Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien im Sommer 2022

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Suse65

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Am nächsten Tag lassen wir es ruhig angehen. Den Vormittag vertrödeln wir mit Frühstücken, einem Einkaufsbummel zum „Champignon“, bei dem wir unseren Getränkevorrat und Kekse für zwischendurch aufstocken. Außerdem gibt es hier durchaus ein paar Souvenirs abzugreifen, Vanillepulver, Vanillekaffee, Marmeladen, oftmals die gleichen Produkte, wie man sie zum dreifachen Preis in Souvenirläden bekommt. Tahitianisches Eis gibt es auch, Vanille und Kokos, sehr lecker.

Der Vanillekaffee schmeckt zum Niederknien und ist viel zu schnell alle. Das komplizierte Zollverfahren, das der Käufer bei Online-Bestellung aus Tahiti selbst durchzuführen hat, ist aber derartig aufwändig, daß ich das nicht nochmal machen würde. Beim nächsten mal lasse ich gleich von vornherein mehr Platz im Koffer. :LOL:


Am späten Nachmittag machen wir uns dann auf den Weg in die Stadt. Drei Abende in Folge haben wir jetzt Benis Pizza gehabt und als Hintergrundmusik Neue Deutsche Welle und Hildegard Knef von Benis Playlist. Sein Musikgeschmack ist nur teilweise meiner, aber es ist witzig, hier unter all den Franzosen und wenigen Amerikanern auf der anderen Seite der Erdhalbkugel als einzige die Texte mitsingen zu können. Trotzdem müssen wir jetzt mal endlich ins tahitianische Nachtleben eintauchen und zu den Roulottes.

Die Place Vaiete erwacht erst bei Einbruch der Dunkelheit zum Leben, da haben wir noch viel Zeit für einen gemütlichen Bummel am Hafen entlang.
Paofai, unser Stadtteil, liegt direkt am Meer, und man hat sich bemüht, ihn ein bißchen zu verschönern und lebenswerter zu gestalten. Nicht nur durch die Wandmalereien



sondern auch durch die Anlage eines Parks direkt am Meer, der an einen schmalen Strand grenzt, die Plage Hokule’a.



Der Strand besteht aus schwarzem Lavagestein, wie fast alle Strände hier, drum herum eine Grünanlage, in der die Menschen joggen, unter Pavillons sitzen und Brettspiele spielen. Es gibt einen öffentlichen Büchertauschschrank, Getränkeautomaten und einen Spielplatz. Abends finden Tanzveranstaltungen statt und hier trainieren auch die Fahrer der Auslegerkanus.



Das im Vordergrund ist natürlich ein traditionelles, die Rennkanus liegen dahinten auf dem Gestell, das sind die weißen.

Wir setzen uns in einen der Pavillons direkt am Wasser mit Blick auf Mo’orea, die Schwesterinsel Tahitis, hinter der die Sonne untergeht. Vielleicht haben wir ja Glück und erwischen einen wolkenlossen Sonnenuntergang, an dem sich der gesamte Himmel rot verfärben wird mit der schwarzen Silhouette der Insel im Vordergrund. Aber leider zieht es sich immer weiter zu.



Stimmungsvoll ist es trotzdem. Die Kanuten rudern ihre Pirogen vor uns auf und ab, die größeren mit mehreren Mann Besatzung waren weit draußen auf dem Meer und kommen bei Einbruch der Nacht zurück. Irgendwo in der Nähe übt eine Trommelgruppe. Das alles zusammen käme dem Südseeklischee sehr nahe, wäre da nicht der nach europäischem Vorbild gestresst wirkende Mann, der aufgeregt vor uns über die Felsbrocken hüpft und dabei die vorbeirudernden Kanuten herumkommandiert. Ganz eindeutig ist das der Trainer.

Als es dunkel geworden ist, gehen wir am Hafen entlang zum Hafen und zur Place Vaiete.



Die Uferpromenade, die wir vorgestern bei Tag vom Parc Bougainville aus gesehen ein bißchen nichtssagend fanden, sieht bei Nacht vollkommen verändert aus.



Ein kleines künstlich angelegtes Korallenriff wächst und gedeiht, Fische tummeln sich in dem abgesperrten Bereich. Das Wasser ist für ein Hafenbecken erstaunlich klar.



Wir sehen sogar eine Karettschildkröte in dem von Lampen erhellten Wasser.



Wenn man genau hinschaut, sieht man, daß ihr vorne rechts der Flipper fehlt, vermutlich der Grund, warum sie sich hier im geschützten Bereich aufhält.



Die Roulottes sind geöffnet und es ist jede Menge los. Man kann zwischen allen möglichen kulinarischen Richtungen wählen. Wir hätten eigentlich gern chinesisch, aber fischlastig, wie hier in Polynesien nun mal alles ist, gibt es da möglicherweise ein Problem, den die Roulottes sind klein und haben nur einen Wok. Der Chinese, den ich frage, ist auch ehrlich, das muß er auch sein, denn alles andere wäre grob fahrlässig, denn der Ehemann ist hochallergisch auf Fischeiweiß. Er räumt offen ein, daß hier alles in einem Wok zubereitet wird, Fisch- und Fleischgerichte und auch das vegetarische Essen. Das kommt dann für uns nicht in Frage. Er ist sogar so nett, uns die Roulottes zu zeigen, an denen keine Fischgerichte zubereitet werden, und so landen wir an der Roten Kugel, der Boule Rouge.



Hier gibt es vor allem „Amerikanisch“, Burger und Pommes, und die nehmen wir dann auch. Warten müssen wir eine ganze Weile, eben weil die Küchen so klein sind. Das macht aber nichts, die Atmosphäre ist schön, wir sitzen direkt vor dem Bug der Pearl Harbor, um uns herum die Locals.



Zurück geht es durchs nächtliche Paofai. Die kleine Rostlaube und ihr Bewohner stehen da wie immer, dann müssen wir hinein in die dunkle Gasse im Hintergrund, da entlang geht’s zum Fare Suisse. Es sieht auf dem Foto aber grusliger aus, als es in Wirklichkeit ist.

 

Texelrita

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Boah ist das GEIL! Ich bin total verzückt, was für eine Vegetation, üppiger geht kaum!

Ich hänge an Euren Lippen und sauge alles auf...wäre es doch nicht so weit weg, dann würde ich schon Flüge suchen.
 

Pemimae

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Wie herrlich. Jetzt tut es mir leid, dass wir auf diesen Inseln nur ein paar Tage auf dem Rückweg von Neuseeland hatten und auf Tahiti nur die Übernachtung vor der Überfahrt nach Moorea. Da wir dort sicher nicht mehr hin kommen werden, genieße ich euren Bericht und die tollen Fotos noch viel mehr.
 

Holm

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Sehr, sehr schöner Reisebericht. :):sun: Freue mich auf eine weiter so detailierte Fortsetzung.:)
 
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Es ist gleich aufgefallen, daß wir gestern nicht zum Pizzaessen im Fare Suisse waren. Raratea, die Mitarbeiterin, die unter uns nur "die mit den Kulleraugen" heißt und die heute das Frühstücksbuffet betreut, gibt uns den Ratschlag, beim nächsten Sonnenuntergang auch bei wolkenverhangenem Himmel länger auszuharren, denn erst ganz zum Schluß kämen die schönen Farben.

Als sie sich nach der Papeno’o-Tour erkundigt, antworten wir so diplomatisch wie möglich, immerhin konnte der Guide ja auch nichts für die Gruppenzusammensetzung. Richtig euphorisch sind wir aber auch nicht, das scheint sie zu merken und meint, daß die Inselrundfahrt heute aber ganz sicher toll würde. Fabrice, unseren Guide, kennt sie persönlich, und der sei großartig.

Diesmal warten wir auch brav unten an der Straße. Im Auto die nächsten Honeymooner, ein französisches Paar, das danach auf die Aranui geht. Auf dem Beifahrersitz ein US-Amerikaner, der von Hawai’i erzählt, wo ihm Polynesier feindselig gegenüber getreten seien. Fabrice meint, das sei hier nicht so, die Franzosen seien willkommen. Im Stillen wage ich zu bezweifeln, daß die Aussage so pauschal stimmt, aber unser Guide, der ja auch heute Franzosen in der Gruppe hat, läßt sich weder jetzt noch später zu kritischen Äußerungen verleiten, als er uns seine eigene Geschichte erzählt.



Der Marae von Arahurahu ist der bekannteste Tahitis. Ein Marae ist eine heilige Stätte, an der auf aus Lavagestein angelegten Plattformen kultische Handlungen vollzogen wurden; gelegentlich, wenn die verschiedenen Völker Polynesiens sich gegenseitig zu Festtagen Besuche abstatten, findet dies auch heute noch statt.

Hier gibt es zwei Tiki, die von Raivavae, einer Insel ganz im Süden Französisch Polynesiens, die auch die letzte Station unserer Reise sein wird, hergebracht wurden. Wir werden, später, wenn wir auf Raivavae sind, noch genauer hören, was sich zugetragen hat, als man die drei Tiki, die eine Familie von drei Gottheiten repräsentieren, von Raivavae hierher holte. Fabrice erzählt uns, der die weibliche Gottheit repräsentierende Tiki werde für den Tod aller vier Arbeiter verantwortlich gemacht, die sie bewegt hätten.



Da steht sie also, die Prinzessin Heiata, in ihren Armbeugen Frangipaniblüten, von Frauen hineingelegt, die sich Fruchtbarkeit erbitten, und wir sollen mit ihr für ein Foto posieren. Wohl ist mir dabei nicht, ich bin nicht im kirchlichen Sinne religiös, habe aber durchaus einen gewissen Respekt vor den spirituellen Ansichten anderer Kulturen und wer weiß, ob womöglich etwas dran ist, an den Geschichten von vier toten Umzugshelfern. Fabrice versichert uns aber, den Tiki könnten wir nicht bewegen, auch nicht ausversehen, und die Prinzessin hätte nichts dagegen, wenn wir den Arm um sie legen. Ob ich bei seinen Ausführungen abgelenkt war oder er es gar nicht erwähnt hat, kann ich rückblickend nicht sagen, später lese ich aber, daß sowohl die Prinzessin, als auch ihr dazugehöriger Mann, Prinz Moana, und das gemeinsame Kind, Moana Iti, der kleine Moana, in Wirklichkeit ein paar Kilometer entfernt im Musée Gauguin stehen und wir uns an eine Kopie gelehnt haben. Also alles gut, sollten wir die Prinzessin versehentlich geschubst haben.

Der Marae ist gut in Schuß, was daran liegt, daß er vor ein paar Jahren erst aufwändig saniert wurde. Zuvor war er, wie viele andere Orte, die zur polynesischen Kultur gehören, von Vernachlässigung gezeichnet. Fabrice, der älter sein muß, als er aussieht, berichtet, er selbst gehöre noch zu der Generation, die Tahitianisch erst mühsam lernen mußte. Zu seiner Schulzeit war Französisch einzige Unterrichtssprache und das Tahitianische war zwar nicht verboten, wurde aber nicht gefördert.

Da die polynesische Kultur zur Zeit seiner Eltern noch zugunsten der französischen unterdrückt wurde, hätten diese ihm auch nichts von dem Wissen seiner Vorfahren vermitteln können. So wußte er nicht, daß die Knochen, mit denen er in den Felsen oberhalb des Marae spielte, aus Begräbnisstätten stammten. Die Felsen um uns herum sind voll von Höhlen, in denen die Polynesier vor der Kolonisierung ihre Toten beerdigten, so hoch wie möglich, um sie dem Zugriff verfeindeter Gruppen zu entziehen. Es war nicht unüblich, daß die Gegner versuchten, sich der Schädel verstorbener Krieger oder anderer hochrangiger Persönlichkeiten zu bemächtigen, um sie als Trinkschalen zu gebrauchen. Ebenso wie beim ritualisierten Kannibalismus, der ja nicht der eigentlichen Nahrungsaufnahme diente, glaubte man, sich hierdurch etwas von der körperlichen oder geistigen Überlegenheit des Toten anzueignen.

Heute, so erzählt uns Fabrice, hätten sich die Polynesier wieder ihrer Bindung an das Land, aus dem sie stammen, besonnen. Ein Polynesier sei Teil des Fenua, des Bodens, von dem er stamme, und das Fenua gibt ihm seine Kraft, das Mana. Das Mana ist übrigens nicht nur Polynesiern vorbehalten, heißt es. Jeder kann es spüren, auch Besucher.

Wir fahren einmal im Uhrzeigersinn um Tahiti Nui. Nui bedeutet „groß“ auf Polynesisch und wo ein großes ist, da gibt es natürlich auch ein kleines, Tahiti Iti, aber das dauert noch ein paar Tage, bis wir dorthin kommen, heute beschränken wir uns auf die Hauptinsel.



Die Grotte von Mara’a ist eine von Moosen und Farnen überwucherte Kaverne mit einem kleinen Quellgewässer im Inneren, in dem angeblich schon Paul Gauguin gebadet haben soll. Es ist kalt und düster und die Fotos sind nicht zeigenswert, aber die Farne, die in langen Wedeln von den feuchten Höhlenwänden hängen, sind beeindruckend anzuschauen. Es ist Schwertfarn, den wir hierzulande gern als Zimmerpflanze halten und uns dank der trockenen Heizungsluft, die dieser Farn nicht verträgt, über die permanent herabrieselnden vertrockneten Fiederblättchen ärgern.

Am Trou du Souffleur von Arahoho halten wir nicht lange, es sei nicht windig genug und nicht genug Wellengang, es werde sowieso keine Wasserfontäne geben. Das Blowhole heult ein bißchen unheimlich, aber das Interessanteste ist ein winziger weißer Fleck weit vor uns an der Küste, den Fabrice uns zeigt. Aus irgendeinem Grund hat sich hier, wo es eigentlich ausschließlich schwarze Strände aus Lavagestein gibt, ein winziges Korallenriff gebildet, in dem kleine Kolonie von Papageienfischen lebt, deren Ausscheidungen das bilden, was wir als weißen Korallensand kennen.

Abgesehen von den wenigen Quarzsandstränden wie zum Beispiel am Panhandle in Florida, entstehen die meisten der tropischen Strände der Welt so und hier ist es ein wenige Meter breites Stück weißer Strand, der auf dem Privatgrund eines glücklichen Polynesiers liegt. Wir können es nur von weitem sehen, es ist so klein, daß man es auf den Fotos kaum erkennen kann.

Fast genau auf der anderen Straßenseite liegen die Wasserfälle von Faarumai.



Man überquert eine kleine bogenförmige Brücke und dann geht es einen Hügel hinauf, hinter dem man die Fälle schon donnern hören kann, zumindest den ersten. Die beiden anderen Fälle liegen tiefer im Inland und bis dahin gehen wir auf dieser Rundfahrt nicht.



Der erste Fall, Vaimahutu, donnert aus 100 Metern Höhe in ein Wasserbecken, in dem man bis vor ein paar Jahren sogar noch baden durfte, bis ein Tourist dabei durch einen Steinschlag getötet wurde. Es ist der höchste Wasserfall, an dem ich je gestanden habe. Die Sage zu den Fällen berichtet, daß dahinter der Geist des Tals mit einer Prinzessin, die er vor ihrem grausamen Vater gerettet hat, lebt. Wie die Legende will, sollen sie dort sehr glücklich sein, vielleicht möchten sie einfach nicht durch Badegäste gestört werden.



Wasser ist allgegenwärtig. Auf einer Halbtagsstour schafft man es zwar nicht, den Botanischen Garten zu besuchen, aber die Wassergärten von Vaipahi gehören zum Programm und die sind absolut sehenswert.

Die unglaubliche Vielfalt an Pflanzen, insbesondere an Nutzpflanzen wie Papaya, Pampelmusen, Eßkastanien, Litchees und was es da noch alles gibt, ist eigentlich hier nicht endemisch. Wenn man den ersten europäischen Entdeckern glauben will, waren die Hänge Tahitis früher überwiegend von bodendeckenden Pflanzen und Baumfarnen bedeckt und die vorwiegende Nahrungspflanzen waren Taro und Brotfruchtbäume, deretwegen damals die Bounty nach Tahiti kam. Die Kokospalme dürfte allerdings auch schon da gewesen sein, denn die ist quasi-endemisch, schon die ersten Menschen, die die Inseln besiedelten, haben sie mitgebracht.

Woher die stammten, darüber war man sich ja lange uneinig. Ganz vorn im Meinungsrennen lag Südamerika, vor allem Chile. Wir werden später auf den Marquesas auch noch einen eindeutigen Beweis zu sehen bekommen, daß es einen kulturellen Austausch mit der Urbevölkerung Chiles gegeben haben muß, aber ob Polynesien von dort aus besiedelt wurde, wußte man nicht. Thor Heyerdahl hat mit seiner Fahrt mit der Kon Tiki versucht, genau dies zu beweisen, und weil es ihm gelang, Tahiti auf dem Seewege mit einem Holzfloß zu erreichen, meinte man lange, daß man das damals auch geschafft haben könnte.

Aber wie viele evidenzbasierte Erkenntnisse wurde auch diese durch die Beweise zunichte gemacht, die erstmals die Genetik liefern konnte. Durch DNA-Vergleiche weiß man heute, daß die Ursprünge der Bevölkerung Polynesiens in Taiwan liegen.



Der Wassergarten von Vaipahi ist wie ein kleiner botanischer Garten, durch den kleine Wasserläufe fließen, die in einen riesigen Seerosenteich münden. In den Bächen leben heilige Aale, Fabrice versucht, einen für uns anzulocken, aber es gelingt ihm nicht, die Aale haben heute keine Lust. Ist mir ganz recht, ich habe wohl einmal zuviel die Blechtrommel gesehen, heilig hin oder her, ich finde Aale eklig.

Sehr viel besser gefällt mir der Ingwer, sie haben hier verschiedene Arten, riesige, wie wir sie vorgestern in den Gärten in Papeno'o gesehen haben, aber auch die kleineren mit den roten Fruchtständen, in denen sich eine würzig duftende Flüssigkeit sammelt, die man mit der Hand auspressen kann. Das ist Shampoo-Ginger, die Frauen in den Tropen verwenden ihn tatsächlich zur Haarpflege, er fühlt sich seifig an und schäumt auch. Wenn man die Pflanze danach in Ruhe läßt, füllt sie sich erneut von selbst.

Gesehen habe ich die Pflanze schon mehrmals, aber daß wir sie ausgerechnet hier, in einer offiziellen Parkanlage, selbst ausdrücken dürfen, hätte ich nicht gedacht. Der Amerikaner aus unserer Gruppe und ich klettern mit Fabrice' Erlaubnis über die Absperrung und quetschen einen Ingwer aus.

So sieht das dann aus:


Natürlich gibt es auch jede Menge Nahe und außerdem einen Baum mit Rambutan. Rambutan werden oft als die leckersten Lychee bezeichnet, was vielleicht daran liegt, daß es gar keine sind. Es ist eigentlich eine andere Pflanze, sieht aber genau so aus, schmeckt nur noch viel besser. Auch hier dürfen wir direkt vom Baum pflücken, keine Ahnung, ob das alles immer so locker ist, oder ob das nur in Begleitung eines Guides erlaubt ist. Allein hätte ich mich das jedenfalls nicht getraut, hier einfach mal drauflos zu ernten.

Der Wassergarten war für mich das Highlight der Tour, das für den Ehemann kommt erst noch.

Der Leuchtturm an der Pointe de Vénus, so sagt man, sei der schönste Tahitis. Benannt wurde die Landspitze von James Cook nach dem astronomischen Ereignis, das er hier nach seiner Ankunft beobachtete, dem Transit der Venus. Und zu James Cook gehört unweigerlich der Name Bligh und so sagt der Ehemann, daß er ja eigentlich auch gern noch in die Matavai-Bucht gefahren wäre. Dort, wo seine meuternde Mannschaft Captain Bligh aussetzte und die Geschichte der Meuterei auf der Bounty endet, vor der Vulkaninsel Kao in Tonga, waren wir schon. Hier könnte man nun den Anfang der Geschichte sehen, denn in der Bucht von Matavai legte die Bounty damals an, als sie Tahiti erreichte.

Als wir den Leuchtturm umrunden und dahinter auf ein kleines Denkmal stoßen, das an die Bounty erinnern soll und auf dem die Portraits von Marlon Brando und seiner tahitianischen Ehefrau abgebildet sind, frage ich Fabrice, warum das hier steht. Der Familie Brando gehört seit den Dreharbeiten zum Spielfilm über die Meuterei auf der Bounty ein Atoll, Tetiaroa, aber damit kann es nichts zu tun haben. Ob die Matavai-Bucht hier in der Nähe sei, frage ich. Fabrice lacht und meint, das hier ist die Matavai Bucht.



Zum Glück gibt es hinter dem Leuchtturm eine kleine Roulotte, die anderen aus der Gruppe haben Hunger und holen sich hier etwas zu essen, so daß der Ehemann genug Zeit hat, sich die Bucht der Sehnsucht nochmal ausgiebig anzuschauen.



Dann geht es zurück zum Hotel, ohne weitere Stops, was wir bedauern, denn unterwegs sehen wir noch viele schöne Ecken, unter anderem einen Zwillingswasserfall am Rand einer einsamen Wiese. Ooooh, machen alle im Auto, aber Fabrice meint, das sei Privatgrund und da dürfe man nicht hin. Wir können noch nicht ahnen, daß wir die Fälle noch aus der Nähe sehen werden, ganz privat.

Zurück am Hotel ist es erst früher Nachmittag. Wir ruhen uns ein bißchen aus und dann gehts hinunter an den Strand von Hokule'a, neuer Versuch Sonnenuntergang hinter Mo'orea. Das Ergebnis des heutigen Tages: Mo'orea mit Fähre.



Wir befolgen den Rat von Raratea und bleiben bis zum Einbruch der Nacht. Tatsächlich verfärbt sich der Himmel kurz vorher noch für einen Moment tieflila. Hoffentlich erwischen wir noch einen Abend ohne Wolken, wir geben jedenfalls nicht auf.

Die Sache mit den Roulottes auf der Place Vaiete schlagen wir uns erstmal aus dem Kopf, die Sache mit den Allzweck-Woks ist irgendwie nicht zu lösen und die Alternative Burger und Fritten hatten wir in Florida fürs erste zur Genüge. Aber wir haben gestern auf dem Rückweg schon eine Alternative entdeckt, ein italienisches Restaurant mit großem Innenhof. Gemütlich sieht es aus, mit Springbrunnen und Kerzenbeleuchtung. Die Speisekarte ist üppig, es gibt auch jede Menge Salat, nach all der Pizza fehlt uns der schon ein bißchen. Trotzdem es ein italienisches Restaurant ist, ist der Einfluß der französischen Küche aber unverkennbar, fast zu jedem Gericht gibt es Blauschimmelkäse. Gottseidank mögen wir den, denn wir können noch nicht ahnen, daß er uns für den größten Teil der Reise begleiten wird. Denn zwei Dinge gibt es in Französisch Polynesien auf jeder Insel, und sei sie noch so einsam gelegen: Günstiges, weil staatlich subventioniertes Baguette und Roquefort.

Müde und voller Eindrücke schleppen wir uns den Berg hinauf in die Schweizer Enklave. Morgen ist Sonntag und Muttertag, da müssen wir nach Hause schreiben, und dann gibt es zum Abschluß noch einen Stadtbummel in Papeete.
 
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Wie herrlich. Jetzt tut es mir leid, dass wir auf diesen Inseln nur ein paar Tage auf dem Rückweg von Neuseeland hatten und auf Tahiti nur die Übernachtung vor der Überfahrt nach Moorea. Da wir dort sicher nicht mehr hin kommen werden, genieße ich euren Bericht und die tollen Fotos noch viel mehr.
Ja, da seid Ihr nicht alleine, fast alle fahren direkt durch nach Moorea oder gleich weiter zum Flughafen, wenn sie von anderen Inseln kommen. Weiß auch nicht warum, aber Tahiti hat irgendwie den Ruf, uninteressant zu sein, auch unter Franzosen.
 

Holm

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Wenn diese Fremdsprachenbarriere (französisch) nicht wäre, ......... :neutral: Es wäre für uns das perfekte Urlaubserlebnis. Aber so habe ich ehrlich etwas Berührungsängste.
Ich freue mich für Euch. Genießt diesen schönen Urlaubstrip.:)
 

loecki1976

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Lese auch begeistert mit.
Es wäre jetzt wohl nicht mein Ziel, aber gerade dadurch finde ich es super spannend, weil man wenig von dieser Ecke der Welt weiss.

Und die Vegetation ist ja mal der Hammer….

Danke für die tolle Mühe…. 🤗👍
 
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Suse65

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Es wäre jetzt wohl nicht mein Ziel, aber gerade dadurch finde ich es super spannend, weil man wenig von dieser Ecke der Welt weiss.

Und die Vegetation ist ja mal der Hammer….

Danke für die tolle Mühe…. 🤗👍
Freut mich, daß Du dabei bist. Ich habe Deinen Reisebericht leider überhaupt nicht verfolgen können, dazu hat einfach die Zeit gefehlt.
 
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Am Sonntag gehen wir spät zum Frühstück. Zu Beni-Brot und Kaffee verschicken wir Muttertagsmails an die Mütter und meine Patentante. Letztere lebt seit 60 Jahren in Frankreich, war aber trotzdem nicht überzeugt von unseren Reiseplänen. Alles, wo die Franzosen ihre Finger drin hätten, sei unverschämt teuer, meinte sie. Mein Onkel hingegen, der ja selbst von einer zu Frankreich gehörenden tropischen Insel stammt, war begeistert und ein bißchen neidisch, er selbst war noch nicht hier.

Richtig teuer war es bislang aber eigentlich nicht. Es gibt im Land sehr wohl gute Unterkünfte zu moderaten Preisen, das Fare Suisse gehört dazu.


Wir werden rückblickend sogar finden, daß einige der günstigsten Gästehäuser, die wir ausgesucht hatten, uns sogar besser gefallen haben als die teuren. Die nächste Unterkunft, die wir in zwei Tagen beziehen werden, ist eine der teureren, und wenn sie auch unvergleichlich schön gelegen ist, hat sie dennoch einige Defizite.

Dazu gehört, daß sie abgelegen ist und das Restaurant nicht täglich geöffnet hat. Wir machen uns jetzt schon Gedanken darum, wo wir an den zwei Tagen in der Woche essen werden, an denen wir im Hotel nichts bekommen. Gottseidank gibt es den Champignon, in dem wir uns für Notfälle vorher noch mit Knabberkram bevorraten werden.

Problem Nummer zwei auf der abzuarbeitenden Liste sind die Dinge, die wir auf die nächsten inseln nicht mitschleppen wollen. Da ist einiges, das wir nicht brauchen werden, warme Sachen aus Deutschland, aller möglicher Dollarladenkram, den wir in Florida angehäuft haben. Auf der nächsten Station werden wir auch unsere Schnorchelsachen noch nicht benötigen, vor allem die großen Flossen sollen hierbleiben. Das Fare Suisse hat zwei Abstellräume, in denen man Gepäck zwischenparken kann, die Frage ist aber, wo tun wir die Sachen rein? Der Champignon, richtig heißt er ja Champion, ist eine der "besseren" französischen Ketten, etwa wie ein Rewe in Deutschland so ungefähr. Da bekommt man also auch keine ausrangierten Kartons wie bei Lidl. Irgendeinen Behälter müssen wir noch auftreiben.

Mittags spazieren wir los in die Stadt. Die Gottesdienste sind noch in vollem Gange und man hört die Gemeinden singen. Die Tahitianer sind zum weitaus überwiegenden Teil praktizierende Christen. Trotzdem in Frankreich der Katholizismus vorherrscht, sind die Tahitianer größtenteils Protestanten und mitten in Paofai am Boulevard der Königin Pomare steht die älteste protestantische Kirche Tahitis. Sie leuchtet in einem zarten Rosa, es sieht hübsch aus, wenn man die Damen in ihren rotweißen Robes Mission durch die weit geöffneten Türen sieht.



Die korrekte Bezeichnung lautet jedoch nicht Kirche, sondern Tempel, Kirchen haben hier nur die Katholiken. Das verwirrt mich, im Zusammenhang mit christlichen Religionen oder solchen, die sich dafür ausgeben, kenne ich die Bezeichnung Tempel nur für die Kirchen der Mormonen oder der Heiligen der letzten Tage, vielleicht besser bekannt als Latter Day Saints, einer mormonischen Splittergruppe. Und an der Bande hat es hier im pazifischen Raum wahrlich keinen Mangel.

Ich muß das also googeln und lerne, daß eine Kirche per Definition ein Gotteshaus ist, das allen offensteht, während Tempel den Gemeindemitgliedern vorbehalten sind. Da muß man erst ans andere Ende der Welt reisen um zum ersten Mal zu verstehen, warum unsere evangelischen Kirchen hierzulande immer abgeschlossen sind. Reisen bildet.

Im Stadtkern dann die Kathedrale von Papeete, und natürlich sind die Türen geöffnet. Notre Dame heißt sie, und die Muttergottes, nach der sie benannt ist, steht drinnen als geschnitzte Statue. Sie hat polynesische Gesichtszüge und ist mit zahllosen Leis umhängt, die stark duften. Die Kathedrale ist klein und der Gottesdienst ist schon zuende, so daß wir uns ein bißchen umschauen können.



Das mit dem Stadtkern darf man hier wörtlich nehmen, denn von hier aus nimmt das ungewöhnliche System seinen Ausgang, nach dem sich auf Tahiti und seinen angrenzenden Inseln alles orientiert, die Points kilométriques. Die Kathedrale ist der zentrale Punkt Papeetes und hier befindet sich der Point kilométrique 0. Sucht man nun einen bestimmten Punkt auf der Insel, genügt als Angabe die Kilometerzahl plus die Ergänzung, ob sich das gesuchte Objekt meerseitig oder bergseitig befindet, also auf welcher Seite der Ringstraße. Natürlich müssen Ortsfremde nicht jedesmal an der Kathedrale starten, damit sie auf den Tacho gucken können, dafür gibt es reichlich Kilometersteine, die auf manchen Inseln kunstvoll gestaltet sind.

Danach würde ich gern auf den städtischen Markt, der berühmt ist für seine große Auswahl hochwertiger Souvenirs, aber das haben wir knapp verpaßt und stehen vor verschlossenen Toren. Wir bummeln ein bißchen durch die Gassen, aber die meisten Geschäfte sind geschlossen. Es gibt reichlich Galerien, aber die meisten sehen nicht aus, als ob ich hier ein Souvenir für die heimische Reisebilderwand bekommen würde, das sind eher hochpreisige Gemälde, die hier ausgestellt werden, alles Originale.

Mittags essen wir der Einfachheit halber bei McDonalds, auf irgendein Restaurant haben wir keine Lust, denn da sitzen die Touristen, bei McDo die Polynesier, fein angezogen für die Kirche, das ist viel spannender. In der Schlange beim Bestellen höre ich deutsche Stimmen, das wird auf der gesamten Reise nur noch ein weiteres Mal passieren, was uns ein bißchen erstaunt, wir hatten mir mehr deutschen Touristen gerechnet.

Noch ein bißchen im Parc Bougainville sitzen, für den Ehemann ist das schon der Abschied von Papeete, auch wenn wir noch mehrmals ins Fare Suisse zurückkehren werden. Aber das sind nur die Aufenthalte, die wir fürs Umsteigen benötigen, wenn wir zwischen den Inselgruppen wechseln und in die Stadt werden wir dann nicht mehr gehen.

Wir geben dem Sonnenuntergang eine letzte Chance, aber er nutzt sie nicht. Die schönen Farben kommen später, aber dann kann man Mo'orea schon nicht mehr erkennen, weil es zu dunkel ist. Trotzdem ist es immer wieder nett hier im Park. Hinter uns im Pavillon übt eine Tänzergruppe, spielende Kinder laufen herum, und immer wieder die Auslegerkanus, die auf dem Wasser kreuzen.



Danach gibts Pizza mit Blauschimmelkäse beim Italiener für den Ehemann und für mich Salat mit Ziegenkäse. Wer weiß, was wir nächste Woche so kriegen.

Unser letzter voller Tag im Fare Suisse steht dann ganz im Zeichen des Organisatorischen. Ich gehe nochmals allein in die Stadt, Postkarten kaufen, vielleicht ein paar Souvenirs, und der Ehemann sortiert Fotos und Gepäck.

Der Markt hat geöffnet und ist voller Menschen. Das Untergeschoß ist den Blumen- und Lebensmittelhändlern vorbehalten, hier kaufen die Tahitianer ein. Oben gibt es Souvenirs, vor allem geschnitzte Tiki und viele Körperpflegeprodukte aus Monoi, dem Öl der Tiaré-Blume.

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Das Maison de la Vanille, von dem ich im Reiseführer gelesen habe, gibt es nicht mehr, das hat geschlossen. Zum Glück habe ich meine Vanillesachen schon im Champignon gekauft, da waren sie vermutlich auch viel billiger.

Die großen Galerien lasse ich aus, auch geöffnet sprechen sie mich nicht an. In den unterkühlt wirkenden Räumen balancieren Französinnen in strengen Kostümen auf Stilettos zwischen drei großformatigen Gemälden umher, die so viel kosten wie unsere gesamte Reise, hier gibt es nichts für mich. Aber genau gegenüber entdecke ich dann, was ich gesucht habe, einen kleinen Markt, in dem verschiedene Kunsthandwerker sich gemeinsam einen Raum teilen. Hier gibt es lokal hergestellte Marmeladen, Kunstpostkarten und kleine Aquarelle, T-Shirts, Schnitzereien vom Schlüsselanhänger bis zum Buckelwal. Genau was ich gesucht habe, ein paar Sachen für mich und die Angehörigen wandern in meine Tasche. Das Ganze nennt sich Art'Griculture, eine Wortkomposition, die schon andeutet, daß sich hier lokale Erzeuger und Künstler zusammengetan haben.


Was ich immer noch nicht habe, ist ein Behälter für die Sachen, die wir hierlassen wollen.

Den finde ich dann beim Fare Suisse um die Ecke. Tahiti Pas Cher ist für tahitianische Verhältnisse vielleicht günstig, aber gemessen an dem, was man bei uns bei McGeiz und Konsorten findet, ist es trotzdem noch reichlich teuer. Eigentlich ist es eher sowas wie Depot oder Target, um ein amerikanisches Beispiel zu wählen. Hier finde ich dann endlich, was ich suche, neben Wäschekörben, die nicht für uns taugen, weil sie keinen Deckel haben, gibt es auch große Plastikboxen. 25 Euro muß ich umgerechnet dafür hinlegen, ich finde sie riesig, meine Vorratseinkäufe im Champignon passen gut rein. Unser ganzer Krempel dann aber doch nur gerade so, ein paar Sachen müssen wir in Tüten außen an den Griff knoten, damit sie im Gewühle in den Lagerräumen nicht verlorengehen.

Der Rest des Tages vergeht mit Packen und einer letzten Pizza bei Beni, Thérèse und ihren Mitarbeiterinnen, mit denen wir uns inzwischen angefreundet haben. Sie freuen sich, sagen sie zumindest, daß wir noch mehrmals bei ihnen übernachten werden. Wir haben uns hier wohlgefühlt und freuen uns auch aufs Wiedersehen, aber auch, daß es jetzt weitergeht. Nur den Transfer zur nächsten Unterkunft leistet das Fare Suisse nicht, der beschränkt sich auf das Abholen und Bringen vom und zum Flughafen. Morgen wird uns ein unbekannter Fahrer eines lokalen Transferdienstes abholen, Alloic Transport. Den haben wir uns nicht selbst ausgesucht, sondern die hiesige Tourismusagentur im Auftrag unseres Reiseveranstalters. Uns ist das völlig egal, wir fahren ja nicht wirklich weit. Ab morgen wird uns das nicht mehr egal sein, da werden wir überhaupt nur noch mit Alloic fahren wollen, egal wohin.

Aber morgen geht es ins kleine Tahiti nach Teahupo'o. Wenn ich an irgendeinen Ort in Französisch Polynesien unbedingt wollte, dann vor allem dorthin. Aus Gründen.

Ich will sehen, wie sie die gefährlichste Welle der Welt surfen. Oder wie der Polynesier sagt: Taie fa'ahe'e!

 
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Am nächsten Vormittag werden wir um 10 Uhr abgeholt, pünktlich zum Auschecken. Die Verabschiedung von der Fare Suisse-Mannschaft ist herzlich, die Mädels, die hier arbeiten, sind alle polynesische Schönheiten wie aus dem Bilderbuch, dabei aber vollkommen ungekünstelt, natürlich und herzlich, wir können gar nicht sagen, welche wir am liebsten mögen.

Vor der Tür erwartet uns ein Großraumtaxi, Alloic Transport steht drauf, das ist also für uns. Daneben ein Hüne von einem Mann, rotblonde Haare, Hände wie Bratpfannen. Wenn das ein Franzose ist, haben sich die keltischen Gene aber gewaltig durchgesetzt. Er stellt sich uns als Loïc vor. Alloic, so kapieren wir schnell, ist mal also mal wieder eine dieser Wortkompositionen, diesmal aus Aller und Loïc, was dann soviel heißt wie "Fahren mit Loïc ". Alle Franzosen, die ich kenne, lieben sowas, Akronyme, Wortspiele, solche Sachen halt.

Er öffnet die Heckklappe und quetscht unser Gepäck neben ein riesiges Surfbrett. Oh, denke ich, da haben wir schon Surfer als Mitfahrer. Aber das Surfbrett gehört keinen Gästen, das ist seins, und auch die Erklärung, warum ihm der Job in der Personenbeförderung so gut gefällt. Er hat immer ein Auge beim Meer und wenn es irgendwo nach guten Bedingungen aussieht, fährt er hierher zurück, sobald er seine Gäste abgesetzt hat, und surft eine Runde. Das Geschäft sei während der Pandemie aber nicht gut gelaufen, er freut sich, daß er jetzt wieder mehr Kunden hat. Mit dem Ehemann unterhält er sich auf Englisch, mit mir auf Französisch und er ist sehr interessiert an uns als deutschen Gästen, die hat er wohl nicht so oft.



Er fragt uns, was wir von der Insel schon gesehen haben und wir erzählen von der Fahrt durch Papeno'o mit den kaputten Stoßdämpfern und von unserer Inselrundfahrt, die wir sehr informativ fanden. Was uns der Guide denn alles gezeigt hätte, fragt er uns, und als wir berichten, ist er ein bißchen entrüstet. Abgesehen von dem Ingwer und dem Rambutan, ob wir da keine der inseltypischen Früchte zu essen bekommen hätten und ob er mit uns nicht mal an einem typischen Verkaufsstand angehalten hätte, wo die Einheimischen ihre Mape und ihre Vi kaufen. Nie gehört, sagen wir. Na, sagt er, das geht ja gar nicht.

Unterwegs erzählt er uns all die Dinge, die die Reiseführer nicht erzählen. Drogen, sagt Loïc, sind ein Riesenproblem auf den Inseln, Heroin und auch Schlimmeres, wie Crack und Meth. Na, das kommt uns bekannt vor, die Entwicklung haben wir schon auf den Seychellen beobachtet und sehen müssen, wie Leute, die wir früher als fitte Typen kannten, bei späteren Reisen als ausgemergelte Gestalten herumliefen. Auf Tahiti findet der Drogenhandel vor allem über vorgetäuschte Obsthändler statt, erklärt er uns, solche Stände nennt man Déco Vente, Verkaufsstände, die nur zur Tarnung aufgebaut werden und an denen die Ware eigentlich eine andere ist. Natürlich gibt es an solchen Ständen auch Obst, das Deko-Obst eben, aber das tauge nichts, denn die Mühe, jeden Tag frisches oder selbst gezogenes hinzulegen, machten sich die Drogenhändler natürlich nicht. Man muß also wissen, welcher Stand ein echter ist und Loïc hat da die Verkäuferin seines Vertrauens.

Und die ist ein echtes Original, eine zahnlose Alte mit Zigarre im Mundwinkel. Loïc, der, wie er uns später erzählt, mit einer Tahitianerin verheiratet ist, spricht fließend Tahitianisch und bestellt für uns eine Tüte Mape, eine Eßkastanienart, die hier gedämpft zubereitet wird. Sie werden warm gegessen, haben eine mehlige Konsistenz und schmecken nussig, sehr lecker. So sehen sie aus:


Was wir außerdem essen müssen, ist eine Frucht, die er als Tahitianische Mango bezeichnet und Vi genannt wird. Die Früchte sind rund wie Äpfel, saftig wie Pfirsiche und faserig wie Mangos und schmecken sehr erfrischend.

Unterwegs teilen wir die Mape mit Loïc, sie sind köstlich. Nach einigen Kilometern erreichen wir den Kreisel von Taravaro. Hier überquert man den Isthmus, an dem das kleine Tahiti am großen hängt, und wenn man im Kreisel rechts rausfährt, ist man in einer anderen Welt. Tahiti Iti ist die kleine, fast unbekannte Schwester von Tahiti Nui und dennoch der Teil der Insel, in dem man sich vor fehlenden Fremsprachenkenntnissen am wenigsten fürchten muß, denn hierher kommen die meisten englischsprachigen Touristen, alles Surfer, die zumeist ihre festen Familien haben, bei denen sie während der Saison ab August immer wieder absteigen.

Weder der Ehemann noch ich selbst sind Surfer und daß ich diesen Teil der Insel noch lange vor dem großen Tahiti und allen anderen Teilen Französisch Polynesiens am besten kannte, hat eine kuriose Vorgeschichte, die schon 20 Jahre zurückliegt. Damals wohnten wir während eines Aufenthalts auf der Réunion bei einer kreolischen Familie, mein Onkel hatte dort, auf seiner Heimatinsel, für mehrere Monate ein Haus auf dem Grundstück der Familie gemietet. Die Eigentümer waren erst vor wenigen Jahren auf die Réunion zurückgekehrt, der Mann war ein ex Militär, der viele Jahre auf Tahiti stationiert war. Das gesamte Haus und auch mein Zimmer im Obergeschoß waren mit tahitianischen Erinnerungsstücken dekoriert und direkt neben meinem Bett hing eine große Landkarte, die morgens das erste war, was ich sah, wenn ich aufwachte. Kurzsichtig wie ich bin, war der einzige Teil der Karte, den ich ohne Brille erkennen konnte, der unten rechts mit Tahitit Iti, während Tahiti Nui sich weiter oben links befand und für mich nur verschwommen zu sehen war. Die Karte war natürlich eine französische und hier hieß die Halbinsel dann auch nicht Tahiti Iti, sondern Presqu'ile de Taiarapu, nach der größten Gemeinde hier. Unten an der Südküste Tahiti Itis, also quasi direkt vor meiner Nasenspitze, befand sich der Ort Teahupoo und ich konnte durchaus sehen, daß die Halbinsel keine vollständige Küstenstraße hatte, sondern diese genau hier, in Teahupoo endete.


Unsere Gastgeber, die ich danach fragte, lachten sich kaputt. Ob Tahiti schön sei? Kein bißchen, die Réunion sei ungleich schöner. Tahiti habe keine Strände, nur schwarzes Lavageröll, und sonst nur undurchdringliche Berge, das sei doch nichts, sie seien so froh, wieder zuhause zu sein. Ehrlich gesagt, befeuerte das meine Phantasie noch viel mehr. Und das eigentliche Geheimnis von Teahupoo kannte ich dabei noch nicht einmal.

Während ich also abends mit Teahupoo vor der Nase einschlief und morgens damit aufwachte, malte ich mir aus, wie das wohl dort sein würde, auf dieser Insel, die so ganz anders wirkte als das Klischeebild von Bora Bora. Das sah wild aus und ungezähmt und abenteuerlich und irgendwann, so beschloß ich, wollte ich da hin. Am liebsten irgendwo ans Ende der Straße.

Der Wunsch überdauerte die Jahre und so hatten wir jetzt auch kurzfristig auch in Erwägung gezogen, eines der Gästehäuser in der nur noch per Boot erreichbaren Wildnis zu buchen, von der aus man zu Fuß zu Wasserfällen im Wald hätte wandern können, bis uns dann eine andere Unterkunft so sehr ansprach, daß wir sie einfach nehmen mußten. Und nun sind wir sehr gespannt, ob sie hält, was sie verspricht.

Wir fahren eine steile Bergstraße hoch und erreichen auf einem Plateau unser Gästehaus.



In den Hang gebaut sind mehrere kleine Bungalows, die sich um zwei Pools gruppieren




in der Mitte das Restaurant und die Rezeption.



Das ist die Vanira Lodge.



Loïc kennt alle Gästehausbetreiber hier und quatscht mit der Rezeptionistin, während er unsere Koffer irgendwohin außerhalb unserer Sichtweite hinter eine Hecke schleppt. Als er sich verabschiedet, freuen wir uns jetzt schon auf die Rückfahrt, Loïc ist ein echter Hauptgewinn, eine Inselrundfahrt mit ihm wäre vermutlich das Highlight, niemand scheint sich hier besser auszukennen als er.

Beim Einchecken können wir uns schon kaum sattsehen, alle Unterkünfte sind aus Naturmaterialien gefertigt, alles sehr öko, sehr viel grün.



Vanira bedeutet Vanille auf Tahitianisch, die hier zwar nicht wächst, aber dafür alles andere, was man sich nur vorstellen kann. Die Lodge liegt hoch am Berg und der Ausblick ist grandios.



In der Ferne das Riff, dahinter die Küstenlinie von Tahiti Nui, es ist wunderschön.



Aber das Beste haben wir noch gar nicht gesehen, und das ist Haari.



Haari ist unser kleiner Bungalow, eine richtige Hobbithöhle, mit begrüntem Dach, von dem die Farne und Rankpflanzen wuchern.



Vor der Terrasse wachsen uns die Lychees direkt in den Mund



eine Hühnerschar flüchtet gackernd vor uns ins Unterholz, die Sperbertauben gurren und auf den Fliesen auf der Terrasse sonnen sich die Eidechsen. Und das ist alles nur für uns. Wir lieben Haari von der ersten Sekunde.



Wir richten uns häuslich ein und verstauen unseren Proviant. Neben den vielen Vi, die Loïc für uns gekauft hat, können wir die reifen Lychee direkt vom Baum pflücken. Dem Geschmack nach sind es auch Lychee und keine Rambutan, aber trotzdem, es ist wie im Paradies.



Abends essen wir im Restaurant, das von Nahe überwuchert ist.



Die Speisenauswahl ist nicht umfangreich, wie im Fare Suisse gibt es nur drei Gerichte, aber die haben es in sich. Ich wählen blaue Shrimps, hier vor Ort gezüchtet, und der Ehemann ein Sauté de Boeuf in Morchelsauce.



Nicht nur das Essen ist nobel, auch die Atmosphäre ist anders als im Fare Suisse, weniger hemdsärmlig, die Mitarbeiter haben eine professionelle Ausbildung in der Hotellerie, das merkt man. Es ist angenehm, aber wir mögen das unprofessionell-herzliche der Mädels im Fare Suisse lieber, bei dem nicht immer alles glatt ging auch mal etwas vergessen wurde.



Aber natürlich hat das hier Klasse und wir wußten es ja auch vorher. Aber der eigentliche Grund, weshalb wir die Vanira Lodge gewählt haben, ist die Natur. Und der Sonnenuntergang gibt dann auch alles, uns willkommen zu heißen.



Anders als in Papeete gibt es hier Moskitos und anders als in Papeno'o gibt es hier nächtliche Naturlaute, vor allem der Mynah Birds, die uns beim Abendessen schon Gesellschaft geleistet haben.



Man hört es Rascheln, Flöten, Piepsen. Wir liegen unter unserem Moskitonetz und lauschen in die Nacht.



Ich kann lange nicht einschlafen und denke darüber nach, ob der Ort halten wird, was ich mir seit bald 20 Jahren ausmale. Der Ehemann ist so fasziniert von der Vanira Lodge und ihren Pflanzen, daß er schon angekündigt hat, den ganzen Tag fotografieren und filmen zu wollen, aber ich werde morgen losfahren, bis zum Ende der Straße, wo die Welt zuende ist. Und wo man das findet, das Teahupoo so besonders macht und das sie hier "flüssiges Napalm" nennen.

Denn das ist das eigentliche Geheimnis von Teahupoo, eine der gefährlichsten Wellen der Welt.

Das Video von Rangitea im letzten Beitrag war mal die Erkennungsmusik von Air Tahiti und das Video zeigt dementsprechend gefällige Bilder vom Surferidyll Tahitis. Aber die Welle, die sie dort surfen, ist nicht die echte.

Die echte sieht so aus:

 

Ron242

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Wahnsinn:updown:(y).
Hab mir gerade Mall auf Google Earth angeschaut wo Ihr Euch "rumgetrieben" habt. Also weiter weg (abgelegener) geht wirklicht nicht:oops::)(y).
 

binebiene

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Hi,

ich reise seit gestern heimlich mit aber jetzt muss ich dich doch mal loben: du schreibst wirklich toll und es ich würde jetzt wahnsinnig gerne gleich meine Koffer packen.
 

Texelrita

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Mensch, also ich weiß nicht, ob ich besser aussteigen sollte.... was für Bilder sind das bitte? Dieses Riff und Küstenlinie von Tahiti Nui, das geht nicht besser und dann diese Unterkunft, ich bin schockverliebt und bildete mir im August ein, es wäre DER Urlaub auf Hawaii gewesen, alles lässt sich immer wieder steigern, total toll!
 
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