Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien im Sommer 2022

Suse65

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Der Empfang in Los Angeles ist nicht freundlich, aber das kennen wir schon.

Auch diesmal liegt unser Motel wieder unterhalb der Minimum Fare und das Lächeln des Taxifahrers verschwindet schlagartig, als er unsere Zieladresse hört. Immerhin nimmt er uns überhaupt mit, wir sind aus dem gleichen Grund vor ein paar Jahren schon mal vorm Flughafen stehengelassen worden. Seit die Supervisor am „LAXit“ aber direkt die Taxen zuweisen, traut sich das wohl niemand mehr. Während der kurzen Fahrt murmelt er sich auf Spanisch in den Bart und ich kann soweit verstehen, daß er irgendwas Politisches vor sich hin philosophiert, in dem wir vermutlich eine Hauptrolle spielen. Ob wir mit unserer ärgerlichen Kurzstrecke die Capitalistas oder die Comunistas sind, vermag ich aber nicht einzuschätzen.

Im Motel selbst fühlen wir uns schnell heimisch. Die geschlossene Anlage liegt direkt am Pacific Coast Highway und ist ziemlich gemütlich.
Die Zimmer befinden in grau gestrichenen Reihenhäusern, die sich um einen den Pool gruppieren, er wirkt fast wie ein Dorfteich. Begrenzt wird die Ein und Ausfahrt durch eine Mauer mit Torbogen, man fühlt sich ein bißchen wie in einem walisischen Bergdorf oder so ähnlich, wären da nicht die Reihen kerzengerader Mexikanischer Fächerpalmen, die einen daran erinnern, wo man ist.



An der Rezeption sitzt ein älterer Koreaner, der uns augenzwinkernd erzählt, die in der Lobby in einem Kühlregal angebotenen Snacks seien nicht so toll, besser sei der Supermarkt an der Circle K-Tankstelle gleich nebenan oder auf der anderen Straßenseite der Chick-fil-A. Darauf werden wir noch zurückgreifen müssen, denn wir haben immerhin zwei Nächte hier, die wir uns angesichts der Einreisebestimmungen unseres nächsten Reiseziels auch komplett hier einigeln werden.

Zum Zeitpunkt unserer Einreise besteht noch die Verpflichtung zum Covid-Test innerhalb von 24 Stunden vor Abflug, so daß ich schon von Deutschland aus das Vergnügen hatte, uns in der Teststation im Tom Brady Terminal Termine für übermorgen zu buchen. Und um das Ergebnis nicht zu gefährden, fällt natürlich alles, was engen Kontakt mit anderen Menschen in geschlossenen Räumen bedeutet, komplett aus, also auch ursprünglich geplante Stadtrundfahrten oder andere Besichtigungstouren.

Richtig schlimm ist das nicht, auch wenn der Pacific Coast Highway selbst auf dem kurzen Weg zwischen Motel und Hühnerladen schon zum Träumen von Roadtrips entlang der Westküste und Songs von den Beach Boys am Muscle Beach einlädt. Aber Erlebnisse rund ums Surfen wird es auf dieser Reise noch geben, und die wollen wir jetzt nicht gefährden.



Kleine Überraschung am Straßenrand: Seychelles Parking only. Vielleicht fühlen wir Seychellenfreunde uns deshalb hier so wohl? Der Parkplatz gehört aber nicht etwa einem Seychellois, sondern einfach zu einem Schuhgeschäft dieses Namens.



Das Zimmer ist super, das Bett herrlich bequem und im Fernsehen laufen in Dauerschleife irgendwelche Sendungen, die Clips aus Überwachungskameras an Hauseingängen und Armaturenbrettern zeigen. Wir gucken also den ganzen Tag Nachbarschaftsstreitigkeiten und Verfolgungsjagden und amüsieren uns prächtig. Für Verpflegung sorgen abwechselnde Trips zum Supermarkt an der benachbarten Tankstelle und zum Chick-fil-A. Wir sind begeistert von der Auswahl an Burgern und Salaten, zu denen es die tollsten Toppings gibt. Eigentlich gefällt uns das Abhängen hier so gut, daß wir direkt noch einen Tag hätten dranhängen können.



Aber am nächsten Tag geht es schon weiter. Hinzu zum Flughafen bietet das Motel einen Shuttle. Wir werden vorm Tom Brady abgesetzt und wenn ich mir jemals gewünscht habe, den Flughafen von Los Angeles mit seinem berühmten Streamliner-Tower und all den Songs, die sich darum ranken, mal ausführlich kennenlernen zu dürfen, dann habe ich heute aber sowas von die Gelegenheit dazu. Um halb zwölf sind wir da und unser Flug geht erst um Mitternacht.


Um 12 Uhr und 12:30 Uhr habe ich uns Termine zum Covid-Test gebucht. Damit wir nicht die ganzen Sachen mitnehmen müssen, gehen wir nacheinander und einer bleibt jeweils bei den Koffern. Das mit der Terminbuchung klappt gut, es gibt keine Warteschlange und wir kommen sogar etwas früher dran, auf die exakte Einhaltung der gebuchten Uhrzeit legt niemand Wert.

Und dann beginnt das Warten. Wir können uns noch so oft einreden, daß wir in Florida ja schon eine tolle Zeit hatten, es wäre eine Katastrophe, müßten wir die Reise jetzt ab- oder unterbrechen. Wieder zurück zum Motel, uns in Quarantäne begeben, Flüge umbuchen, das Gästehaus in Papeete informieren. Immerhin haben wir dort einen mehrtägigen Puffer eingebaut, damit sich nicht alles Nachfolgende verschiebt wie beim Domino Day wenn wir später anreisen sollten. Aber trotzdem, das darf einfach nicht passieren. Reisen zu Pandemiezeiten ist wirklich Nervenkrieg.

Dann bekommt erst der Ehemann, obwohl er nach mir zum Test war, sein Ergebnis, es ist negativ. Ich bin neidisch, ich muß noch eine halbe Stunde länger bibbern, womöglich ist das ja kein gutes Zeichen? Aber dann kommt die erlösende Nachricht, auch ich bin negativ. Und jetzt kullern wirklich bei uns beiden ein paar kleine Freudentränen.

Die restliche Wartezeit fällt uns jetzt irgendwie leichter. Die Sonne scheint und wir wandern abwechselnd herum bis in die benachbarten Terminals, zu Gucken gibt es auch genug.

Um Mitternacht geht es los. Air Tahiti Nui, die internationale Fluggesellschaft von Französisch Polynesien, ist bekannt für den hervorragenden Service und das freundliche Personal. Sobald man das Flugzeug betritt ist es dann auch da, das Südseeflair, die bunten Kissen und Amenity Kits mit den stilisierten Blattmotiven. Wenn das Wort „Dreamliner“ mal irgendwo gepaßt hat, dann hier.


Der Flug dauert 8 Stunden und trotz der Beengtheit ist es relativ angenehm und die Verpflegung hervorragend. Ich schaue einen französischen Krimi, der in Teahupo’o spielt, wo wir auch bald sein werden. Der Handlung kann ich zwar relativ problemlos folgen, aber in die französische Sprache, obwohl ich schon mehrmals im Jahr Gelegenheit zur Anwendung habe, muß ich mich offenbar erstmal wieder einhören. Die obercoolen Kommissare sprechen gehetzt und abgehackt als hätten sie Schauspielunterricht bei Til Schweiger gehabt, wenn hier alle so reden, und dazu noch der polynesische Akzent mit dem stark gerollten R, das kann ja heiter werden.

Durch die Zeitverschiebung ist es erst 6 Uhr morgens als wir landen. Beim Aussteigen spielen sie zur Begrüßung „Pahoho“, ein polynesisches Lied, das von der Ankunft eines Königs erzählt, der von seinem Volk mit den weißen Tiaré-Blüten begrüßt wird.


Jetzt noch durch die Paßkontrolle, und oh, welche Enttäuschung! Wir sind ja wieder in der EU und es gibt nicht mal einen exotischen Stempel in den Paß. Aber egal, wir haben es geschafft und die zweite Station unserer Sabbatreise erreicht: Wir sind in der Südsee.
 

Texelrita

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Oh wie cool, eines meiner noch offenen Traumziele......ich glaub das wird jetzt recht gefährlich für mich, diesem zu folgen :unsure:, hoffentlich sieht Lena das nicht :ROFLMAO:🙈
 

Ron242

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Dann bekommt erst der Ehemann, obwohl er nach mir zum Test war, sein Ergebnis, es ist negativ. Ich bin neidisch, ich muß noch eine halbe Stunde länger bibbern, womöglich ist das ja kein gutes Zeichen?
…..schon fast vergessen:updown:. Man, waren das (Reise-) Zeiten.

Aber egal, wir haben es geschafft und die zweite Station unserer Sabbatreise erreicht: Wir sind in der Südsee.
Wahnsinn! Bin auf jeden Fall mit von der Partie!:)(y)
 

gumpi67

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Ich steige auch noch schnell zu und freue mich auf eure Erlebnisse.

Mit den (möglichen) Reisezielen der Südsee habe ich mich bisher noch gar nicht befasst - sieht aus, als wird sich das auf den nächsten Seiten schnell ändern. :)
 

Pemimae

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Ich reise natürlich auch mit. Air Tahiti Nui hat uns vor etwas mehr als 8 Jahren die umgekehrte Strecke geflogen. Wir waren allerdings nicht ganz so begeistert von der Airline und das wir zwingend beim Check-In einen Notfallkontakt angeben mussten, hat mich ziemlich in Panik versetzt...

Ich bin so gespannt auf Eure Erlebnisse und freu mich total auf deinen Bericht.
 

Densa

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Mensch bin ich neidisch, was für eine tolle Reise! Freue mich auf euren Reisebericht
 

Ehemann

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Wir freuen uns, daß Ihr wieder so zahlreich dabei seid!(y):)

Der Flug dauert 8 Stunden ... Wir sind in der Südsee.

Das ging tatsächlich ziemlich schnell vonstatten, aber nur, weil wir ja bereits in Los Angeles waren. Dann ging es acht Stunden lang nur über Wasser und mit der Landung auf Tahiti hatten wir noch nicht mal die Hälfte des Pazifiks überquert.







Beim Urlaubstraum Südsee muß man sich bewußt machen, welch unvorstellbare Dimensionen dieses Insel-Universum mit sich bringt. Von Europa aus betrachtet gibt es kein Reiseziel, das weiter entfernt wäre. Im Durchschnitt sind es 20.000 Kilometer. Ebenso ist die Zeitverschiebung die maximal mögliche, was natürlich auch für den Jet Lag gilt... Und es dauert schon mal drei bis vier Tage, bis man überhaupt dort angekommen ist, es sei denn, man wählt die weniger empfehlenswerte Alternative, ganz ohne Zwischenübernachtung quasi am Stück durchzufliegen. Das habe ich bei sieben Südseereisen nur einmal probiert. Ja, einmal und nie wieder. Als ich damals am ersten Morgen nach ca. 48 Stunden in Flugzeugen und Flughafenwartebereichen auf Tahiti im verdunkelten Hotelzimmer erwachte und wirklich nicht wußte, wo ich war, war mir anschließend klar, daß ich das nie wieder machen wollte.

Französisch Polynesien ist einer der größten Inselstaaten des Pazifiks, ist größer als Westeuropa und besteht aus einem halben Dutzend Inselgruppen. Die Tuamotus sind dabei die weltweit größte. Sie bestehen wiederum aus 78 einzelnen Atollen und Rangiroa, das bekannteste unter ihnen, wiederum aus ca. 240 Einzelinseln. Die Gesamtzahl aller Inseln allein in dieser pazifischen Region hat meines Wissens nach niemand erfaßt. Sie dürfte im fünfstelligen Bereich liegen. Mit anderen Worten: man könnte ein Leben lang ausschließlich in diesem Land Urlaub machen, würde jedesmal was Neues erleben und hätte am Lebensende nicht annähernd alles gesehen.

Für mich war es die dritte Reise dorthin, aber das erste Mal, mit Suse eine Reisebegleitung zu haben, die überdurchschnittlich gut französisch spricht, was dort sehr nützlich, wenn nicht sogar unabdinglich ist, denn die Englisch-Kenntnisse der Bevölkerung gehen gegen Null. Dies umso mehr, je weiter man sich von der Hauptinsel Tahiti entfernt. Auf den völlig abgelegenen Kannibaleninseln der Marquesas wäre es außerdem nicht schlecht, eine der dort noch lebendigen Ursprachen der Einwohner zu beherrschen. Ja, wir waren auch bei den Kannibalen. Kannibalen mit Handys und Solarzellen im Garten, aber dennoch Kannibalen. Einer von ihnen sollte mir das Leben retten, aber dazu später mehr.

Im Zusammenhang mit der Südsee fällt immer wieder und fast zwanghaft das Wort Bora Bora. Diese Insel ist bis heute das Synonym für's Inselparadies überhaupt und jeder, der noch nie dort war, will da hin. Mögen die Erwartungen und Wahrnehmungen eines jeden Reisenden auch unterschiedlich sein, möchte ich doch jedem Interessierten raten, diese Insel so lange auszulassen, bis er oder sie die wahre Südsee anderenorts richtig kennengelernt hat. Bora Bora ist kommerziell vollkommen verdorben, landschaftsverachtend vollgebaut, maßlos überteuert und unauthentisch. Ich besitze sogar einen Reiseführer, der in dieser Weise vor Bora Bora warnt. Der stammt aus den 80ern. Als Südsee-Ersterlebnis ist die Insel wirklich denkbar ungeeignet und hat bei dieser Reise auch keine Rolle gespielt. Wir haben stattdessen zwei Monate lang vier Inselgruppen Französisch Polynesiens von ganz im Norden bis in den Süden bereist und dabei Erlebnisse für ein ganzes Leben gesammelt. Wir waren in der größten geschlossenen Lagune der Welt, sahen die gefährlichste Surfwelle der Welt und waren für eine Woche die einzigen Touristen auf dem unberührten Atoll von Raivavae. Wir hatten die Wahl, vom gemütlichen Bett aus entweder zum HD-TV zu schauen, oder besser gleich durch die geöffnete Terrassentür hindurch die Haie zu beobachten, die nachmittags immer vor's Bungalow geschwommen kamen. 10 Tage verbrachten wir ausgesetzt auf einer unbewohnten Palmeninsel, überlebten dort einen nächtlichen Tropensturm und fühlten uns sowieso wie die einzigen Menschen auf Erden. Die kulinarischen Genüsse reichten von feinster französischer Küche à la Entrecote Roquefort bis hin zu Mördermuschelragout und Kokosnußwasser. Nur das gelegentlich gereichte Menschenfleisch haben wir natürlich nicht probiert.

Das war alles superspannend und wir hoffen, Euch ein wenig mitreißen zu können.

Auf der folgenden Karte sind all unsere Aufenthalte mit Übernachtungen im Land markiert:

 
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