Gators, Goethe and the Grove - Florida im April 2022

ToMiami

FLI-Member
Registriert
22 Mai 2022
Beiträge
148
Der Southwest Martin Highway ist wirklich eine beeindruckende Strecke, bin ich bisher noch nie gefahren - habe ich aber notiert.

Wir sind mal die 98 bis zum Lake Okeechobee gefahren und dann weiter nach Lake Placid und Sebring.
Eure Streckenführung gefällt mir aber deutlich besser (y)
Ich fahre da immer lang, wenn ich zum Plant Bamboo fahre. Dort kann man gut mit Einheimischen Zeit verbringen und ne Menge Spaß haben. Bald ist dort Okeetober Fest, das wird ne Sause, ich freue mich jetzt schon riesig.
 

Ron242

FLI-Silver-Member
Registriert
18 Feb. 2011
Beiträge
2.081
Ort
Berlin
Wie habt Ihr das für Euch gelöst?
Ja, eine Verbindung zum Internet brauchst du natürlich. Ich hatte mir dieses Jahr (erstmalig;)) eine eSIM von Airalo für den Urlaub zugelegt. 3 GB für 8,- Dollar. Das war noch überschaubar. Hab ich für dieses Jahr im Oktober auch. Eigentlich war ich auch mal eher so drauf, Internet fürs Handy brauchst du im Urlaub nicht. Hab es eigentlich auch sogar genossen mal nicht immer erreichbar zu sein. Ansonsten gibt’s ja Internet quasi überall. In dem Fall war es dann aber doch ganz praktisch.:)
 

Texelrita

FLI-Platinum-Member
Registriert
11 Juli 2008
Beiträge
5.953
Ort
Leverkusen
Der Witz ist, ich habe noch so einen richtig alten Vertrag durch die Company inkl. USA und Canada, der mich jahrelang überall durchgebracht hat, aber diesmal eher nicht,. Aber bei dieser Reise war es sowohl in Oahu (Google Maps oder auch eben die Parking App) wollten nicht so recht. Wir haben uns täglich im Appartement die maps offline geladen als Siicherheit. Aber ich dache es liegt ggf. an Oahu, aber es war in Seattle nicht besser.

Jetzt geht das Handy zur Prüfiung, ggf. ist das ja Fritte aber ich denke, daran liegt es nicht…..doof einfach! Richtig nervig ist halt, wenn man bezahlen muss und so gesehen nicht kann :rolleyes:….
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
681
Ort
Berlin
Ich fahre da immer lang, wenn ich zum Plant Bamboo fahre. Dort kann man gut mit Einheimischen Zeit verbringen und ne Menge Spaß haben. Bald ist dort Okeetober Fest, das wird ne Sause, ich freue mich jetzt schon riesig.
Das klingt auch interessant. Ich glaub zwar nicht, daß wir jemals im Oktober nach Florida fahren werden, aber auf jeden Fall kann man sich das mal merken.
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
681
Ort
Berlin
Wunderschön, Eure Scenic Road 😍
Ich liebe solche Strassen. Dieses Foto ist an der Ausfahrt vom Myakka River State Park entstanden. Ich weiss nicht, ob das auch Live Oaks sind aber das Spanish Moss ist beeindruckend dort.
Ja, das sind auch Live Oaks. Tolles Foto, in Myakka waren wir noch nie, hatten wir auch immer mal angedacht, wegen der vielen Alligatoren.
Die Zufahrt zur Paynes Prairie sieht auch so aus. Bei dem Highway jetzt war das Tolle, daß es halt ewig lang so weiter ging. Man fuhr und fuhr und dachte, nun kanns aber keine Steigerung mehr geben, und paar Meilen später wurde es noch schöner.
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
681
Ort
Berlin
Clewiston, am südlichen Rand des Lake Okeechobee, trägt den Spitznamen „sweetest town of Florida“. Hier hat U.S. Sugar, der größte Rohrzuckererzeuger der gesamten USA, seinen Firmensitz, und hier befindet sich auch die Sugar Junction, das Drehkreuz des zur Firma gehörenden Schienennetzes, dem South Central Florida Express, einem Kurzstreckennetzwerk, auf dem das Zuckerrohr zwischen Clewiston und Sebring im Westen und der Atlantikküste im Osten transportiert wird.


Anfang des letzten Jahrhunderts fuhren hier natürlich noch Dampfloks, von denen manche, bevor U.S. Sugar sie kaufte, sogar schon einige Jahre auf Flaglers Overseas Highway auf dem Kessel hatten, wobei sie sicher auf dem Weg nach Key West auch durch das alte Coconut Grove gekommen sein dürften.

Anfang der 60er Jahre wurden die Dampfloks durch moderne Dieselloks ersetzt. In Trainspotterkreisen erlosch das Interesse am Schicksal der alten Loks nie, man wußte ziemlich genau, wo sie gelandet waren, manche in Museen, manche in Privathand oder als „scenic rides“ in anderen Bundesstaaten. Und irgendwann erinnerte sich auch U.S. Sugar der alten Züge und des Potentials, das darin steckt.

2016 kauften sie eine der Loks zurück, Engine No. 148, das Homecoming der alten Lok wurde in der lokalen Presse groß gefeiert. “We intend to restore Engine No. 148 to its former glory’’ kündigte U.S. Sugar an und beschäftigte einen ganze Stab von Mechanikern mit der Aufgabe. 2020 war es dann soweit. Der Zug eröffnete die Zuckerrohrkampagne mit der ersten und beendete sie mit der letzten Fahrt, jeweils unter großer Anteilnahme der lokalen Bevölkerung, im Netz häuften sich die Aufnahmen von Steam Chasers, die der Lok so weit wie möglich folgten.


Ich war sofort angefixt, nicht nur, weil ich selbst Dampfloks mag, sondern vor allem wegen des Ehemannes, Eisenbahnfan und Modelleisenbahner der Epoche 2. Das war die Gelegenheit, die Fahrt über den Martin Grade Scenic Highway so planen, daß wir dem Zug begegnen würden, perfekt für das Video und perfekt als Überraschung für den Mann.

Mit tropischen Erntezeiten nicht so wirklich vertraut, mußte ich dann leider lernen, daß Zuckerrohr in Florida von Oktober bis Mai geerntet wird und somit weder die Eröffnungs- noch die Schlußfahrt in unserem Aufenthalt liegen würden. Die Enttäuschung währte jedoch nur kurz, denn es gab noch viel aufregendere Pläne. Ab 2022, so hieß es, würde Engine No. 148 Passagierfahrten anbieten, scenic rides ab Clewiston, Termine würden über den Newsletter bekannt gegeben. Ich setzte mich sofort auf die Empfängerliste. Und wartete. Und wartete. Und wartete…



Zwischendurch gab es Updates, historische Passagierwagen aus den 20er bis 50er Jahren seien angeschafft worden. Aber konkrete Termine, wann die angekündigten „Steam Days“ denn nun stattfinden würden – keine. Flexibel, wie wir dank unserer weitgehend offen gestalteten Florida-Reisepläne ja waren, hätten wir unseren Aufenthalt jederzeit um einen solchen Termin herumstricken können, mit Übernachtung in Clewiston oder ohne, aber es kam nichts.

Erst Ende März, zum Zeitpunkt unserer Abreise, kam dann ein Newsletter mit Ankündigung der ersten Veranstaltung am nächsten Wochenende, und wie man in den enttäuschten Kommentaren auf der Seite lesen konnte, waren die Tickets innerhalb von Minuten vollständig von der lokalen Bevölkerung aufgekauft worden.

Nach etwas verärgertem Nachdenken kam mir der Gedanke, daß möglicherweise genau das der Sinn dahinter ist. Man will das Interesse der breiten Masse wach halten, aber vielleicht zunächst den Ortsansässigen die Gelegenheit geben, sich ihre Plätze zu sichern, bevor die Information in die Fläche gegeben wird, also zögert man den Versand des Newsletters einfach hinaus.

Daß ich Ende April einen weiteren Newsletter zu einer mehrtägigen Veranstaltung, die bereits Tage zuvor begonnen hatte, bekam, läßt mich vermuten, daß ich vielleicht nicht ganz falsch liege.



Zu diesem Zeitpunkt waren wir zwar ohnehin bereits in Nordflorida und wären ganz sicher nicht mehr die weite Strecke bis hierher herunter gefahren, aber es ärgerte mich aus Prinzip.

Nun besteht Hoffnung, daß die Lage sich zukünftig entspannen wird. U.S. Sugar hat eine weitere historische Lok gekauft, Engine No. 1504. Der Zug ist, nachdem er jahrelang in Jacksonville im Freien gestanden hat, wohl in schlechtem Zustand und es wird ein Weilchen dauern, bis er einsatzbereit ist, aber dann, wenn irgendwann zwei oder mehr historische Züge den Lake Okeechobee umrunden, werden wir auch mal an Bord sein.
Ohnehin hätte ich nichts dagegen, die Strecke in den kommenden Jahren nochmals abzufahren, denn es ist zu erwarten, daß sich gerade nördlich vom Lake Okeechobee in Zukunft einiges verändern wird.

Wer sich tiefergehend für die Loks interessiert, beide haben Wikipedia-Artikel, in denen man alle technischen Daten findet.

Wir biegen also rechts ab, gen Norden nach Okeechobee. Und es macht Sinn, jetzt schon mal zu üben, wie man sich hier korrekt ausdrückt:

 

Fritz & Buddy

FLI-Silver-Member
Registriert
3 Dez. 2006
Beiträge
1.206
Ort
NRW
In Palm City fahren wir ab und dann nach links Richtung Lake Okeechobee. Hier zieht sich der Southwest Martin Highway aka The Martin Grade Scenic Highway schnurgerade durch das County bis zum See. Diese Ruhe, dieser Frieden nach dem Turnpike! Kaum ein anderes Auto ist hier unterwegs.
Da habe ich, ohne es zu wissen, eine schöne Strecke eingeplant für den Oktober.... jetzt freu ich mich umso mehr :)
 

Pemimae

FLI-Gold-Member
Registriert
13 März 2013
Beiträge
2.998
Ich bin begeistert von deinem Reisebericht, soviel Information abseits vom Mainstream, Danke dafür. In Coconut Grove hatten wir bei unserem 1. Florida-Urlaub in 1989 einen etwas unfreiwilligen Aufenthalt, weil wir auf dem Rückflug gestrandet waren und dort in einem Hotel untergebracht waren. Da hatten wir allerdings nicht unbedingt die Muse, uns dort in Ruhe umzusehen. Den Martin Grade Scenic Highway habe ich mir für unseren übernächsten Florida Aufenthalt notiert. Da werden wir voraussichtlich wieder in Miami landen und könnten dann diesen Weg an die Westküste wählen. Sieht wirklich schön aus.
3 Monate durch die Welt reisen war immer mein Traum. Ab Ende 2023 hätten wir beide auch die Möglichkeit, allerdings haben wir inzwischen 2 Katzen, die wir nicht so lange alleine lassen wollen. :dizzy:

Der Kater wurde übrigens grade beim Yeehaw-Video unsanft aus seinem Tiefschlaf geweckt.
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
681
Ort
Berlin
3 Monate durch die Welt reisen war immer mein Traum. Ab Ende 2023 hätten wir beide auch die Möglichkeit, allerdings haben wir inzwischen 2 Katzen, die wir nicht so lange alleine lassen wollen. :dizzy:

Der Kater wurde übrigens grade beim Yeehaw-Video unsanft aus seinem Tiefschlaf geweckt.
Ja, da hätte ich wohl vorwarnen sollen, ich hab aber nicht bedacht, daß eventuell Tiere zuhören. ;)

Also ich bin ja kein Katzenmensch und kenn mich von daher nicht aus, aber es heißt doch immer, Katzen seien eher fixiert auf ihr Revier als auf die Menschen, vielleicht fändet ihr ja jemanden, der sie täglich bei Euch zuhause betreuen kommt?
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
681
Ort
Berlin
Wir biegen an der T-Kreuzung also nach rechts ab, durchqueren Downtown Okeechobee, worüber es wirklich nichts Besonderes zu berichten gibt, und folgen dem Highway 441.

Das Land ist weit, viele Rinderweiden, auch Pferde, und immer dieser Stacheldraht, ich frage mich, wie das nur gutgeht mit den Pferden, aber tut es ja anscheinend. In Deutschland hielte kein vernünftiger Mensch mehr seine Pferde so.

Wir wären wahrscheinlich bald wieder auf dem Turnpike, würde es nicht auf einmal am Horizont blau und rot flimmern. Ein Polizeiwagen mitten auf dem Highway, Umleitung nach links. Wir biegen in die nach Westen führende Landstraße ein, fahren bis zur nächsten Einmündung in eine Farm und kramen die Landkarten heraus. Es sieht nicht allzu schwierig aus, weiter westlich führt im spitzen Winkel eine weitere Landstraße wieder zurück nach Osten auf die 441, die Straßen bilden quasi ein Dreieck. Wir fahren los, außer uns noch ein weiteres Auto mit einem Kennzeichen aus Delaware, also ebenfalls Ortsfremde, die anscheinend auch ihren Weg zurück suchen.

Als wir dann am Ende der nach Osten führenden Landstraße wieder an der 441 stehen, sind wir leider immer noch südlich des Unfalles, aber von hier aus kann man ihn schon sehen. Ein Lkw hat einen Pkw im Straßengraben unter sich begraben, die Fahrerkabine liegt auf dem Dach des Pkw, es sieht gruselig aus. Das Frühjahr soll hier sehr regnerisch gewesen sein, die Gräben sind voller Wasser, hoffentlich hat man die Leute bergen können.

Also wenden wir wieder, jetzt müssen wir uns neu orientieren. Nirgendwo ein Sheriff, keine Umleitungswegweiser, der Unfall ist ja wohl auch gerade erst passiert. Die Leute aus Delaware halten neben uns in einer Einfahrt, der Fahrer, ein älterer Herr kommt zu uns herüber. Ob wir wüßten, wie es jetzt hier weitergeht. Wir gucken gerade, sagen wir, wir haben aber nur oldschool Landkarten. Da lacht er selbstironisch, er hätte zwar newschool electronic devices, aber damit könne er nicht umgehen, die Karte mache was sie wolle, aber nicht was er will.

Wir gucken also gemeinsam auf unsere Karten und stellen fest, daß wir jetzt bis zu einem Ort namens Basinger müssen, von dem aus man wieder nach Norden und später zurück nach Osten fahren kann. Basinger kommt mir bekannt vor, aber ich denke, es ist wohl die Assoziation mit Kim, der Schauspielerin.

Kurz vor Basinger steht dann auch ein Polizeiwagen und winkt die Fahrzeuge in die richtige Richtung, und die führt nun wirklich tief ins – ja, was ist das eigentlich hier? Sugarland liegt hinter uns, Lakeland vor uns, wir sind irgendwo dazwischen, in einer Gegend, in der die wenigen Farmen verstreut zwischen endlosen Weiden liegen. Ab und zu ein prächtiges Farmhaus, das zeigt, daß vereinzelt doch noch einer ein gutes Auskommen mit der Landwirtschaft findet. Auf den meisten Grundstücken nur heruntergekommene Gebäude, die aussehen wie Unterkünfte für Landarbeiter, manche schon Ruinen, gelegentlich ein einzelnes Auto davor. Den Schicksalsgenossen aus Delaware haben wir schnell verloren, der hat es eilig und heizt mit einem Tempo dahin, daß unser silbernes Fünkchen da nicht mithalten kann. Jetzt sind wir ganz allein auf weiter Flur, weder vor noch hinter uns ein anderes Auto. :eek:

Gedanken an Wrong Turn kommen auf, dazu passend dunkle Wolken, die sich über uns zusammenbrauen. Hier möchte man nachts keine Reifenpanne haben. Trotzdem finde ich es interessant und mag es auch, es ist eben auch Florida, die arme Seite, die schmuddelige, sie ist authentisch und sie hat Geschichte. Wo wir hier so lange geradeaus zwischen Rinderweiden fahren, fällt mir nämlich wieder ein, woher mir die Kleinstadt Basinger bekannt vorkommt. Auf genau diesen Landstraßen hier, die sich ziemlich gerade von Bradenton bis Fort Pierce ziehen, verlief die Strecke, auf der früher die Rinderherden zum Atlantik oder an den Golf getrieben wurden, um dort verschifft zu werden, der Florida Cracker Trail. Und Basinger markiert dabei ungefähr die Hälfte, wir sind also mittendrin.

Der Trail existiert natürlich in seiner ursprünglichen Form nicht mehr, wird aber jedes Jahr im Frühjahr als historische Großveranstaltung durchgeführt, die die Erinnerung an das Erbe der landwirtschaftlichen Bevölkerung Zentralfloridas, der Cracker, wach halten soll. Der Trail ist immer recht gut besucht, sowohl was die teilnehmenden Reiter, als auch die Zuschauer betrifft. Seit der Pandemie ist die Teilnehmerzahl nochmals erstaunlich gestiegen, wahrscheinlich stillt das eine Sehnsucht nach dem Freiheitsgefühl, das man bekommt, wenn man das Leben der Cracker nachstellt, durch die Weiten von Zentralflorida reitet und dabei die Peitsche knallen läßt.

Woher der Begriff Cracker für die floridianische Landbevölkerung stammt, darüber sind sich die Historiker ja uneins, die meisten tendieren zu der Annahme, es käme eben von jenem „crackling“ Geräusch, das die knallenden Peitschen verursachen. Den Pferden, die daran gewöhnt sind, macht das übrigens nichts aus, die sind quasi schußfest.

So einen Langstreckenritt durch das Land finde ich toll, und würde ich in Florida leben, wäre ich da wohl sehr gern dabei. Die Videos von den Ritten schaue ich daher auch jedes Jahr; teilweise finde ich das Reenactment mit der vielen in die Luft-Ballerei übertrieben, aber im Prinzip mag ich den Gedanken hinter der Veranstaltung sehr. Da ich auf Westernaussrüstung auch eher verzichten, nicht vorgeben würde, die Nachkommin eines Cracker darstellen zu wollen und mich neutral kleiden würde, wäre ich vielleicht sogar vor dem Vorwurf der kulturellen Aneignung sicher. (y)

In diesem Jahr ist das Video vom Ritt geradezu künstlerisch geworden und vielleicht transportiert es ein bißchen, daß auch diese vermeintlich öde Landschaft ihre reizvollen Seiten hat:


Als wir dann wieder an der 441 ankommen, sind wir endlich nördlich des Unfalls und können weiter nach Norden fahren. Der Abstecher ins zentralfloridianische Hinterland findet an der nächsten Auffahrt auf den Turnpike sein Ende, und die ist in Yeehaw Junction. Wer geübt hat, kann es ja jetzt korrekt aussprechen. ;)


Yeehaw Junction ist für uns Touristen nur eine Auffahrt auf den Turnpike. Für Floridianer ist es quasi ihr Kamener Kreuz, die bekannteste Kreuzung des Landes, und das schon seit weit über 100 Jahren. Jeder ältere Floridianer verbindet damit nostalgische Kindheitserinnerungen an das Gasthaus, dessen Besuch auf der Durchreise gen Süden den Beginn oder das Ende des Urlaubs markierte. In dem Glauben, das legendär gute Essen des Desert Inn auch irgendwann noch probieren zu können, entwarf ich nach dem letzten Florida-Besuch 2018 die heutige Tour. Nicht ahnend, daß es dazu nicht mehr kommen würde.

2019 wurde das genau in einem der spitzen Winkel der Kreuzung liegende historische Gebäude des Desert Inn vollständig zerstört, als ein Lkw beim Abbiegen seitlich in das Gebäude fuhr. Als wir uns der Kreuzung nähern, kann man die Ruine schon aus einiger Entfernung erkennen. Näher heranzufahren trauen wir uns nicht, laut der Beschilderung an den Baustellenzäunen soll es sogar verboten sein, die baufälligen Überreste zu fotografieren. Ganz sicher wollen wir uns hier keinen Ärger einhandeln, ein Foto möchte ich aber schon, es wird vielleicht die letzte Gelegenheit sein. Also halten wir kurz auf einer Brachfläche auf der gegenüberliegenden Seite an, auf der gerade ein paar Straßenarbeiter Pause machen und gleichfalls hinüberschauen. Wahrscheinlich haben sie auch so ihre Erinnerungen an den Ort. Das Internet ist voller melancholischer Nachrufe auf das Desert Inn und die Kreuzung, die im späten 19. Jahrhundert, als die Gegend noch dünner besiedelt war als heute, vermutlich wirklich so etwas wie die Oase in der Wüste darstellte.



Unter den dunklen Regenwolken sieht es irgendwie postapokalyptisch aus, das Gebäude mit der aufgerissenen Seite, die Bauzäune. Was aus dem Desert Inn werden wird, ist unklar. Klar ist nur, daß das Land um Yeehaw Junction kürzlich an einen Großinvestor verkauft wurde und geplant ist, hier eine Trabantenstadt mit der Zielgruppe Snowbirds nach dem Vorbild von „The Villages“ zu errichten.

Nun, wer wäre man, als durchreisender Tourist, der bald wieder in sein sicheres soziales Netz im Heimatland zurückkehrt, den Bewohnern dieser strukturschwachen Gegend die Entwicklung zu gönnen, die vielen Arbeitsplätze, die ihnen dies bringen wird. Aber dennoch, die Sumpfgebiete nördlich von hier bis Lakeland, die Agrarlandschaft, die verlorengehen, der massive Bevölkerungszuwachs mit dem Florida weiterhin rechnet und der hier größer ist als in fast allen anderen Bundesstaaten. Es ist schwierig, hierzu etwas anderes als eine ambivalente Meinung zu haben.

Ziemlich sicher wird, was von dem historischen Yeehaw Junction noch übrig ist, in den nächsten Jahren verschwinden. Wir werfen einen letzten Blick zurück, dann geht es wieder in die Gegenwart, der nächste Rastplatz auf dem Turnpike ist unserer und es schlägt der Gong zur nächsten Runde Suse vs. Burgerlady.

Vor mir eine endlose Schlange Soldaten, die die Bestellsäulen belagern, von daher gehe ich an den Tresen und sehe gerade noch rechtzeitig, daß hier nur Barzahlung ist und checke schnell mal die Geldbörse. Eine nette ältere Dame steht da, die gut verständliches Englisch spricht. Ich bestelle also meine medium Sodas ohne Eis, die auch hier aus der Fountain kommen, dazu meine Whopper, only the sandwiches. Es scheint alles zu klappen, aber mein Weltbild gerät erneut ins Wanken, als sie mich freundlich fragt, ob ich meine Whopper mit Käse möchte. Vor meinem geistigen Auge blitzen pinke Gelnägel und buschige Kunstwimpern auf. Ich dachte Whopper gibt es nicht mit Käse, sage ich dümmlich. Die Frau ist ungefähr so alt wie ich, schaut mich aber irgendwie mütterlich-mitfühlend an, als wenn sie ahnen würde, daß mich traumatische Erfahrungen plagen, und sagt sanft: Ja, eigentlich sind Whopper ohne Käse, aber wir können welchen drauftun, wenn sie möchten.

Unfaßbar. Ich habe Whopper mit Käse und trabe stolz wie Oskar nach draußen zum Auto. Nach dem Essen geht es zügig weiter, das Wetter sieht überhaupt nicht gut aus. Nicht nur das drohende Gewitter macht uns Sorgen, auch der Gedanke an unsere Unterkunft.

Wir haben uns ein Days Inn auf dem Orange Blossom Trail ausgesucht. Günstig ist es, aber die Bewertungen sind unterirdisch, was wir leider zu spät bemerkt haben, richtig schlimm sind die. Was tun wir nun, lassen wir es drauf ankommen oder suchen wir etwas anderes? Wir entscheiden, es erstmal anzugucken, und fahren los. Der Starkregen erwischt uns kurz vor der Abfahrt, aber der Ehemann steuert den Wagen unverdrossen. An jeder Brücke bekommt der Spark eine Wasserfalldusche. Es ist so schnell vorbei, wie es gekommen ist, und als wir auf den Parkplatz des Motels einbiegen, fällt uns auf, daß die Hausnummer des im Internet so schlecht bewerteten Days Inn um ungefähr viertausend von unserem abweicht. :ROFLMAO: Später stellen wir fest, daß es zwei gibt, eines im nördlicheren Abschnitt des Orange Blossom Trail, eines weiter südlich. Wenn man den Bewertungen glauben darf, ist das nördlichere besser zu meiden. ;)

Unseres heißt mit vollständiger Bezeichnung Days Inn Orlando Airport Florida Mall und sieht nicht nur von außen ok aus, es ist auch innen gepflegt. Wir bekommen wunschgemäß ein Zimmer im Erdgeschoß, mit zunehmendem Alter bei schwerem Gepäck wird das langsam wichtig.



Das Zimmer ist schön, mit großem Bad. Der Pool gleich nebenan, und wenn man mal von der etwas zerrissenen Bestuhlung absieht, ist alles sehr gepflegt. Auf der Anlage befindet sich eine Hochzeitsagentur, die Stretchlimousinen parken vor der Tür. Da wir ja ein Erdgeschoßzimmer haben, bekommen wir ab und zu etwas von größeren Menschengruppen mit, die durch die Anlage laufen, dann ist es kurzfristig etwas laut, aber kein wirkliches Problem.



Das Internet ist schnell, jedes Zimmer hat seinen eigenen Router. Frühstücken könnte man in einem kolumbianischen Café auf dem Gelände, aber das tun wir gar nicht. In der Nähe gibt es alle Einkaufsmöglichkeiten, vom Walmart bis zum größten Dollar Tree, den wir je gesehen haben, außerdem einen McDonalds genau gegenüber. Aber das allerbeste ist, einmal links abgebogen und dann nur eine Viertelstunde gerade aus und man ist im Gatorland!
 

Mike_FB

FLI-Silver-Member
Registriert
4 März 2020
Beiträge
1.884
Ort
Wetterau
Schau Dir mal meine Bewertung dieses Days Inn in meinem Reisebericht an. Ich fand es unterirdisch schlecht.
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Ich fand es unterirdisch schlecht.
Du scheinst das Motel, wie wir zunächst auch, verwechselt zu haben.

In Deinem Reisebericht heißt es: "Nachdem wir uns reichlich ausgetauscht haben bin ich erst mal in mein Hotel dem Days Inn in der McCoy Rd. gefahren. Das Hotel ist das ehemalige Travellodge in dem ich das letzte mal 2017 war. Zum damaligen Zeitpunkt war es schon eine Bruchbude und ich wollte mir beim nächsten Besuch eigentlich ein anderes Hotel, wahrscheinlich das Best Western oder das Sleep Inn gegenüber buchen."

Ich hoffe, hier die richtige Passage in Deinem Bericht identifiziert zu haben.

Tatsächlich war unsere Niederlassung wider Erwarten supersauber, frisch renoviert und hatte das größte Bad, das ich jemals in einem Motel auf dem amerikanischen Kontinent gesehen habe. Das war fast so groß wie der geräumige Living Room. Die Anlage war nur sehr gering gebucht, preiswert und überwiegend ruhig. Von uns gibt es eine klare Empfehlung!
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Der Grund für einen Aufenthalt in Orlando ist bei jedem Florida-Trip für mich derselbe und heißt:

Gatorland!

Was für viele Touristen meist nur als (teilweise belächelte) "best half-day attraction in Orlando" betrachtet wird, ist für viele Naturfotografen ein wahres Eldorado mit möglicherweise weltweit einzigartigen Gelegenheiten zur Tierportraitfotografie. So kommen sie dann jedes Frühjahr in Scharen aus ganz Nordamerika, Fernost und aller Welt und das dort gleichzeitig versammelte Camera-Equipment hat schon mal den Gegenwert eines durchschnittlichen amerikanischen Eigenheims. Die diversen Alligator-Shows auf dem historischen Gelände am Orange Blossom Trail finden dabei kaum Beachtung, die naturnah gestalteten Anlagen und unberührten Sümpfe des Tierparks jedoch umso mehr. Hier bietet sich die seltene Gelegenheit, freiwillig eingeflogene und an menschliche Gegenwart gewöhnte Wildvögel aus nächster Nähe beim Nisten und bei der Nahrungssuche abzulichten.

Wer so wie ich selbst hier gerne mehr als einen Tag verbringen möchte, sollte sich sogleich eine Jahreskarte zulegen. Die ist, wie in den USA meist üblich, bereits günstiger als zwei Tageseintritte! Ob die Gruppe japanischer Fotografinnen das auch gewußt hat?









Silberreiher pflegen das Nest und füttern ihre Küken:









 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Neben den Wasservögeln sind natürlich auch die Alligatoren selbst ein dankbares Motiv.

Letztere dienen immer wieder als Wassertaxi für Erstgenannte und im stimmungsvollen Licht des Nachmittags entstehen oft die besten Bilder. Hier ist man gleichzeitig in der Natur wie auch in unmittelbarer Reichweite von Restrooms und Food-Supply. Eine gute Kombination, die das alles sehr angenehm und effizient machen kann. So manches preisgekrönte Foto ist hier entstanden, denn am Ende kann niemand mit Sicherheit sagen, ob es nun in den Everglades oder "nur" in einem Zoo gemacht wurde... ;)











 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Die verschiedenen Reiher-Spezies Floridas kann man natürlich überall im Land antreffen, aber selten kommt man ihnen so nah wie hier:









Dieser Kollege war wohl etwas unvorsichtig. Mit entsprechenden Folgen... Das hat ihn jedoch nicht davon abgehalten, das Wassertaxi erneut zu benutzen:

 

Ron242

FLI-Silver-Member
Registriert
18 Feb. 2011
Beiträge
2.081
Ort
Berlin
Da sind Dir aber ein paar echt wunderschöne Fotos gelungen. Super!👍🏻
 
Oben