Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien im Sommer 2022

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Rückblickend bin ich in all den Tagen auf Motu Rani, wenn ich nicht gerade mit Laubfegen oder Mobiliar-Verschieben beschäftigt war, vor allem mit den Kameras herumgerannt und habe versucht, die vielen Motive entsprechend der Tageszeit und dem Lichteinfall in Szene zu setzen. Das hat gerade hier einen ungeheuren Einfluß auf die Erscheinung der Umgebung, denn auf der Insel selbst ist die Perspektive oft eng und verwinkelt und auch der Blick auf die Lagune wird durch Strukturen wie die der Hauptinsel oder Wolkengebilde beeinflußt. Will man also Fotos machen, hat man den ganzen Tag zu tun, es wird nie langweilig und die Zeit vergeht dabei wie im Flug.

Gleich morgens nach dem Erwachen geht man ein paar Schritte nach vorne zum Strand und sieht die Schatten der Palmen, die jetzt auf das flache, kristallklare Wasser fallen. Dieses Motiv mag ich besonders.









Nachmittags ist es besonders schön, wenn man dann mal keine Schatten haben will. Ungetrübter Blick auf die Lagune bei bestem Wetter.





Dasselbe Motiv am Abend.





Variationen des Wolkenbildes und Lagune mit Vordergrundmotiv.




 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Neun Tage auf einer einsamen Insel bei Sonnenschein und märchenhafter Umgebung, ohne einen einzigen Zwischenfall?

Nein, das wäre wohl zu schön gewesen, um wahr zu sein... ;) Am dritten Tag schon gibt es den vorhergesagten Tropensturm und nur weil er als nicht zerstörerisch angekündigt wurde, haben wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt auf Motu Rani absetzen lassen.

Am Nachmittag geht es los. Starker Wind schüttelt die Palmen und alle übrige Vegetation, es wird kühl, dann kalt und schließlich kommen die Regenschauer dazu, die das Unwetter perfekt machen. Wir packen unseren Kram zusammen, ziehen die Liegen und Stühle weit zurück in den Garten und kriegen es so gerade noch fertig, das Essen zuzubereiten und draußen (!) einzunehmen, bevor wir dann Deckung im Wohnhaus suchen. Anfangs noch unter dem Vordach, später dann hinter den Fenstern postiere ich mich mit der Videokamera und dokumentiere, wie sich die Bäume im Sturm krümmen. Zwischenzeitlich muß immer mal einer von uns die 15 Meter bis zum Küchenhaus laufen, um Wasser und Verpflegung zu holen. Es kommt vor, daß man zwar hin-, aber zunächst nicht mehr zurückkommt, weil es zu sehr schüttet.

Bis jetzt ist es ein eher spannendes Erlebnis, bedrohlich wirkt es nicht. Das ändert sich erst am späten Abend und in der Nacht, in der wir kaum ein Auge zumachen können. Der Sturm wird nun so heftig, daß wir uns wirklich Sorgen machen. Der Regenfall ist so laut, daß man zeitweise sein eigenes Wort nicht versteht und auch die windgeschüttelte Vegetation macht einen Höllenlärm. Das Dach vibriert und scheppert und kassiert permanent Schläge eines Palmwedels, an Schlaf ist nicht zu denken.

Irgendwie überstehen wir das alles bis zum nächsten Morgen. Der Sturm hat sich aufgelöst und ein erster Gang aus dem Haus dient natürlich der Bestandsaufnahme in unserem Garten. Der ist zum Glück nicht verwüstet, aber derart vollgemüllt mit Laub, abgerissenen Ästen und angeschwemmtem Seegras, daß wir wohl Stunden zu tun haben werden, um hier aufzuräumen. Dann wende ich mich dem Palmwedel zu, der hinter dem Haus über der Zisterne in der Nacht stundenlang auf's Dach geschlagen wurde. Ich habe keine Lust, demnächst bei stärkerem Wind vielleicht wieder wachgeklopft zu werden und auch um weitere Schäden am Dach zu vermeiden, beschließe ich, ihn abzuschlagen. Mit der Machete ist das keine große Sache. Drei Hiebe und er ist durch, allerdings fällt er dabei so unglücklich auf's Dach, daß er die angeschlagene Regenrinne gleich mitnimmt. Wedel und Rinne gehen also im Gleichschritt von Bord, die Rohrverbindung reißt auseinander und die ganzen Trümmer landen am Boden und auf den Tanks.

Das Desaster ist perfekt.

Sofort durchkämme ich den ganzen Garten. Odiles Mann hat hier überall Werkzeug und nützlichen Kram verteilt. Es gelingt mir, eine Leiter und Plastikschnur aufzugabeln und die Wasserversorgung des Badehauses notdürftig zu reparieren.





Am nächsten Tag kriegen wir Besuch von den beiden! Das war so verabredet und wir freuen uns auf das Fleisch, das sie uns mitbringen wollen. Sie erscheinen pünktlich und die Freude ist groß. Es gibt ein halbes Huhn, dazu Obst und ein paar andere Leckerlis. Ich schildere sofort, was in der Nacht passiert ist und Odile sagt, daß sie immer wieder über's Wasser geschaut habe, um zu sehen, ob Motu Rani noch an derselben Stelle steht... Ihr Mann hat natürlich gleich das richtige Werkzeug dabei und überprüft und korrigiert meine Bastelei am Dach, bis alles wieder perfekt sitzt.

Wir verabschieden uns herzlich und haben an diesem Abend ein besonderes Essen, das Suse ganz hervorragend zubereitet. Die folgenden Tage führen uns zurück in die selbstgewählte Einsamkeit und Ruhe, bei gutem Wetter und mit schönen Fotomotiven.
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Wie es ausgehen kann, wenn ein Sturm noch heftiger ist und eine gute Portion Pech dazukommt, sieht man an dieser Hütte, die etwa 10 Meter entfernt vom Wohnhaus so gerade noch steht und die frühere Gästeunterkunft war. Ein fetter Baum hat sie beim letzten starken Sturm getroffen. So mancher Besucher mag trotz Camping-Mentalität daran Anstoß nehmen, daß es in diesem Bereich immer noch etwas vermüllt aussieht, man muß sich aber bewußt machen, daß es unter den hier gegebenen Umständen wirklich schwierig ist, so etwas wieder wegzuräumen. Mit dem kleinen Boot der Familie geht das nicht, da muß man erst den Cousin bitten, mit dem großen Boot rauszufahren und mitanzufassen. Sowas zieht sich hin.

Ich finde jedenfalls, daß die zerstörte Hütte ein tolles Motiv ist.






 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Ein typischer Tag auf Motu Rani.

Ich zieh mir die Liege nach vorne und ruhe mich nach dem Schlafen erst mal etwas aus, während Suse das Frühstück zubereitet.





Heute ist es noch etwas trüb, aber bald kommt die Sonne hervor und brennt den Dunst weg. Ich bin zu faul, aufzustehen und mache mal ein Foto mit dem Handy direkt aus dem Liegestuhl.





Dann raffe ich mich auf und bau die Videokamera auf's Stativ. Das Wetter wird jetzt richtig schön.





An einer äußeren Ecke der Insel gibt es zwei Sitzgelegenheiten aus Palmstämmen. Hier verbringe ich viel Zeit und beobachte Eidechsen und Einsiedlerkrebse.





Bei Ebbe kann man hier bequem auf's Wasser rauslaufen und hat einen Blick auf das Ufer der Insel. Es ist später Nachmittag.









Jetzt finden sich auch zahlreiche Seegurken an den Ufern der Insel. Die meisten retten sich in kleine Gezeitentümpel, manche bleiben aber auch einfach cool im feuchten Sand liegen und warten dort die nächste Flut ab. Diese hier haben sich in eine Tridacna-Schale geflüchtet. Das war wiederholt zu beobachten, an mehreren Strandabschnitten bei Niedrigwasser.


 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Ein letzter Blick auf die Hauptinsel kurz vor Sonnenuntergang.





Dann mache ich mich auf den Weg zurück in's Dorf, wo Suse hoffentlich schon mit der Vorbereitung des Abendessens begonnen hat.





Nach dem Essen gehen wir nochmal gemeinsam nach vorne. Die Sonnenuntergänge haben hier etwas Unwirkliches und das Gefühl, die einzigen Menschen auf der Welt zu sein, erfaßt uns regelmäßig in diesen Momenten.


 

bens2613

FLI-Silver-Member
Registriert
14 Mai 2007
Beiträge
1.629
Ort
Schwäbisch Hall
Ist das schön. Weiss gar nicht richtig, was ich sagen soll. Wie im Film, im Buch, im Märchen...irgendwie so :lacry:
Schön, das es FLI gibt und ich das mitlesen kann.
Das mit der Katze beschäftigt mich sehr. Wie wird sie auf die Insel gekommen sein. Und was frisst sie denn, wenn niemand da ist, Inselfutter ala natur?
Hab ich es übersehen, gibt es ein Foto von der Inselkatze?

Danke fürs Berichten
Corinna
 

Sommarsverige

FLI-Gold-Member
Registriert
5 Apr. 2009
Beiträge
4.381
Ort
Hamburg
Diese Fotos sind absolut atemberaubend, da fehlen einem wirklich die Worte :love:

Wirklich ganz toll, was Ihr dort am anderen Ende der Welt erlebt habt und ich ertappe mich auch immer
wieder bei dem Gedanken, dass das schon sehr Nahe am Paradies sein muss.

Einfach traumhaft und vielen Dank, dass Ihr uns daran teilhaben lasst!
 

Densa

FLI-Silver-Member
Registriert
9 Jan. 2015
Beiträge
1.631
Ort
Apensen
wow was für Bilder. Habt ihr auch Bilder vom Sternenhimmel gemacht? Mich würde ja echt der Nachhimmel brennend interessieren. Leider sind solche Orte ohne Lichtverschmutzung extrem selten geworden.
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
675
Ort
Berlin
wow was für Bilder. Habt ihr auch Bilder vom Sternenhimmel gemacht? Mich würde ja echt der Nachhimmel brennend interessieren. Leider sind solche Orte ohne Lichtverschmutzung extrem selten geworden.
Nein, das ist nicht so einfach, wenn es gut aussehen soll, aber dazu schreibt der Ehemann sicher noch mal was.
 
OP
Suse65

Suse65

FLI-Bronze-Member
Registriert
20 März 2018
Beiträge
675
Ort
Berlin
Daß wir nicht die einzigen Menschen auf dem Planeten sind, wird uns dann wenige Tage später klar, als der Abreisetag naht, denn da kommt Terani mit seinen Töchtern und holt uns ab. Wir packen unsere Sachen zusammen, fegen Wohn- und Küchenhaus und nehmen Abschied von Babypurzeln, Falterfischen und überhaupt allem. Dann sehen wir schon das Boot kommen, und genau so, wie man sich bei der Anreise zuerst ein wenig verlassen fühlt wenn es abfährt, so empfinden wir es jetzt als ein Eindringen in unser persönliches Paradies.

Die jungen Frauen übernehmen den „Zimmerservice“, denn in der Pension warten schon zwei Gäste, die sich spontan entschlossen haben, eine Nacht auf dem Motu verbringen zu wollen. Es sind Ornithologen aus Tetiaroa. Na, die werden sicher ein bißchen enttäuscht sein.

Wir werden mitsamt unserem Koffer an Bord verfrachtet. Mehr haben wir jetzt auch nicht mehr als das, die Wasserkanister und Kartons mit Vorräten fehlen. Der Aufenthalt ist zuende.



Auf Raivavae wartet Odile auf uns, zur Begrüßung gibt es Bananecrepes mit Honig, soo lecker.

Odile leistet uns beim Essen Gesellschaft und fragt uns, wie es uns gefallen hat. Wir quellen über vor Begeisterung. Sie freut sich und vertraut uns ihre Zukunftspläne an. Gemeinsam mit ihrer Nichte Linda, die ebenfalls eine Pension auf Raivavae betreibt, hat sie ein Motu in der Nähe des Flughafens gekauft, Motu Mano. Es ist deutlich größer als Motu Rani. Vielleicht wird es in Zukunft hier eine weitere Insel zum Robinson spielen geben. Wir wären durchaus neugierig, auch dieses Motu kennenzulernen, aber es löst auch Befürchtungen aus. Auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen und man kann nur hoffen, daß sie behutsam vonstatten geht.

Eine weitere Nacht auf Raivavae ist nicht vorgesehen, wir fliegen heute direkt zurück nach Tahiti und Odile bringt uns früh zum Flughafen. Obwohl der Flughafen winzig ist, kommen uns die wenigen Leute, die bis jetzt hier sind, schon wie Menschenmassen vor. Und die ganzen Regeln und Vorschriften der Pandemie, alles wieder da.



Wir wollen zurück nach Motu Rani, aber das geht leider nicht. Jedenfalls nicht jetzt.

Wir verabschieden uns herzlich und sind uns sicher, daß wir uns wiedersehen. Bis zum Abflug ist noch Zeit, aber Odile legt uns den Souvenirshop ans Herz, der nur an den Flugtagen, an denen überhaupt Flugzeuge auf Raivavae landen, geöffnet ist. Wir vermuten, daß die relativ frühe Ankunft beabsichtigt war, um uns noch ausreichend Zeit zu geben, sich mit Souvenirs einzudecken. Falls das der Plan gewesen sein sollte – bei uns geht er voll auf. Wir entdecken einige wirklich schöne Stücke. Für mich einen Kühlschrankmagneten, und der Ehemann findet, was er die gesamte Reisezeit hindurch gesucht hat: Ein geschnitztes Auslegerkanu.



Als das Feuerwehrauto an der Landebahn positioniert wird, wissen wir, jetzt kommt die Maschine aus Tubuai und gleich geht es los.

Auf Wiedersehen Raivavae, auf wiedersehen Lagune. Kurz vor Motu Rani dreht das Flugzeug ab und es entschwindet aus unserem Blickfeld. Seufz.



Im Flugzeug ist dann richtig Australwinter. Das Gebläse ist so übel, daß der Ehemann die kleinen Werbeprospekte, die in den Taschen der Vordersitze stecken, in den Lüftungsschlitz steckt. Es dauert nicht lange und das halbe Flugzeug tut es ihm gleich. So ist es auszuhalten.



In der Hitze Tahitis angekommen, wünscht man sich die Kühlung direkt zurück. Es ist zufälligerweise Unabhängigkeitstag und die Straßen sind voller feierndern Menschen, selbst hier draußen in Paofai. Wir stehen im Stau, es ist heiß und drückend und wir sind müde. Unglaublich, der Kontrast. Erst heute Vormittag saßen wir noch allein auf einem Motu, und jetzt sind wir mitten in der Stadt.

Unsere Aufbewahrungskiste aus dem Tahiti pas Cher war nun inzwischen so lange hier, daß sie in der Abstellkammer ganz unten steht, begraben unter Koffer- und Taschenbergen anderer Reisender, die irgendwo in der Inselwelt unterwegs sind und ihre Sachen hier zwischengelagert haben. Es dauert ziemlich lange, bis wir sie herausgezerrt haben, und dann heißt es Koffer neu packen. Mit all den Souvenirs ist das gar nicht so einfach.

Unser letzter Abend. Der Sonnenuntergang hinter Moorea bekommt eine allerletzte Chance – und nutzt sie nicht. Es ist wieder bewölkt. Wetten, daß zwischendurch jeden Abend wolkenloser Himmel war, so wie wir in von Tahiti Iti und von Moorea selbst aus gesehen haben. Es soll nicht sein.
Zum Trost gibt es eine anständige Pizza mit Blauschimmelkäse in der Pizzeria am Boulevard der Königin Pomare und dann geht es ein letztes Mal zu Fuß durch Paofai den Berg hinauf zum Fare Suisse.

Tschüs Champignon!



Tschüs kleine Rostlaube!



Der Flug geht um Mitternacht, aber da unser Reiseveranstalter so schlau war, uns für den letzten Tag ein Tageszimmer zu buchen, dürfen wir uns bis zur Abfahrt dort aufhalten. Ich dusche ausgiebig, es ist unglaublich, wie sehr die Geruchsnerven nach dem langen Inselaufenthalt von den künstlichen Aromastoffen entwöhnt sind, das Duschgel ist mir fast schon zu intensiv. Aber endlich mal wieder richtig heiß duschen ist wirklich ein Luxus, genau eines der Dinge, die man nach so einem Aufenthalt erst wieder richtig zu schätzen weiß.

Um Mitternacht bringt uns eine der Fare Suisse-Mitarbeiterinnen zum Flughafen. Zum Abschied wird dem Ehemann noch die Sonderbehandlung der vier S zuteil. Während ich die Stichprobenfilzung des Handgepäcks in der Vergangenheit schon durch einen furchteinflößenden Customs-Mitarbeiter in den USA über mich entgehen lassen mußte, ist es hier eine bildschöne Polynesierin mit einem strahlenden Lächeln und ausgesuchter Höflichkeit. Ich glaube, der Ehemann hätte beim nächsten Polynesienbesuch jetzt immer gern die vier S.

Der Flug verläuft ruhig und unauffällig. Ich mache die Probe aufs Exempel und schaue mir den selben Krimi über den Mord in Teahupo'o wie auf dem Hinflug an. Und siehe da, diesmal verstehe ich fast jedes Wort. Erstaunlich, nachdem ich viele Jahre lang glaubte, im Französischen keine merklichen Fortschritte mehr zu machen, waren die letzten zwei Monate nochmal ein richtiger Booster.

LA International Airport. Wir haben Türkis gegen Smoggrau getauscht.



In Los Angeles haben wir einen ukrainischen Taxifahrer, dem kleine Boxhandschuhe mit Autogrammen von den Klitschkos vom Rückspiegel baumeln. Gemeinsam mit dem Latino vom letzten Mal hat er aber die schlechte Laune, als er unser Zieladresse hört. Als ich ihm bei der Ankunft in der Travelodge 20 Dollar in die Hand drücke, reicht das nicht. Die Minimum Fare ist während der letzten zwei Monate von 18 auf 21 Dollar angehoben worden. Krass.



In der Travelodge fühlen wir uns wohl wie beim ersten Mal. Der Fernseher läuft und wir gehen abwechselnd zur Circle K und zum Chick-fil-A über den Pacific Coast Highway und sammeln Kräfte vor der langen Heimreise. Wir finden es toll hier.



Und die brauchen wir auch, denn morgen ist der 3. Juli und angesichts des bevorstehenden Feiertags ist am Flughafen die Hölle los. Jede Menge US-Amerikaner, die mit uns nach Europa fliegen wollen. Wir stehen eine Ewigkeit lang in der Schlange, es geht nicht voran. Vorbei das Leben in Flipflops, willkommen Maskenpflicht. Es geht zurück nach Deutschland.



Wenn es nach Lufthansa ginge, allerdings erst morgen. Die Maschine ist offenbar derartig überbucht, daß man uns sage und schreibe 800 Dollar pro Person anbietet, wenn wir auf den Folgetag umbuchen. Das Angebot bezieht sich aber lediglich auf den Langstreckenflug, ob wir danach dann Anschlußflüge ab Frankfurt bekommen, kann uns niemand versprechen. Der Ehemann ist enttäuscht, daß ich da Angebot nicht annehmen will. Das unfaßbare Flugchaos im letzten Sommer, einige der Reiseberichte, die ich während dieser Zeit hier im Forum gelesen habe, von Usern, die mit ihren Nerven am Ende eine mehrtägige Heimreiseodyssee hinter sich haben, läßt mich davor zurückschrecken. Immerhin muß ich in ein paar Tagen wieder arbeiten und kann nicht noch tagelang in überbuchten Zügen durch Deutschland irren und anschließend meine Koffer suchen. Eine Unterkunft in Los Angeles haben wir jetzt, so kurz vor dem Feiertag auch nicht mehr. In die Travelodge können wir nicht zurück, die ist, wie fast alles andere in der Umgebung, ausgebucht.

Trotzdem wird die Rückreise noch zum Nervenkrieg, denn aufgrund hoher Verspätung verpassen wir um Haaresbreite unseren Anschlußflug nach Berlin. Weitere Flüge wären an diesem Tag nicht zu bekommen, daher werden wir am Gate schon von einem Shuttlebus erwartet, der uns in halsbrecherischem Tempo zu einer nur für uns geöffneten Paßkontrollstelle fährt. Das Flugzeug wartet nur auf uns und vier andere aus unserer Maschine, die auch nach Berlin wollen.

Als wir in Berlin landen, der spannende Moment, der im Sommer 2022 jeden Flugreisenden bewegt: Ist mein Koffer in der selben Stadt wie ich?
Wir haben Glück, sie sind da, aber nach drei Monaten und unzähligen Malen des Herumgeworfenwerdens mit einem glatten Achsbruch. Es wird ihre letzte Flugreise gewesen sein.



Unsere ganz sicher nicht, auch wenn wir eine Reise in dieser Form sicher in den nächsten Jahren kein zweites Mal wiederholen werden.

Drei Monate Sabbatical. Eine once in a lifetime-Erfahrung, die besonders zu Pandemiezeiten ihre Tücken hatte. Mein Arbeitgeber, eine Bundesbehörde, bietet diesbezüglich verschiedene Modelle an, die von mir gewählte Variante war eine Ansparphase von 24 Monaten Vollzeittätigkeit bei 89 % Gehalt und im Anschluß drei Monate Freistellung bei Fortzahlung der 89 % Gehalt.

Also keine Notwendigkeit, irgendetwas zu kündigen oder die Wohnung unterzuvermieten, keine Eigenfinanzierung der Krankenversicherung, alles Dinge, die für uns auf keinen Fall in Frage gekommen wären. Trotzdem ist auch der Verzicht auf 11 % Gehalt bei gleichzeitigem Wunsch, so viel wie möglich für die Reise zu sparen, eine Herausforderung.

Trotzdem möchte ich keine Sekunde der Reise missen. Aber bis zur Rente werden wir das nicht wiederholen. Danach vielleicht schon, wer weiß, Reisewünsche, die eine solche Dauer ungefähr abdecken würden, hätte ich durchaus.

Nun fragen sich vielleicht manche, na, wieviel hat es denn nun gekostet und wie habt ihr das organisiert. Uns ist es schwer gefallen, adäquate Informationen zu finden, wenn man einfach als „Normalreisende“ unterwegs sein will.

Erfahrungsberichte von anderen Langzeitreisenden kann man nach meinem Eindruck in zwei Kategorien unterteilen: Die Luxusreisenden, die, vielleicht gerade frisch in die Rente eingetreten, sich jetzt richtig was gönnen und monatelang mit dem eigenen Segelboot herumziehen oder von einem Stelzenbungalow auf Bora Bora in den Strandbungalow mit eigenem Butler auf Tetiaroa umziehen. War für uns überhaupt nicht hilfreich, die Reisekosten einzuschätzen.

Oder zum anderen die Backpacker, die – bevorzugt in Asien – zum günstigstmöglichen Budget unterwegs sind und sich darin gefallen, sich gegenseitig zu unterbieten, wer denn nun wo am billigsten untergekommen ist. War für uns genausowenig hilfreich.

Wir hatten eine Mischung aus einfacheren Unterkünften und einigen hochpreisigeren, wobei die teureren die 300 Euro pro Nacht nicht überschritten haben. Ich glaube, die teuerste Unterkunft war die Vanira Lodge mit knapp 280 Euro für den Haari inklusive Frühstück.

Einige Unterkünfte haben unter 100 Euro pro Nacht gekostet, wie das Motu Iti zum Beispiel. Da Französisch Polynesien während der Pandemie zeitweise das einzige Land war, das seine Grenzen für Touristen geöffnet hatte, hat es hier einen Tourismusboom gegeben und die Preise haben seit 2021, dem Jahr, in dem wir gebucht haben, erheblich angezogen. Von daher sind unsere Preisangaben nicht mehr ganz repräsentativ, aber helfen vielleicht einzuschätzen, daß Französisch Polynesien nicht ausschließlich für die ganz Gutbetuchten ist.

Mir persönlich haben einige der günstigeren Unterkünfte sogar am besten gefallen. Das Motu Iti fand ich persönlich als Gesamtpaket unschlagbar.

Auch der Französischen Sprache muß man nicht zwingend mächtig sein. Auf Tahiti und den Tuamotus sprechen die Menschen, die im Tourismus arbeiten, nach unserem Eindruck inzwischen alle Englisch. Wie bei vielen französischen Muttersprachlern, wozu man die Polynesier hier ja zählen muß, ist es manchmal besser, manchmal schlechter verständlich.

Je weiter man sich von Tahiti selbst entfernt, desto schwieriger wird es allerdings. Ich glaube, auf den Marquesas und Raivavae sprachen deutlich weniger Menschen Englisch, aber da muß man ja nicht zwingend hin, es gibt auch auf den Gesellschaftsinseln genug zu sehen. Also los, traut Euch, es ist ein ganz wunderbares Land, das sich kennenzulernen lohnt.

Insgesamt waren wir drei Monate unterwegs, ein Monat Florida und zwei Monate Französisch Polynesien. Die Reise haben wir von Anfang an selbst organisiert, d.h. alle Unterkünfte selbst recherchiert und zum Teil auch vorab selbst angefragt. Gebucht haben wir den von uns zusammengestellten Reiseverlauf dann aber über einen Veranstalter, Pacific Travel House, bei denen wir auch schon in der Vergangenheit immer phantastisch betreut wurden.

Wir hatten für die Reise inklusive Isolationszeit vorher und Jet-Lag-Ausschlafzeit danach knapp vier Monate Zeit und ein Budget von 30.000 Euro. Wir sind mit beidem gut ausgekommen.

Im Hier und Jetzt sind wir immer noch nicht ganz angekommen, was auch damit zu tun hat, daß wir im September letzten Jahres dann gleich wieder nach New York gereist sind.

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, mich für den Moment „sattgereist“ zu haben. Wir beide merken, daß wir die Reise immer noch verarbeiten. Manche Eindrücke kommen in Flashbacks zurück, besonders die Zeit auf Motu Rani. Manche Orte, an denen wir waren, erscheinen während eines tristen Berliner Winters geradezu unwirklich. Auch während des Schreibens des Reiseberichtes kamen mir manche Erlebnisse geradezu unglaublich vor.

Wir hoffen, Ihr hattet Spaß beim Lesen und freuen uns über die zahlreichen netten Kommentare und die Anteilnahme.

Für uns ist ganz sicher, daß wir, wenn die Reisegötter uns lassen, wieder nach Französisch Polynesien reisen wollen.

Wenn alles läuft wie geplant und keine Streiks oder anderen unvorhergesehenen Dinge eintreten, sitzen wir heute in einer Woche schon im Gatorland in Orlando. Wenn es nicht langweilt, werden wir wieder berichten.
 

Sabine B.

FLI-Gold-Member
Registriert
13 Apr. 2015
Beiträge
2.551
Ort
Cuxhaven
Euch beiden herzlichen Dank fürs Mitnehmen und die unfassbar vielen Eindrücke❤️. Und auch für das abschließende Fazit, was eine Einschätzung der eigenen Möglichkeiten erlaubt.
Und Eure Berichte langweilen?😳 Was für eine völlig abstruse Idee - ich freue mich sehr auf Florida mit Euch😍
Aber diesen Bericht hier habe ich gewiss nicht zum letzten Mal gelesen. ❤️😀
 

shorty1960

FLI-Gold-Member
Registriert
25 Aug. 2013
Beiträge
2.549
Ort
Mittelfranken
Ich kann nur DANKE und WOW sagen für diesen einmaligen Reisebericht…ich werde nie in diese Ecke der Welt kommen, umso schöner ist es, dass ihr mir sie so nahe gebracht habt…
es sind unfassbar schöne Bilder, ich hätte nie gedacht dass es diese Traumstrände wirklich gibt
 

gumpi67

FLI-Gold-Member
Registriert
12 Aug. 2008
Beiträge
2.549
Ort
südlich von Wien
Vielen herzlichen Dank, dass ihr uns auf diese wirklich einmalige Reise mitgenommen haben. Jedes einzelne eurer Fotos eignet sich für die Verwendung als Fototapete - mir würden hier die Wände ausgehen.

Ich habe keine Ahnung, ob ich in diesem Leben jemals in diesen von Europa so weit entfernten Teil der Welt kommen werde, da für mich die Möglichkeit eines Sabbaticals wohl nur auf dem Papier besteht. Bis zum Ruhestand habe ich noch etwas mehr als 12 Jahre zu arbeiten. Hoffentlich sind mein Mann und ich zu dem Zeitpunkt noch fit genug, um ein wenig durch die Welt zu reisen....
 

Cawu

FLI-Gold-Member
Registriert
8 Okt. 2013
Beiträge
3.627
Ort
Schwarzwald
Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen!
Richtig großes Kino habt ihr uns da geboten. Die Schönheit Französisch Polynesiens ist unbeschreiblich und faszinierend.
Vielen Dank für diese sensationellen Eindrücke und den großartigen Bericht!!! 💞🌸
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Das mit der Katze beschäftigt mich sehr. Wie wird sie auf die Insel gekommen sein. Und was frisst sie denn, wenn niemand da ist, Inselfutter ala natur?
Hab ich es übersehen, gibt es ein Foto von der Inselkatze?
Es ist denkbar, daß die Katze in Phasen extremen Niedrigwassers von anderen Inseln, auf denen sie vielleicht ausgesetzt wurde, hierher kam, ohne sich dabei besonders nass gemacht zu haben. Am wahrscheinlichsten aber ist, daß sie von irgendeinem Boot, das hier mal angelandet ist und nicht der Familie gehört, geflohen ist und seitdem unentdeckt hier lebt.

Der Nahrungserwerb ist dabei für die Katze kein Problem, aber für die Insel sehr wohl und vielleicht war sie ja auch der Grund dafür, daß es hier kaum noch Vögel und Krebse gab. Katzen können in dieser Hinsicht einen Riesenschaden am ökologischen Gleichgewicht solch kleiner Biotope anrichten. Ansonsten hat sie bis jetzt noch eine große Auswahl an Muscheln, Schnecken und Fisch. Vielleicht frißt sie sogar Seegurken, die hier ja sehr häufig waren. Am schwierigsten dürfte für sie aber der Wassererwerb sein. Süßwasser gibt es überhaupt gar nicht, da ist sie auf temporär vorhandene Regenpfützen angewiesen und von den gelegentlich dort absteigenden Gästen wird sie sicher auch verpflegt.

Wir wissen nun nicht, wie lange sie da schon lebt, aber sie war mittleren Alters und keineswegs abgemagert. Ein Foto haben wir leider nicht.
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Habt ihr auch Bilder vom Sternenhimmel gemacht?
Leider nein.

Ich hab einerseits kein so großes Interesse daran, mir reicht in diesem Fall der schöne Anblick/Augenblick. Andererseits hatten wir ja keine entsprechenden Freiflächen auf der kleinen, vegetationsreichen Insel. Man hätte für ein richtig gutes Bild mit Langzeitbelichtung bei Dunkelheit und gleichzeitiger Ebbe ggf. mit Stativ auf's Wasser rauslaufen müssen...

In diesem Kontext will ich aber kurz ein Erlebnis erwähnen, daß wir drei Jahre zuvor auf der tonganischen Insel hatten. Wir sind am späteren Abend aus dem Wald, in dem die Hütte stand, bei glasklarem Himmel und Vollmond nochmal zum Strand rausgelaufen und was wir da sahen, hatte ich so im Leben noch nicht gehabt. Nicht nur, daß der Himmel mehr Sterne als Schwarz zu haben schien, der Mond leuchtete dermaßen stark, daß man wirklich scharf umrissene Schatten in den Sand warf und dabei ein Buch problemlos ohne Lampe hätte lesen können. Es war tatsächlich so hell wie an einem verregneten Nachmittag unter grauer Wolkendecke. Für mich völlig unfaßbar.

Ein Foto haben wir davon aber auch nicht gemacht und das ärgert mich im Nachhinein schon ein bißchen. ;)
 

Ehemann

FLI-Member
Registriert
7 Aug. 2018
Beiträge
143
Einfach traumhaft und vielen Dank, dass Ihr uns daran teilhaben lasst!
Einfach fantastisch!!!
Euch beiden herzlichen Dank fürs Mitnehmen und die unfassbar vielen Eindrücke❤️.
Ich kann nur DANKE und WOW sagen
Vielen herzlichen Dank, dass ihr uns auf diese wirklich einmalige Reise mitgenommen haben.
Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen!

Euch allen und auch den anderen, die uns hier begleitet haben, gilt ebenso unser Dank für Eure tolle Beteiligung! :)

So haben wir unsere Erlebnisse für uns selbst ja auch nochmal aufarbeiten können und gleichzeitig etwas Werbung für ein alternatives Reiseziel gemacht, das so viele bekannte Dimensionen sprengt. Und das auf einer Plattform, die ja nicht primär die Südsee zum Thema hat. Uns alle verbindet vor allem Florida und wir freuen uns sehr, daß wir in ein paar Tagen wieder dorthin fliegen können. Mögliche Themen eines weiteren Reiseberichts werden wieder dieselben sein: Sümpfe, Alligatoren und zwei bekloppte Hobbyforscher mit ihren Kameras. Dazu sicher auch die kulturelle Komponente, für die in erster Linie Suse zuständig ist.

Ich hab mir diesmal ein Sportcoupé von Alamo gegönnt. Mit etwas Glück wird es ein Dodge Challenger, mein Lieblingsauto unter den Ami-Schlitten. Das verrückte Hin und Her mit den Mietwagenpreisen hat es möglich gemacht, das Teil war zeitweise deutlich billiger als die Kleinwagen, bei denen wir uns letztes Jahr bedienen mußten. Bis vor ein paar Tagen war das billigste Auto sogar der Dodge Ram, wie bekloppt ist das denn?

Wir freuen uns und verabschieden uns bis dahin mit lieben Grüßen! 🐊🐢🚘
 

Pemimae

FLI-Gold-Member
Registriert
13 März 2013
Beiträge
2.993
Boah, ich bin immer noch total geflasht von Eurem Bericht. Wir haben ja auch schon viele schöne Stellen auf dieser Welt (auch in der Südsee) gesehen, und Euer Bericht und die fantastischen Fotos bescherten mir sowohl schöne Erinnerungen als auch eine große Sehnsucht.

Jetzt freue ich mich auf den Bericht aus Florida, genießt den Trip auf gewohnten Pfaden.
 
Oben