frühen Neunziger Jahren regelmäßiger Floridareisender, früher auch Taucher (auch Höhlen, grusel ) , und fotografiert. Ich war erst zum zweiten Mal dort, bin begeisterte Hobby-Botanikerin und schnorchele gern. Außerdem knipse ich so ohne weiteren Anspruch herum. Die Fotos sind bis auf wenige Ausnahmen alle von meinem Mann, alle anderen von mir. Welche das sind, erkennt man, glaube ich.
Die vielen Links sind hoffentlich erlaubt, falls nicht, lasse man mich das wissen, dann entferne ich sie. Der Bericht ist ziemlich lang, ich stelle ihn in Etappen ein.
Wir waren gut vier Wochen und über 5000 km unterwegs, von Miami über Key West nach Orlando und dann hinauf in den hohen Norden bis nach Georgia, was wiederum aus Sicht der restlichen USA das ist, was sie Dixie nennen, den tiefen Süden.
Los geht es über London mit British Airways nach Miami mit einem Airbus 380. Bei der gewaltigen Maschine dauert es ewig, bis alle 800 Passagiere an Bord sind, und um uns die Wartezeit zu versüßen, werden wir mit derartig aufdringlich lauter Klassik beschallt, daß es eine Wohltat ist, als sich endlich mal jemand von der Crew zu Wort meldet und das schrille Gefiedel unterbricht. Am Service und Essen hatte zumindest ich nichts dann nichts mehr zu meckern, auch wenn sie bei BA ein bißchen knickerig mit Getränken sind. Es geht eben nichts über die Selbstbedienungswagen bei Air France.
Dafür wird bei den Franzosen natürlich keine an die Hauptmahlzeit anschließende Teatime zelebriert. Als ein Fluggast in der Reihe vor uns fragt, ob sie denn wohl auch Kräutertee bekommen könne, zieht der junge Stewart, der mit so formvollendeter Haltung den Tee ausschenkt, als käme er direkt von der Butlerschule, eine stiff upper lip und antwortet ihr, nein, Madam, wir schenken hier nur englischen Tee aus. Cheerio Miss Sophie!
Auch das Entertainmentprogramm ist unterhaltsam. Es gibt einiges an Spielen und ziemlich viele brandneue Filme, darunter einige, die ich sowieso gern sehen wollte. So ein Langstreckenflug bei Tag, vor allem, wenn man mit der Zeit fliegt, erweckt ja irgendwie das Gefühl, die Zeit dehne sich endlos aus. Da ich sowieso nicht schlafen kann, schaue ich mir, wohl beeinflußt von so viel britischem Flair, Goodbye Christopher Robin an, der die traurige Geschichte hinter den Winnie Pooh-Geschichten erzählt, und welchen zerstörerischen Einfluß diese eigentlich ja so wunderbaren Bücher, die natürlich auch ich als Kind geliebt habe, auf den echten Christopher Robin gehabt haben.
Als wir in Miami landen, bin ich in Gedanken noch ganz im 100 Morgen-Wald und immer noch enttäuscht darüber, daß A.A. Milne so ein charakterschwacher Idiot gewesen sein soll, während wir uns in die endlose Schlange der Hundertschaften einreihen, die ja jetzt allesamt dieser Kathedrale von einem Flugzeug entstiegen sind.
Winnie und seine Freunde scheinen uns dann prompt auch noch eine Weile zu begleiten. Der Wagen, den wir uns im Rental Center abholen, ist ein i-A (ein Toyota Yaris), auf der Fahrt vom Flughafen nach Miami Beach rasen die früher so Speedlimit-hörigen Amerikaner inzwischen durch die nächtlichen Straßen, als hätten sie alle Tigger im Tank, und im Hotel angekommen, hat in unserem Zimmer zuletzt offensichtlich Ferkel gehaust.
Als ich zur Rezeption zurückgehe, um das Zimmer, das wohl seit dem letzten Auszug kein Housekeeping gesehen hat, zu reklamieren, holt Paula Cuba, die uns eingecheckt hat, erschrocken ihre Kollegin Ana Maria Venezuela zur Hilfe, und mir dämmert, daß das, was ich für einen zufällig nach der Insel klingenden Nachnamen gehalten habe, offensichtlich ein Hinweis auf das Herkunftsland ist. Was das nun zu bedeuten hat, kann ich mir nicht erklären, mag das aber auch nicht fragen. Miami hatte meines Wissens schon immer einen hohen Anteil an spanischsprachigen Einwohnern vor allem kubanischer Herkunft, und welchen Zweck dieser Stempel, den man den Personen damit aufdrückt, haben soll, erschließt sich mir nicht. Ich finde es schon irgendwie diskriminierend und bin ganz froh, als ich später noch sehen werde, daß ich nicht allein so denke.
Paula und Ana Maria entscheiden, daß wir für die entstandenen Unannehmlichkeiten ein Upgrade bekommen, und so landen wir ein Stockwerk höher in einer Suite. Das Lexington, das wir uns für die ersten Nächte ausgesucht haben, liegt direkt am Strand und eigentlich wäre das mit dem Zimmer nun ganz toll, wenn denn nicht gerade aktuell eine ziemlich steife Brise vom Atlantik direkt gen Westen wehen würde, die nun also genau auf unserer Fensterfront liegt und permanent pfeift. Auf dem Balkon kann man gar nicht sitzen, selbst das Abstellen eines Getränks ist riskant. Alles in einer Größenordnung von unter einem Liter wird einfach umgeweht.
Das Hotel gefällt uns an sich gut, die Gestaltung der Lobby ist ziemlich edel und läßt es viel teurer wirken, als es ist. Die Zimmer sind aber amerikanischer Durchschnitt und ein klein bißchen abgewohnt, aber das geht eben auch schnell so direkt am Meer, daß alles abblättert. Abendessen gibt es in einem Subway, mit Eistee zum kostenlosen Nachfüllen, herrlich. Dann ist es auch in Miami schon späte Nacht und für uns dringend Schlafenszeit.
Am nächsten Morgen bläst der heiße Wind von Osten unverändert. Die Palmwedel knattern, einige wenige Sonnenschirme am Strand flattern wild und werden dann später auch weggeräumt. Am Strand ist kein Mensch. Vom Beach in Miami Beach haben wir gerade nicht so viel.
Also auf zum Walmart, mit der nötigen Ausrüstung für die kommenden Touren versorgen. Einen Walmart gibt es jedoch erst in North Miami Beach, wie uns eine junge Dame an der Rezeption sagt, die anhand eines fehlenden Herkunftslandes auf ihrem Namensschild vermutlich als US-Amerikanische Staatsangehörige zu identifizieren sein soll.
Wir frühstücken wieder im Subway, und wieder gibt es süßen Eistee, den ich natürlich mehrmals nachfülle. So lecker.
Den Walmart finden wir nach etwas Herumsucherei, während derer wir erstaunt feststellen, daß Miami Beach in den letzten fünf Jahren noch deutlich an Gebäuden zugelegt hat. Darunter weniger Hotels, viel mehr Apartmenthäuser mit Eigentumswohnungen, sogenannte Condominiums. Entlang der Strandseite der Collins Avenue, die sich einmal von Süd nach Nord über die Insel zieht, eigentlich keine Baulücke mehr. Auf Sunny Isles entdecke ich drei kleine Trump-Towers, vermutlich auch Condos, genau kann man das so im Vorbeifahren aber nicht erkennen.
Einmal im Walmart angekommen, beginnt die Kreditkarte zu glühen. Angefangen mit einer Kühlbox aus Styropor und zwei grünen Klappstühlen über diverse Getränke, Sonnenmilch und vor allem Medikamenten, die in Deutschland mindestens apothekenpflichtig, hier aber frei verkäuflich und vor allem deutlich günstiger sind, füllt sich der Einkaufswagen. Wo man schon mal dabei ist, gesellen sich auch noch ein paar T-Shirts und eine Jeans dazu, später werden es noch einige Klamotten mehr werden, aber für heute sind wir schon wieder platt. Der Jetlag macht sich bemerkbar und wir trödeln gemütlich wieder gen Süden.
Mein Mann bringt danach tatsächlich noch genügend Energie für eine kleine Fototour auf.
In unmittelbarer Nachbarschaft unserer Unterkunft befinden sich zahlreiche Luxushotels, darunter das durch den James Bond-Film Goldfinger vor 54 Jahren behanntgewordene Fontainebleau, das erst kürzlich für eine Milliarde Dollar saniert und ausgebaut wurde. Reges Treiben um diese Anlage zwischen Taxis, Chauffeurs-Limousinen, exklusiven Sportwagen und Yachten verleiht der Stadt hier ein besonderes Flair.
Während der Mann unterwegs ist, gebe ich dem Balkon noch eine Chance. Allerdings vergebens, der Atlantik-Föhn ist immer noch so dermaßen an, daß man sich hier mit einer Flasche Haarspray ausgerüstet ohne Probleme bombastische Miami Vice-taugliche 80er Jahre-Frisuren basteln könnte.
Das Ergebnis der frühen Siesta ist dann natürlich, daß wir mitten in der Nacht aufwachen und jetzt hellwach und hungrig sind. Die Lösung heißt der Einfachheit halber wieder Walmart, wie die meisten Walmart-Supercenter hat auch dieser einen McDonalds, der bis 00 Uhr geöffnet hat. Also wieder die Collins Avenue hinauf. Diesmal bei Nacht, entlang des Indian River, genau dort, wo sich Tubbs und Crockett in der Miami Vice-Pilotfolge ihre legendäre Verfolgungsjagd mit Boot und Auto lieferten.
Von den unzähligen Apartmenthäusern sind die meisten fast vollständig dunkel, nur hier und da ein erleuchtetes Fenster. Ob sich diese Art von Immobiliengeschäft wirklich lohnt? Wer kauft diese ganzen Wohnungen? Ich finde die Vorstellung, in einem dieser Wolkenkratzer irgendwo im 27. Stock ganz allein zu sein, ziemlich gruselig. Oder, noch schlimmer, womöglich dort eine Pizza hinliefern zu müssen…
Man mag Miami Beach für eine betonierte Plastikwelt halten, aber ein bißchen haben sie sich ihren Bezug zur Natur dennoch bewahrt. Entlang der Straße immer wieder Warnschilder: Alkohol, offenes Feuer und Party am Strand sind verboten, es ist Turtle Nesting Season. Daran könnte sich so manches Land, das sich seines Naturschutzes rühmt, ein Beispiel nehmen, mir fiele da direkt eines ein…
Bei McDonalds kommen wir gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluß an. Die Verständigung ist schwierig, das Englisch der Bedienung ist noch schlechter als meines und verstehen kann ich sie fast gar nicht. Während ich bestelle, versucht hinter mir ein junger Mann sich durch das bereits geschlossene Absperrgitter zu quetschen und wird von der Frau, die gerade meine Bestellung durcheinander bringt, lachend mit etwas, das wie ein genuscheltes „sorti la“ klingt, hinausgeworfen. Man kennt sich offensichtlich, zwischen Gitter und Tresen unterhält man sich über die Distanz halblaut auf Kreol. Vertraute Klänge, die man in Miami vielleicht nicht unbedingt erwartet. Namensschildchen mit dem Verweis auf das Herkunftsland Haiti habe ich bislang noch nicht gesehen, aber der großen Population an Haitianern wird an vielen Orten Rechnung getragen, indem Schilder neben Englisch und Spanisch auch auf Haiti-Kreyol abgefaßt sind. Obwohl ich es versuche, kann ich dem Gespräch nicht folgen, ich glaube, Haitianisches Kreyol ist vom Französischen noch sehr viel weiter entfernt als die Kreolsprachen des Indischen Ozeans.
Eine schlaflose Nacht in Miami Beach kann man sehr gut am Ocean Drive verbringen. Die Art Déco-Häuser sind bei Tag schon eine Augenweide, nachts verleihen die grellbunte Beleuchtung und die Neonröhren-Illuminationen nochmal eine ganz andere Atmosphäre.
Auf dem Drive permanent im Schritttempo herumcruisende Spaßmobile in bonbonfarbenen Lackierungen, das Ganze untermalt von kubanischer Musik, die aus den Clubs dringt, das könnte einem das Gefühl vermitteln, man befände sich mitten in einem Werbespot für irgendein Wohlfühlprodukt, wären da nicht die grellen Scheinwerfer, die die Rasenflächen bis zum Strand hin beleuchten, und die allgegenwärtige Polizeipräsenz in den Schattenarealen dazwischen. Aber es hat was, jetzt hier so herumzuspazieren, und wir bleiben bis morgens um drei.
Die Art Déco-Architektur ist wirklich sehenswert, aber am Folgetag entdecken wir per Zufall etwas, das uns mindestens genauso gefällt. Dazu ist allerdings erforderlich, daß ich auf die Unternehmung verzichte, auf die ich mich in Miami eigentlich am meisten gefreut hatte, nämlich zum Jai Alai zu gehen.
Eigentlich gehört es nicht in diesen Reisebericht, da wir diesmal nicht wieder dort waren, und ich erwähne es nur, um quasi ein bißchen Werbung zu machen. Gemessen an der Medienpräsenz, die Jai Alai noch bis in die frühen 90er Jahre in Florida gehabt hat, ist es inzwischen fast zur Bedeutungslosigkeit verschwunden. Dabei ist es spannend, rasant und der Fronton in Miami ein historisches Gebäude, eines der ältesten der Stadt, und schon deshalb sehenswert in dieser schnelllebigen Umgebung. Auch wenn man nicht wetten möchte und die Spielregeln einen nicht interessieren, hat es ganz viel Atmosphäre, in der großen Zuschauerhalle zwischen den Locals zu sitzen. Es gibt ein kleines Museum und Eintritt kostet es auch nicht. Zur Illustration hier mal zwei Fotos von der letzten Reise:
Da wir morgen aber schon abreisen, müssen wir irgendwo Abstriche machen. Der Vorabend im haitianischen McDonald’s hat uns daran erinnert, daß wir der kulturellen Vielfalt von Miami, der diese Stadt sich rühmt, bislang eigentlich noch kaum Beachtung geschenkt haben. Also verzichte ich ein bißchen bedauernd auf eine Wiederholung des Besuchs beim Jai Alai und wir beschließen, uns mal die Wynwood Walls anzuschauen.
nachdem ich mich hier ein bißchen umgesehen habe, denke ich, daß mein/unser Reisebericht für hiesige Gewohnheiten bereits ein bißchen veraltet ist, weil Ihr immer alle so aktuell schreibt. Daß er etwas später kommt, hat seinen Grund, er war eigentlich zur Veröffentlichung in einem anderen Reiseforum gedacht, das mit Florida rein gar nichts zu tun hat, und in dem mein Mann und ich seit vielen Jahren Mitglieder sind und unsere Reiseberichte gewohnheitsmäßig veröffentlichen. Da mir hier aber mit meinen Fragen weitergeholfen wurde, will ich mich mal revanchieren und hoffe, daß er ein bißchen gefällt.
Da ich weiß, daß das geschriebene Wort manchmal anders ankommt als gemeint, möchte ich vorweg noch sagen, daß das oben Gesagte auch die Erklärung dafür ist, weshalb der Reisebericht so viele Erklärungen zum Inhalt hat, die langjährigen Floridaerfahrenen größtenteils bereits geläufig sind. Das soll also bitte hier nicht als Schlaumeierei empfunden werden, sondern war dazu gedacht, den Leuten in unserem "Stammforum" Florida näherzubringen und möglichst auch schmackhaft zu machen.
Alles andere sind unsere persönlichen Empfindungen und Eindrücke.
Zu uns: Mein Mann ist seit den frühen Neunziger Jahren regelmäßiger Floridareisender, früher auch Taucher (auch Höhlen, grusel ) , und fotografiert. Ich war erst zum zweiten Mal dort, bin begeisterte Hobby-Botanikerin und schnorchele gern. Außerdem knipse ich so ohne weiteren Anspruch herum. Die Fotos sind bis auf wenige Ausnahmen alle von meinem Mann, alle anderen von mir. Welche das sind, erkennt man, glaube ich.
Die vielen Links sind hoffentlich erlaubt, falls nicht, lasse man mich das wissen, dann entferne ich sie. Der Bericht ist ziemlich lang, ich stelle ihn in Etappen ein.
Wir waren gut vier Wochen und über 5000 km unterwegs, von Miami über Key West nach Orlando und dann hinauf in den hohen Norden bis nach Georgia, was wiederum aus Sicht der restlichen USA das ist, was sie Dixie nennen, den tiefen Süden.
Los geht es über London mit British Airways nach Miami mit einem Airbus 380. Bei der gewaltigen Maschine dauert es ewig, bis alle 800 Passagiere an Bord sind, und um uns die Wartezeit zu versüßen, werden wir mit derartig aufdringlich lauter Klassik beschallt, daß es eine Wohltat ist, als sich endlich mal jemand von der Crew zu Wort meldet und das schrille Gefiedel unterbricht. Am Service und Essen hatte zumindest ich nichts dann nichts mehr zu meckern, auch wenn sie bei BA ein bißchen knickerig mit Getränken sind. Es geht eben nichts über die Selbstbedienungswagen bei Air France.
Dafür wird bei den Franzosen natürlich keine an die Hauptmahlzeit anschließende Teatime zelebriert. Als ein Fluggast in der Reihe vor uns fragt, ob sie denn wohl auch Kräutertee bekommen könne, zieht der junge Stewart, der mit so formvollendeter Haltung den Tee ausschenkt, als käme er direkt von der Butlerschule, eine stiff upper lip und antwortet ihr, nein, Madam, wir schenken hier nur englischen Tee aus. Cheerio Miss Sophie!
Auch das Entertainmentprogramm ist unterhaltsam. Es gibt einiges an Spielen und ziemlich viele brandneue Filme, darunter einige, die ich sowieso gern sehen wollte. So ein Langstreckenflug bei Tag, vor allem, wenn man mit der Zeit fliegt, erweckt ja irgendwie das Gefühl, die Zeit dehne sich endlos aus. Da ich sowieso nicht schlafen kann, schaue ich mir, wohl beeinflußt von so viel britischem Flair, Goodbye Christopher Robin an, der die traurige Geschichte hinter den Winnie Pooh-Geschichten erzählt, und welchen zerstörerischen Einfluß diese eigentlich ja so wunderbaren Bücher, die natürlich auch ich als Kind geliebt habe, auf den echten Christopher Robin gehabt haben.
Als wir in Miami landen, bin ich in Gedanken noch ganz im 100 Morgen-Wald und immer noch enttäuscht darüber, daß A.A. Milne so ein charakterschwacher Idiot gewesen sein soll, während wir uns in die endlose Schlange der Hundertschaften einreihen, die ja jetzt allesamt dieser Kathedrale von einem Flugzeug entstiegen sind.
Winnie und seine Freunde scheinen uns dann prompt auch noch eine Weile zu begleiten. Der Wagen, den wir uns im Rental Center abholen, ist ein i-A (ein Toyota Yaris), auf der Fahrt vom Flughafen nach Miami Beach rasen die früher so Speedlimit-hörigen Amerikaner inzwischen durch die nächtlichen Straßen, als hätten sie alle Tigger im Tank, und im Hotel angekommen, hat in unserem Zimmer zuletzt offensichtlich Ferkel gehaust.
Als ich zur Rezeption zurückgehe, um das Zimmer, das wohl seit dem letzten Auszug kein Housekeeping gesehen hat, zu reklamieren, holt Paula Cuba, die uns eingecheckt hat, erschrocken ihre Kollegin Ana Maria Venezuela zur Hilfe, und mir dämmert, daß das, was ich für einen zufällig nach der Insel klingenden Nachnamen gehalten habe, offensichtlich ein Hinweis auf das Herkunftsland ist. Was das nun zu bedeuten hat, kann ich mir nicht erklären, mag das aber auch nicht fragen. Miami hatte meines Wissens schon immer einen hohen Anteil an spanischsprachigen Einwohnern vor allem kubanischer Herkunft, und welchen Zweck dieser Stempel, den man den Personen damit aufdrückt, haben soll, erschließt sich mir nicht. Ich finde es schon irgendwie diskriminierend und bin ganz froh, als ich später noch sehen werde, daß ich nicht allein so denke.
Paula und Ana Maria entscheiden, daß wir für die entstandenen Unannehmlichkeiten ein Upgrade bekommen, und so landen wir ein Stockwerk höher in einer Suite. Das Lexington, das wir uns für die ersten Nächte ausgesucht haben, liegt direkt am Strand und eigentlich wäre das mit dem Zimmer nun ganz toll, wenn denn nicht gerade aktuell eine ziemlich steife Brise vom Atlantik direkt gen Westen wehen würde, die nun also genau auf unserer Fensterfront liegt und permanent pfeift. Auf dem Balkon kann man gar nicht sitzen, selbst das Abstellen eines Getränks ist riskant. Alles in einer Größenordnung von unter einem Liter wird einfach umgeweht.
Das Hotel gefällt uns an sich gut, die Gestaltung der Lobby ist ziemlich edel und läßt es viel teurer wirken, als es ist. Die Zimmer sind aber amerikanischer Durchschnitt und ein klein bißchen abgewohnt, aber das geht eben auch schnell so direkt am Meer, daß alles abblättert. Abendessen gibt es in einem Subway, mit Eistee zum kostenlosen Nachfüllen, herrlich. Dann ist es auch in Miami schon späte Nacht und für uns dringend Schlafenszeit.
Am nächsten Morgen bläst der heiße Wind von Osten unverändert. Die Palmwedel knattern, einige wenige Sonnenschirme am Strand flattern wild und werden dann später auch weggeräumt. Am Strand ist kein Mensch. Vom Beach in Miami Beach haben wir gerade nicht so viel.
Also auf zum Walmart, mit der nötigen Ausrüstung für die kommenden Touren versorgen. Einen Walmart gibt es jedoch erst in North Miami Beach, wie uns eine junge Dame an der Rezeption sagt, die anhand eines fehlenden Herkunftslandes auf ihrem Namensschild vermutlich als US-Amerikanische Staatsangehörige zu identifizieren sein soll.
Wir frühstücken wieder im Subway, und wieder gibt es süßen Eistee, den ich natürlich mehrmals nachfülle. So lecker.
Den Walmart finden wir nach etwas Herumsucherei, während derer wir erstaunt feststellen, daß Miami Beach in den letzten fünf Jahren noch deutlich an Gebäuden zugelegt hat. Darunter weniger Hotels, viel mehr Apartmenthäuser mit Eigentumswohnungen, sogenannte Condominiums. Entlang der Strandseite der Collins Avenue, die sich einmal von Süd nach Nord über die Insel zieht, eigentlich keine Baulücke mehr. Auf Sunny Isles entdecke ich drei kleine Trump-Towers, vermutlich auch Condos, genau kann man das so im Vorbeifahren aber nicht erkennen.
Einmal im Walmart angekommen, beginnt die Kreditkarte zu glühen. Angefangen mit einer Kühlbox aus Styropor und zwei grünen Klappstühlen über diverse Getränke, Sonnenmilch und vor allem Medikamenten, die in Deutschland mindestens apothekenpflichtig, hier aber frei verkäuflich und vor allem deutlich günstiger sind, füllt sich der Einkaufswagen. Wo man schon mal dabei ist, gesellen sich auch noch ein paar T-Shirts und eine Jeans dazu, später werden es noch einige Klamotten mehr werden, aber für heute sind wir schon wieder platt. Der Jetlag macht sich bemerkbar und wir trödeln gemütlich wieder gen Süden.
Mein Mann bringt danach tatsächlich noch genügend Energie für eine kleine Fototour auf.
In unmittelbarer Nachbarschaft unserer Unterkunft befinden sich zahlreiche Luxushotels, darunter das durch den James Bond-Film Goldfinger vor 54 Jahren behanntgewordene Fontainebleau, das erst kürzlich für eine Milliarde Dollar saniert und ausgebaut wurde. Reges Treiben um diese Anlage zwischen Taxis, Chauffeurs-Limousinen, exklusiven Sportwagen und Yachten verleiht der Stadt hier ein besonderes Flair.
Während der Mann unterwegs ist, gebe ich dem Balkon noch eine Chance. Allerdings vergebens, der Atlantik-Föhn ist immer noch so dermaßen an, daß man sich hier mit einer Flasche Haarspray ausgerüstet ohne Probleme bombastische Miami Vice-taugliche 80er Jahre-Frisuren basteln könnte.
Das Ergebnis der frühen Siesta ist dann natürlich, daß wir mitten in der Nacht aufwachen und jetzt hellwach und hungrig sind. Die Lösung heißt der Einfachheit halber wieder Walmart, wie die meisten Walmart-Supercenter hat auch dieser einen McDonalds, der bis 00 Uhr geöffnet hat. Also wieder die Collins Avenue hinauf. Diesmal bei Nacht, entlang des Indian River, genau dort, wo sich Tubbs und Crockett in der Miami Vice-Pilotfolge ihre legendäre Verfolgungsjagd mit Boot und Auto lieferten.
Von den unzähligen Apartmenthäusern sind die meisten fast vollständig dunkel, nur hier und da ein erleuchtetes Fenster. Ob sich diese Art von Immobiliengeschäft wirklich lohnt? Wer kauft diese ganzen Wohnungen? Ich finde die Vorstellung, in einem dieser Wolkenkratzer irgendwo im 27. Stock ganz allein zu sein, ziemlich gruselig. Oder, noch schlimmer, womöglich dort eine Pizza hinliefern zu müssen…
Man mag Miami Beach für eine betonierte Plastikwelt halten, aber ein bißchen haben sie sich ihren Bezug zur Natur dennoch bewahrt. Entlang der Straße immer wieder Warnschilder: Alkohol, offenes Feuer und Party am Strand sind verboten, es ist Turtle Nesting Season. Daran könnte sich so manches Land, das sich seines Naturschutzes rühmt, ein Beispiel nehmen, mir fiele da direkt eines ein…
Bei McDonalds kommen wir gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluß an. Die Verständigung ist schwierig, das Englisch der Bedienung ist noch schlechter als meines und verstehen kann ich sie fast gar nicht. Während ich bestelle, versucht hinter mir ein junger Mann sich durch das bereits geschlossene Absperrgitter zu quetschen und wird von der Frau, die gerade meine Bestellung durcheinander bringt, lachend mit etwas, das wie ein genuscheltes „sorti la“ klingt, hinausgeworfen. Man kennt sich offensichtlich, zwischen Gitter und Tresen unterhält man sich über die Distanz halblaut auf Kreol. Vertraute Klänge, die man in Miami vielleicht nicht unbedingt erwartet. Namensschildchen mit dem Verweis auf das Herkunftsland Haiti habe ich bislang noch nicht gesehen, aber der großen Population an Haitianern wird an vielen Orten Rechnung getragen, indem Schilder neben Englisch und Spanisch auch auf Haiti-Kreyol abgefaßt sind. Obwohl ich es versuche, kann ich dem Gespräch nicht folgen, ich glaube, Haitianisches Kreyol ist vom Französischen noch sehr viel weiter entfernt als die Kreolsprachen des Indischen Ozeans.
Eine schlaflose Nacht in Miami Beach kann man sehr gut am Ocean Drive verbringen. Die Art Déco-Häuser sind bei Tag schon eine Augenweide, nachts verleihen die grellbunte Beleuchtung und die Neonröhren-Illuminationen nochmal eine ganz andere Atmosphäre.
Auf dem Drive permanent im Schritttempo herumcruisende Spaßmobile in bonbonfarbenen Lackierungen, das Ganze untermalt von kubanischer Musik, die aus den Clubs dringt, das könnte einem das Gefühl vermitteln, man befände sich mitten in einem Werbespot für irgendein Wohlfühlprodukt, wären da nicht die grellen Scheinwerfer, die die Rasenflächen bis zum Strand hin beleuchten, und die allgegenwärtige Polizeipräsenz in den Schattenarealen dazwischen. Aber es hat was, jetzt hier so herumzuspazieren, und wir bleiben bis morgens um drei.
Die Art Déco-Architektur ist wirklich sehenswert, aber am Folgetag entdecken wir per Zufall etwas, das uns mindestens genauso gefällt. Dazu ist allerdings erforderlich, daß ich auf die Unternehmung verzichte, auf die ich mich in Miami eigentlich am meisten gefreut hatte, nämlich zum Jai Alai zu gehen.
Eigentlich gehört es nicht in diesen Reisebericht, da wir diesmal nicht wieder dort waren, und ich erwähne es nur, um quasi ein bißchen Werbung zu machen. Gemessen an der Medienpräsenz, die Jai Alai noch bis in die frühen 90er Jahre in Florida gehabt hat, ist es inzwischen fast zur Bedeutungslosigkeit verschwunden. Dabei ist es spannend, rasant und der Fronton in Miami ein historisches Gebäude, eines der ältesten der Stadt, und schon deshalb sehenswert in dieser schnelllebigen Umgebung. Auch wenn man nicht wetten möchte und die Spielregeln einen nicht interessieren, hat es ganz viel Atmosphäre, in der großen Zuschauerhalle zwischen den Locals zu sitzen. Es gibt ein kleines Museum und Eintritt kostet es auch nicht. Zur Illustration hier mal zwei Fotos von der letzten Reise:
Da wir morgen aber schon abreisen, müssen wir irgendwo Abstriche machen. Der Vorabend im haitianischen McDonald’s hat uns daran erinnert, daß wir der kulturellen Vielfalt von Miami, der diese Stadt sich rühmt, bislang eigentlich noch kaum Beachtung geschenkt haben. Also verzichte ich ein bißchen bedauernd auf eine Wiederholung des Besuchs beim Jai Alai und wir beschließen, uns mal die Wynwood Walls anzuschauen.