Gators, Goethe and the Grove - Florida im April 2022

Sabine B.

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Da wir ja nun beide nacheinander Corona hatten, und zwar ordentlich mit Symptomen, und anschließend sich alles arbeitstechnisch Aufgestaute um uns türmt, schaff ich aktuell nicht mehr als ab und zu mal einen kleinen Beitrag, ich hoffe, das ändert sich in den nächsten Tagen. 👏
Gute Besserung ❤️‍🩹
Meinen Mann und mich hat es auch grad übel erwischt 🦠
 
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Suse65

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Im wahren Leben hatten wir die letzten Wochen ziemlich viel um die Ohren, im Reisebericht dagegen sitzen wir nun schon wochenlang untätig vor unserem Motelzimmer. Das darf sich jetzt gern langsam wieder umkehren. ;)


Am nächsten Tag gehen wir erstmal richtig einkaufen. Das Osterwochenende steht vor der Tür und wir sind zum ersten Mal zu dieser Zeit in Florida und haben keine Ahnung, ob sich das irgendwie auf die Öffnungszeiten der Geschäfte auswirken und wie voll eventuell das Motel werden wird. Das Wetter verbreitet Gewitterstimmung, aber noch hält es sich.

Bei der gestrigen kurzen Shoppingtour fürs Abendessen war keine Zeit, einen Blick auf die Stadt zu werfen. Heute sehen wir im Vorbeifahren einiges Vertrautes und einige Veränderungen, auch solche, die wir erwartet oder sogar erhofft hatten. Am Alligatorlake alles wie immer, neben den Campingtischen steht Chief Alligator in Bronze und schaut würdevoll über den Damm, der den See fast in zwei Hälften teilt.



An der Bootsrampe lassen einige Angler ihre Boote zu Wasser, sonst ist hier niemand. Wir vertreten uns ein bißchen die Beine und laufen den Damm ein Stück ab und sehen auf Anhieb drei kleine Alligatoren im Wasser und auch eine Schildkröte auf einem Baumstamm. Die Tiere hier sind nicht an Besucher gewöhnt und sehr scheu, die Schildkröte ist dann auch sofort verschwunden.



Anschließend machen wir einen Großeinkauf. In Lake City, das man wohl guten Gewissens als strukturschwache Gegend bezeichnen darf und wo die Einkommen der Menschen nicht hoch sein dürften, ist die Konzentration an Dollarläden enorm. Der Ehemann ist im Paradies. Wir klappern nacheinander Family Dollar, Dollar Tree und den General ab. Der Kofferraum füllt sich mit grauen Plastiktüten voller Getränke und Sachen, die er nützlich findet und die in Europa lange ausgesorgt haben.

Im Walmart ist es gar nicht so leicht einen freien Einkaufswagen zu bekommen, alle kaufen fürs Osterwochenende ein. Wir kaufen jede Menge Grillkrams und finden - schon so mit Ausblick auf die kommenden Wochen - eine leckere Polynesian Sauce von Chick-fil-a. Chick-fil-a werden wir auf dieser Reise noch lieben lernen und mit der Soße fangen wir direkt mal an.

Fleisch kauft sich am besten bei Aldi, das war auch schon auf der letzten Reise so, daran hat sich nichts geändert. Vor dem Laden hat sich inzwischen ein kommunikativer Tauschhandel mit den Wagen entwickelt, die aus irgendeinem Grund ohne Pfandquarter auf dem Parkplatz herumschwirren. Die Leute sind sehr hilfsbereit und laufen einem teilweise mit einem freilaufenden Wagen den halben Parkplatz hinterher um einen vor der unnützen Verwendung eines Vierteldollars zu bewahren.



Mit allem versorgt was wir brauchen, geht es zurück ins Motel. Noch sind wir - bis auf die zwei belegten Zimmer ganz am Ende des Motels - allein.



Der Ehemann zieht nochmal los auf Shoppingtour durch die Dollarläden. Ich nutze schnell den Pool, Gewitter sind vorhergesagt, was auch wahrscheinlich zutreffend ist, da es sehr heiß ist und sich am Horizont schon Wolkentürme zu bilden beginnen.

Der Pool ganz für mich allein ist mein persönliches Paradies. Solange keine anderen Mitschwimmer im Wasser sind, hänge ich immer die Trennleine zwischen Nichtschwimmer und tiefem Becken aus und schwimme ganze Bahnen, bis ich müde werde. Das Wasser ist frisch und fast ungechlort, alles Wasser hier kommt ja aus dem Aquifer und ist quellfrisch. Auffällig ist, daß ich auch nach über einer Stunde nie schrumplige Fingerkuppen habe.

Pool und Grillpavillon:



Das einzige, das unser Urlaubsglück ein klein wenig trübt, ist das schwache W-LAN. Mein Uralt-Handy hat im Zimmer prima Empfang, aber der Ehemann, mit seinem funkelnigelnagelneuen Samsung, hat keinen einzigen Strich. Wir versuchen es mit Tethering, das klappt auf Dauer aber auch nicht, so daß er gezwungen ist, seine Internetsitzungen vorn an der Rezeption abzuhalten. Was er zunächst widerwillig tut, entwickelt sich im Laufe der Reise zu einer angenehmen Gewohnheit, dank Amber, der Rezeptionistin, von der wir auf den sich dabei entwickelnden Unterhaltungen einen aktuellen Einblick in das Leben hier in Lake City und die Arbeit im Motel bekommen werden. "Ich geh mal zu Amber" wird auch im weiteren Verlauf der Reise überall dort, wo W-LAN nur an bestimmten Stellen zu haben ist, zum geflügelten Wort, auch, als wir schon lange nicht mehr in Florida sind.

Abends grillen wir und eine der beiden Bewohnerinnen am Ende des Flurs kommt, angeblich angelockt vom Duft des Grillguts, mit ihrem Hund aus dem Zimmer.



Die Frau ist so eine platinblonde Southern Belle, aber mehr so in der Hillbillyvariante, die Stimme klingt nach vielen Jahrzehnten voller Zigaretten und Whiskys und ich mag sie auf Anhieb. Ihre Besuche bei unserern Grillabenden werden zur Gewohnheit, immer führt sie ihren Hund am Grillpavillon vorbei, sobald das Fleisch zu brutzeln beginnt, und jedesmal fragt sie, ob wir vielleicht zuviel gebraten hätten, das röche ja köstlich, sie käme jetzt gleich mit Geschirr zurück. Sie macht aber nur Spaß, als wir ihr dann eines Tages wirklich etwas anbieten, lehnt sie das lachend ab.

Welche Geschichte dahinter steckt, daß sie in einem ansonsten vollständig leeren Motel Tür an Tür mit einer anderen Frau wohnt, wissen wir nicht. Wir gehen natürlich davon aus, daß die beiden Freundinnen sind, bis es zum ersten ernsthaften Streit zwischen ihnen kommt, der so eskaliert, daß auch wir, wie wir da wie Waldorf und Statler in ihrer Loge auf unseren Klappstühlen vorm Zimmer sitzend, einbezogen werden. Ob wir gehört hätten, daß die andere sie das B-Wort genannt hätte, wir sollen das vor Amber bezeugen, verlangt unsere Grillfreundin von uns. Wir haben nichts gehört, aber nachdem Amber genervt mit den Augen rollend anrückt und ein Machtwort spricht, ist Ruhe. Am nächsten Tag ist die andere Frau ausgezogen.

Dafür sind am nächsten Morgen jede Menge neue Leute da, wir haben richtig geahnt. Es ist Karfreitag und man merkt den Reiseverkehr zu Ostern. Karfreitag scheint hier kein Holiday zu sein, es ist also nicht davon auszugehen, daß irgendwelche Freizeiteinrichtungen wie State Parks oder Quellen besonders überlaufen sein könnten. Wir müssen aber trotzdem nicht lange überlegen, wo wir heute hin wollen, eigentlich zieht es uns beide zuerst an den gleichen Ort: White Springs.

Das kleine White Springs, eine Gemeinde am Suwannee, ungefähr eine halbe Stunde nördlich von Lake City, war auf der letzten Reise sowas wie ein Zufallsfund. Eigentlich wollten wir ja nur in das Stephen Foster Culture Center, das dem bekannten Komponisten gewidmet ist, der viele Stücke geschrieben hat, die man heute unter anderem Titel kennt und bei denen oft gar nicht mehr bekannt ist, daß sie ihren Ursprung hier in Florida haben, wie Camptown Races oder Oh Susanna.


Sein bekanntestes Stück, zumindest in den USA, ist aber wohl das über den Suwannee selbst, Old Folks at Home, das seinen Bekanntheitsgrad vor allem dem Musical "Mississippi" verdankt:


Der eigentliche Ort gefiel uns dann aber so gut, daß der Park darüber fast in den Hintergrund trat, nicht nur, weil White Springs mit seinen Holzvillen, seinen verlassenen Hotels und seiner historischen Badeanstalt am Flußufer so zauberhaft schön war, sondern vor allem wegen der netten Bekanntschaft mit einem pensionierten Geschichtsprofessor der Universität Gainesville, mit dem wir dort nach einer Spontaneinladung einen netten Nachmittag vor seinem Haus verbrachten. Wir haben oft an ihn gedacht, den älteren Herrn, der, bereits an eine Sauerstoffflasche angeschlossen, kettenrauchend auf seiner mit Farnen behängten Veranda saß und uns ansprach, als wir staunend durch seine Straße zogen. Er hatte ganz eindeutig genauso viel Spaß daran, uns an seinem profunden Wissen teilhaben zu lassen, wie wir daran hatten, ihm zuzuhören.

Natürlich sind Folgebesuche nie so beeindruckend wie beim ersten Mal, als wir von dem kleinen verwunschenen Ort, in dem die Zeit still zu stehen schien, ganz hingerissen waren. Auch jetzt ist es immer noch idyllisch, die kleinen Seitenstraßen, in denen das Spanish Moss von den Stromleitungen hängt. An den Wänden der Veranden hängen Quilts, White Springs gehört zum Florida Quilt Trail.
Auf einer Veranda ein altes Piano, kein Mensch auf der Straße. Hier leben sie das Porch Life, wie die Südstaatler sagen.



Das Outdoor Café, das beim letzten Mal schon etwas heruntergekommen aussah, ist inzwischen mit rotweißem Absperrband gesichert, die Wandmalereien von Zypressen und Sümpfen sind verblasst. Hinter der Glastür schaut eine Katze heraus.

Da der Ehemann angekündigt hat, mich während des Florida-Aufenthalts wie immer einmal groß zum Essen ausführen zu wollen, nehmen wir im Vorbeifahren das Fat Belly's in Augenschein, das einzige Restaurant in White Springs. Früher sind wir zu diesem Zweck meist gen Süden nach High Springs gefahren ins "Great Outdoors" oder zum Chinabuffet in Lake City, wegen der Crablegs und dieses unfaßbaren General Tso's Chicken, das es ja irgendwie nur in den USA zu geben scheint. Die Chinabuffets haben jedoch pandemiebedingt immer noch nur Takeout anzubieten und so suchen wir für diesmal eine Alternative. Das Fat Belly's wirbt mit homegrown Food, Southern Style, vielleicht kommen wir darauf zurück.

Das verlassene Telford-Hotel, einstmals eine Ikone des frühen Florida-Tourismus vor Micky & Co. , steht verlassen da, sieht aber unverändert gut und intakt aus. Angeblich gibt es Pläne, hier zumindest das Restaurant wieder zu eröffnen, aber ich glaube, das wird noch dauern.



In der Nähe das Haus unseres Geschichtslehrers, die Veranda leer geräumt, keine Raucherutensilien, kein überquellender Aschenbecher, kein Sauerstoffgerät, kein Auto vor der Tür. Vielleicht sind sie über Ostern nur verreist, aber wir befürchten natürlich etwas anderes. Wir drücken uns eine Weile vor dem Haus herum, fotografieren das Telford, dann fahren wir weiter. Vielleicht hätten wir klingeln sollen, aber irgendwas hält uns zurück. Vielleicht wollen wir unbewußt einfach keine Gewißheit haben.



In Adam's Country Store gleich um die Ecke hat die Zeit seit unserem letzten Besuch ganz sicher nicht stillgestanden. Die aufgemalten Barn Quilts auf der Seite sind inzwischen fast zur Unkenntlichkeit verblaßt, die malt offenbar niemand mehr nach.

Schaukelstuhl vor der Veranda, so gemütlich sah es vor vier Jahren noch aus:



Daß sich in dem 150 Jahre alten Gebäude kein Thrift Shop mehr befindet, merkt man schon von weitem, es riecht beißend nach Kunstdünger und an der Tür hängt Werbung für bullig aussehende Masthähnchenküken. Ein Landhandel ist hier eingezogen. Ich gehe trotzdem mal hinein und schaue mich um, die Verkäuferin fragt mich dann auch direkt, was ich suche, und ich frage, was aus dem Antique Shop geworden ist. Schon lange weg, sagt sie, ob sie woanders neu eröffnet haben, weiß sie nicht. Ich wage das aber zu bezweifeln, die Betreiber waren schon alte Leute.
Nun komme ich also weder zu meiner Postkarte von Aunt Aggies Boneyard in Lake City, noch zu einer von Queenie, die die selbe gruselige Einrichtung hier in White Springs betrieb, die Gelegenheiten, eine davon zu kaufen, habe ich endgültig verpaßt. Die Knochengärten waren früher so etwas wie die makaberen Freizeitparks hier in der Gegend, in der die weißen Besucher es beim Herumspazieren zwischen den an Voodoo-Rituale erinnernden Knochengebilden schön schaudern konnte.


Naja, eigentlich haben die Boneyards, die ja aus Tierknochen bestanden, für mich inzwischen auch erheblich an Gruselfaktor eingebüßt. Ich habe seit der letzten Reise nämlich American Boogeyman gesehen und zu meinem Entsetzen dabei gelernt, daß Ted Bundy sein letztes Opfer, eine Schülerin aus Lake City, ziemlich genau hier, nämlich hinter dem Stephen Foster State Park auf einem Farmgelände vergraben hat. Nicht lange danach wurde er dann endlich gefaßt. Dazu etwas zu verlinken empfinde ich irgendwie als pietätlos. Wer das nachlesen möchte, kann das ja auf eigene Faust tun.

Auf dem Rückweg nach Lake City machen wir an den Falling Creek Falls halt, die liegen genau an der Strecke, kurz vor der Stadtgrenze. Florida hat ja, flach wie es ist, nur sehr wenige natürliche Wasserfälle, und einer davon ist zufällig hier.



Natürlich macht er, verglichen mit den Wasserfällen, die man an anderen Orten auf der Welt so zu sehen bekommt, nicht viel her, aber es ist sehr hübsch hier. Das tanninbraune Wasser des Wasserlaufs leuchtet golden, wenn die Sonne in die kleine Kaskade fällt. Unterhalb des Falls hat sich ein kleiner Strand am Flußufer gebildet. Eigentlich ist es verboten, über die Absperrung des Boardwalks zu klettern, aber anhand der Fußspuren im Sand kann man sehen, daß die Einwohnerschaft sich da wohl nicht so dran hält. Ich kanns verstehen, es ist wirklich schön hier und ich würde eigentlich auch am liebsten da unten sitzen.



Wir halten uns eine ganze Weile hier auf, filmen und fotografieren, bevor wir zum Motel zurückfahren. Der Rest des Tages vergeht mit Schwimmen und Grillen.

Irgendwie war es uns wohl beiden am wichtigsten, zuerst nach White Springs zu fahren, schauen, ob der Ort noch so ist, wie wir ihn in Erinnerung haben. Nun, ganz so war es nicht mehr, aber das ist immer das Problem der hohen Erwartungen, wenn man etwas in seinen Erinnerungen konserviert, das man besonders schön fand. Beim nächsten Mal werden sie nicht mehr so hoch sein und wir werden besser darauf vorbereitet sein, daß auch dieser Ort sich verändert.
 
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Auch Lake City verändert sich, aber manches auch zum Besseren. Wir, vor allem der Ehemann, kommen ja nun schon lange Jahre hierher und beobachten das Bemühen der Stadt, ein bißchen Leben in den historischen Ortskern zu bringen. Am Ostersamstag unternehmen wir einen kleinen Stadtbummel und besuchen zunächst die Mall. Vielleicht hat es auch damit zu tun, daß bei dem letzten Besuch draußen die Regenmassen eines Hurricane-Ausläufers über die Stadt zogen und es sich drinnen bei Tageslichtlampen und Vogelgezwitscher vom Band gut aushalten ließ. Diesmal ist die Atmosphäre eine ganz andere, viele der netten Geschäfte sind verschlossen und die Schaufenster mit Packpapier abgeklebt. Wir schnüren nur schnell einmal durch, den Michael's Store mit seiner unglaublichen Auswahl an Bastelkram gibt es auch nicht mehr.

In der Nähe entdecken wir dann aber eine neu eröffnete Hobby Lobby, die es beim letzten Mal noch gar nicht gab. Und wenn ich den Michael's Store schon toll fand, bin ich jetzt geradezu erschlagen. Hier gibt es alles, was das Herz des Bastelfreaks begehrt. Ich mache zumindest von unseren längeren Fernreisen immer noch "richtige" Fotoalben, eher Scrap-Alben, in die ich auch abgelöste Bierflaschenetiketten, Eintrittskarten und passende Sticker klebe, und von letzteren gibt es hier in Hülle und Fülle. Eigentlich gibt es nichts, was es nicht gibt und so lasse ich in den kommenden Wochen bestimmt 100 Dollar in dem Laden, ich kann mich einfach nicht entscheiden.

Wenn man die ganzen Shoppingcenter in der Nähe der Autobahn hinter sich gelassen hat, kommt man in die historische Altstadt, deren Zentrum die Marion Street bildet. Und hier schlug, wenn man den älteren Bewohnern glauben darf, bis in die späten 60er Jahre das Herz von Lake City im Blanche Hotel. Das über 100 Jahre alte Gebäude, in dem sich übrigens der älteste Fahrstuhl ganz Floridas befindet, schloß Ende der 60er Jahre und verfiel zusehends. Der Sage nach spukt es im zweiten Stock, weshalb auch der Fahrstuhl nicht höher fuhr als bis in den ersten, aber das trug nur zum landesweiten Ruf des Blanche bei, in dem auch Al Capone schon zu Gast war. Wir kannten es nie anders als ein heruntergekommenes Backsteingebäude mit zerrissenen Vorhängen hinter den Fenstern, daß man das Gespenst schon förmlich dahinter vorlugen sah. 👻 Schon 2018 wurde angekündigt, das Blanche solle renoviert und als Wedding-Venue wieder eröffnet werden, und tatsächlich ist das inzwischen geschehen.



Durch die Fenster kann man sehen, daß es drinnen zwar sehr schick geworden ist, eine Rezeption gibt es aber nicht, es ist eher so ein Self-Check-in-Ding mit Code für die Eingangstür. Die Vorstellung, dort eventuell der einzige Gast zu sein, so ganz ohne Personal, zumindest während der Nacht, allein mit dem Gespenst aus dem zweiten Stock, also ich weiß nicht. 😱 Aber hübsch ist es geworden, ebenso wie einige kleine Lokale und Pubs in den Seitenstraßen, auch die nahegelegene Brauerei sieht saniert aus. Die Bemühungen der kleinen Stadt, die vermutlich kein üppiges Budget hat, etwas aus sich zu machen, sind irgendwie anrührend und es wäre zu wünschen, daß die aufgehübschte Downtown auch angenommen wird. Momentan sieht es nicht danach aus, das mag aber auch an Ostern liegen. Die Lokale sind geschlossen und wenige Menschen auf den Straßen.

Am nahegelegenen Lake de Soto, der sowas wie der fast kreisrunde Dorfteich von Lake City ist, ist schon mehr los. Hier verbringen viele der Einheimischen ihren Feierabend, walken, joggen und füttern die Enten und Gänse.



Manchmal ist es schon fast ein bißchen eklig, wie viel Weißbrot manche Besucher für die Teichbewohner dabei haben, eine Familie hat eine ganze Truckladung voll, es sieht aus, wie nach dem Räumungsverkauf in einer Bäckerei. Einige der größeren Gänse können auch kaum noch laufen, so verfettet sind sie bereits.

Die weiter draußen auf dem See lebenden Tiere, verschiedene kleinere Entenarten, Reiher, Anhingas, Grackel und Schildkröten, sind sehr scheu und lassen sich nicht füttern, obwohl sie hier an diesem Ort eigentlich an Menschen gewöhnt sein dürften.



Sie bleiben schön unter sich, draußen auf ihren Schilfinseln. Für mich ein Indiz, daß sie ihre Gründe haben werden, Menschen oder vielleicht vor allem den von ihnen hier ausgeführten Hunden zu mißtrauen.



Kleines Video vom neu eröffneten Blanche mit Luftaufnahmen vom Lake de Soto für diejenigen, die es interessiert, gibt es hier:

 
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Eigentlich wollten wir das Osterwochenende abwarten, bevor wir an eine Quelle fahren, die wir angesichts der Feiertage für für unseren Geschmack zu stark frequentiert vermuteten. Für Ostersonntag wird dann aber endlich gutes Wetter vorhergesagt und wir entscheiden, zwar den Ichetucknee noch aufzuschieben, aber in Peacock Springs wird es vielleicht nicht voll sein. Die Quelle ist abgelegen, sehr naturbelassen ohne großartige Facilities. In manchen Jahren ist das Wasser voller Entengrütze, das gefällt vielen Besuchern ja nicht so, bewahrt die Quelle aber davor, einen Badeanstaltscharakter zu bekommen, wie Ichetucknee Springs es inzwischen ist. Von den Quellen, die ich bislang kenne, ist Peacock eine meiner LIeblingsquellen.



Unsere Peeps aus Miami sind inzwischen aufgefuttert, aber ich habe ein bißchen was aus Deutschland mitgebracht, das der Ehemann im Zimmer suchen muß, immerhin ist Ostersonntag. Dann packen wir die Picknicktaschen und los geht es. Die Fahrt dauert ungefähr eine Dreiviertelstunde und führt durch sehr ländliche Gegenden voller verlassener Farmhäuser. Die einsamen Landstraßen sind gesäumt von den lila und gelben Blumen, dieses Jahr ist alles besonders üppig. Wir halten schon mal Ausschau, wohin es sich für ein schönes Fotomotiv später zurückzukehren lohnt. Die meisten der Häuser kennen wir bereits, aber nach vier Jahren sind manche verschwunden, andere neu hinzugekommen und die bereits bekannten weiter verfallen und von Rankepflanzen überwachsen. Es wird auf dieser Reise auch noch einen Schlüsselmoment geben, der mir bewußt macht, weshalb ich diesen Teil Floridas so sehr mag.

Die Strecke ist beim ersten Mal immer ein bißchen tricky und wir verfahren uns auch diesmal, aber nur kurz, und es ist noch früh, als wir ankommen. Peacock Springs, das ist korrekt bezeichnet eigentlich der Wes Skiles State Park, und den größten Anteil unter den Besuchern nehmen Höhlentaucher ein. Für diese gibt es ein paar Annehmlichkeiten, Einstiegsmöglichkeiten über Treppen und erhöhte Tische, um das schwere Gerät bequem ablegen zu können.



In dem von uns bevorzugten Main Spring gibt es solche Erleichterungen nicht, man muß über algenbewachsene Steine ins Wasser klettern und bekommt am unbefestigten Ufer schlammige Füße. Was aber verhindert, daß aufgedrehte Jugendliche mit Anlauf und Karacho eine Arschbombe ins Wasser machen und auf Stunden alle Tiere vertreiben. Hier geht es gemächlich zu, die meisten Leute sind Naturgenießer, die sich halblaut unterhalten und sich ruhig und langsam bewegen. Auf dem nahegelegenen Suwannee gibt es kein Tubing.



Um Entengrütze auf dem Wasser müssen wir uns diesmal keine Gedanken machen, auch hier steht, wie fast überall im Land, das Wasser enorm hoch, viel höher, als ich es hier je gesehen habe, und ist im Quelltopf glasklar. Am Ufer liegen schon die ersten Flaschen. Nacheinander strecken zwei Höhlentaucher ihre Köpfe aus dem Wasser und schleppen mühsam ihr schweres Zeug davon, sie haben ihren Tauchgang schon beendet.



Dann sind wir allein. Wir holen unsere Sachen aus dem Auto, bauen die Klappstühle auf und ich sortiere mein Schnorchelzeug. Der Ehemann hat sich nach vielen Jahren des Tauchens in den Quellen und den Höhlen inzwischen mehr der Fotografie am Ufer verschrieben, so daß es nie zu Diskussionen kommt, wer wie lange ins Wasser kann, denn irgendjemand muß ja immer draußen bei dem ganzen Fotoequipment bleiben. Das Problem stellt sich also nicht und ich darf hinein, wann immer und so lange ich will.

Das erste Quellenschnorcheln auf einer Reise ist immer ein besonderer Moment. Ich bin für mein Leben gern im Wasser, und kann es auch im kühlen Quellwasser stundenlang aushalten. Schon lange habe ich das Schwimmen in den Hallenbädern zu hassen gelernt und schwimme nur noch draußen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und verzichte im Winter lieber ganz darauf. Und so fühle ich mich dann beim Eintauchen in das Quellwasser irgendwie immer, als hätte man mich jetzt in die Freiheit entlassen. Schwimmen ist für mich etwas Meditatives, etwas, das bei guter Unterwassersicht dem Fliegen recht Nahe kommt. Und dieses Jahr ist die Freiheit schier grenzenlos.



Die drei Main Springs, Peacock I – III, sind normalerweise durch natürliche Barrieren aus verfilzter Vegetation und bemoosten Felsbrocken voneinander getrennt. Die Quellen hier sind Second Magnitude und das Quellwasser fließt mit einer ausreichenden Stärke, um sich durch das Pflanzengeflecht zu drücken. Aber dieses Jahr steht das Wasser so hoch, daß alle Quelltöpfe eine durchgehende Fläche bilden und man über die Vegetationsbrücken hinwegschwimmen kann, an manchen Stellen muß man (also jedenfalls ich :whistle: ) ein bißchen den Bauch einziehen, aber es geht. Vom ersten Quelltopf ausgehend kann man sich durch die Strömung des Wassers bis in den dritten treiben lassen, der zwischen den Zypressenwurzeln fast unmerklich in den Suwannee übergeht. Dies ist natürlich kein Driftschnorcheln, wie man es in den Strömungskanälen tropischer Atolle finden kann, es ist geruhsamer, man kann beobachten und schauen, man teilt das Wasser mit Schildkröten und Fischen und je näher man dem Suwannee kommt, desto eher muß man auch mit einem Gator rechnen.

In kleinen Quellen wie Peacock gibt es weder genug Platz noch Futter für einen großen Gator und ein kleiner hat mehr Angst vor einem Schnorchler als umgekehrt. Ein bißchen Wachsamkeit, vor allem im dritten Quelltopf, ist dennoch angebracht und ich schwimme nicht zu weit Richtung Fluß, bevor ich umkehre. Ich wiederhole das Ganze zweimal, bevor ich langsam müde werde, denn der Rückweg gegen die Strömung angeschwommen erfordert schon ein bißchen mehr Kraft.



Das anschließende Grillen verdirbt uns ein Gewitter, das zwar nicht vorhergesagt, dafür aber so schnell ist, daß wir nicht mehr rechtzeitig reagieren und das Grillen abbrechen können. Ich habe Glück, mein kleines Filetsteak ist noch rechtzeitig gar geworden, so daß ich es in Stücke säbeln und in der linken Hand einen Regenschirm balancierend gerade noch aufessen kann, bevor der Wolkenbruch losgeht. Der Ehemann muß sein halb rohes und mit Grillkohlenasche bespritztes Sirloin in den Müll werfen und ist entsprechend hangry.

Die Rückfahrt nach Lake City über nach dem Regen dampfende Landstraßen geht dann auch recht zügig, wir sind nass bis auf die Knochen und nach einem kurzen Zwischenstop bei Burger King gehts zurück ins Motel. Hier haben wir einen Zimmernachbarn bekommen, vor der übernächsten Tür parkt ein Pickup, der Besitzer ist aber nirgends zu sehen.

Hier ist es schön sonnig und warm, von Regen keine Spur, und ich springe nochmal in den Pool. Schnorcheln in den Quellen und abends nochmal den Pool, besser geht es nicht. Oder fast nicht.

Genau in dem Moment, als ich aus dem Wasser komme und gerade die Poolarea verlassen will, kommt ein Truck von gewaltigen Ausmaßen um die Hausecke herum auf mich zugefahren und parkt direkt vor dem Pool ein. Ich gehe um den Lkw herum, als der Fahrer aus der Kabine steigt und sage nur: Wow. Er grinst, hebt die Hand zum Gruß und verschwindet Richtung Amber, um einzuchecken. Der Ehemann kommt aus dem Zimmer und auch unser Zimmernachbar tritt vor die Tür und ist beeindruckt. Wir stehen alle drei da und starren auf den Transporter. Er hat 10 Corvette C8 geladen, funkelnigelnagelneu. Was für ein Anblick. Only in Florida.

Where are you bringing them? ruft unser Nachbar, als der Fahrer zurückkommt. Nach Miami, ruft der zurück. Ob es wohl auffiele, wenn morgen früh eine fehlte? Die direkt über der Fahrerkabine, das kann er theoretisch gar nicht sehen, wenn die weg wäre. :unsure: Am Abend haben wir noch lange die Zimmertür auf und können vom Bett aus die Corvetten im Licht der Parkplatzbeleuchtung anschauen. Ob ich nachts von einer Corvette geträumt habe, weiß ich nicht mehr, tagsüber aber ganz sicher.

 

Cawu

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Grandiose Aufnahmen von Peacock. Bin begeistert 😍 👏🏻👏🏻👏🏻👏🏻
… und ein super unterhaltsam geschriebener Bericht 😃👍🏻
 

die 3 Kölner

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Nice!!!

Ein ganzer Truck voll C8:love:
vielleicht sogar Z06???? Obwohl das anscheinend nur normale C8 sind.
Durfte das Teil ja schon fahren, auch wenn es keine richtige Corvette mehr ist, trotzdem schön!!
 

Ehemann

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Ein ganzer Truck voll C8:love:
vielleicht sogar Z06????
Nein, das waren "nur" normale C8. ;)

Durfte das Teil ja schon fahren, auch wenn es keine richtige Corvette mehr ist, trotzdem schön!!
Da geht es mir wie Dir. Die letzte richtig schöne und echte Vette war die C6, finde ich. Aber unter all den zeitgeistig kantig-zerklüfteten Sportwagen unserer Zeit macht die C8 eher noch 'ne gute Figur.

Wie war denn Deine Fahrt? :)?

 
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Suse65

Suse65

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Am nächsten Morgen weckt uns die sich warmlaufende Zugmaschine des Lkw auf dem Parkplatz. Die Schutzhüllen der Corvetten leuchten im Sonnenschein, zu spät sich ein Traumauto zu mopsen, nun fahren sie gleich ab.



Das Geräusch lockt alle Anwesenden erneut vor die Tür, um sie gebührend zu verabschieden. Unser Zimmernachbar hat auch schon Kaffee, ich hole mir welchen von der netten Inderin, die immer die Frühschicht an der Rezeption macht. Dann lehnen wir in den Türrahmen und bewundern die Pracht. Wenn man Amerikanern erzählt, was man in Deutschland für eine Corvette bezahlt, staunen sie jedesmal. Dann rollen sie davon, die Rampe hinauf zur Ausfahrt.



Amber wird uns später erklären, daß die stets auf der Rampe aufsetzenden Anhänger den Motelbetreiber einen Haufen Geld kosten, weil sie den Straßenbelag zerstören, aber das ist uns ja egal. Wir schauen ihnen nach, bis sie Richtung Autobahn gen Miami zu ihren glücklichen neuen Besitzern verschwinden.



Es ist noch früh am Tag, der Wetterbericht verspricht, daß es nun endlich beständiges schönes Frühlingswetter werden soll, tagsüber warm, keine Hitzegewitter mehr, dafür nachts kühler. Genau der richtige Tag für eine der weitesten Touren, die wir vorhaben. Einmal pro Reise mindestens ist der Trip über die Grenze nach Georgia Pflicht.

Wir holen uns im Publix eine Packung mit Schinken belegte Sliders, dazu Eistee und Saft, dann geht es die 441 hinauf Richtung Staatsgrenze. Wir passieren die alte Chevron am Straßenrand, für die älteren Locals hier der "Hall Family Store", gebaut von der Familie gleichen Namens irgendwann vor ziemlich genau einhundert Jahren. Seit die letzte Familienangehörige Anfang der 90er Jahre starb, steht das Gebäude leer, aber man sieht ihm an, daß jemand sich beständig darum kümmert. Weder wuchert es zu, noch fehlen Teile. Eigentlich sieht es aus wie immer, und das ist vermutlich Tootsies Ehemann zu verdanken. Auf der letzten Reise haben wir bei einem Stop auf dem Rückweg aus Georgia hier die Frau des derzeitigen Besitzers kennengelernt, Tootsie, die uns ausführlich von den Problemen berichtete, die die alte Hütte bereitet. Die Benzintanks sind noch in der Erde vergraben, eine Aufgabe, derer ein neuer Eigentümer sich annehmen müßte, und darauf hat wohl niemand Lust. So steht sie da, als Relikt aus alter Zeit, jeder findet sie toll, aber haben will sie keiner.



Eine knappe Stunde später erreichen wir Edith. Edith, die winzige Ansiedlung kurz hinter der Grenze, nur ein paar Hütten im Nirgendwo der endlosen Wälder zwischen Florida und Georgia. Wie jedes Jahr haben wir uns im Laufe des Jahres, vor allem, wenn in unserem Kiez mal wieder der touristische Bär in Form eines Straßenfestes steppte und der Müll sich knöchelhoch auf dem Fußweg häufte, gefragt, was wohl gerade in Edith los ist, eine Frage, die implizieren soll, daß wir jetzt eigentlich gern irgendwo dort wären, wo sich Schildkröten und Weißwedelhirsche gute Nacht sagen.

Der Stephen Foster State Park, nicht zu verwechseln mit dem Stephen Foster Culture Center in White Springs, bildet den südlichen Eingang des Sumpfs von Okefenokee. Der im Norden des Sumpfs liegende Eingang bietet mehr Möglichkeiten zu Wandern, hier im Süden liegt der Schwerpunkt auf dem Bootsverleih. Ein kleines Netz aus Wanderwegen und Boardwalks, die ein Stück in den Sumpf führen, gibt es aber auch hier. Weil wir so früh da sind und noch etwas besseres Fotolicht abwarten wollen, gehen wir ein Stück über den Boardwalk bis zum Ende. Hier gab es früher auch eine Bootsrampe, die schon lange verlassen ist. Wenn man sich hier eine Weile niederläßt und sich still verhält, erwacht der Sumpf ziemlich schnell wieder zum Leben. Das Quaken der Frösche kann ohrenbetäubend sein, ab und zu hört man einen Gator auf der Jagd durchs Wasser pflügen. Wenn man Glück hat, sieht man ihn auch.



Von den Preisen für vier Stunden Bootsverleih sind wir entsetzt, was uns 2018 Jahren noch 50 Dollar gekostet hat, kostet nun 80. Die Boote sind auch ein bißchen aufgehübscht worden, jedes Boot hat neben den Bänken jetzt auch zwei Anglersitze, die wir aber nur als Ablage für die Kameras nutzen. Die neuen Boote sehen auch etwas länger aus als die alten, aber der Ehemann hat gottseidank genügend Erfahrung, auch das längere Boot durch die engen Stichkanäle um die Zypressen zu steuern.



Aufgrund des hohen Wasserstandes sehen wir zunächst wenige Tiere. Die Ränder der schmalen Seitenarme des Suwannee stehen hoch unter Wasser. Wo normalerweise Wiesen aus Hechtkraut, Lederfarn und jetzt im Frühjahr Wollgras wachsen würden, stehen überall nur Zypressen im dunklen Wasser, der Rest ist überflutet. Erst als wir tief im Sumpf sind, treffen wir auf den ersten Gator und eine einzige Schildkröte. Schön ist es trotzdem, der um die Bäume herummäandernde Wasserweg hat etwas Verwunschenes, und weil wir uns bislang nicht sehr lange an zu fotografierenden Tieren aufgehalten haben, kommen wir auch tiefer hinein als in den anderen Jahren.



Sehr tief im Sumpf entdecken wir schließlich einen größeren Gator, der sich in der Vegetation am Rand des Wasserwegs sonnt. Der Ehemann schaltet den Motor aus. Damit er in Ruhe fotografieren kann, muß ich das Boot mit dem Paddel in Position halten, was gar nicht einfach ist, da die Strömung das Boot ständig zu drehen versucht. Der Gator ist schon kein ganz kleiner, ängstlicher mehr, bleibt entspannt liegen und läßt sich ausgiebig fotografieren. Danach kommt die Videokamera zum Einsatz. Weil er so ruhig ist, soll ich näher heranpaddeln, um uns in eine noch bessere Position zu bringen. Ich halte das für keine gute Idee, der Ehemann schon, und es kommt zu einer halblaut gezischten Diskussion, in der wir uns gegenseitig des Leichtsinns und der Übervorsichtigkeit bezichtigen, während er mit der Kamera und ich mit dem Paddel hantieren. Das Tier öffnet derweil ein Auge und schaut, was wir so treiben, bleibt aber weiterhin liegen und hört uns zu. Man könnte meinen, er wägt ab, wem von uns beiden er Recht geben soll.



Wir einigen uns schließlich drauf, noch einen halben Meter mehr zu wagen. Einmal das Paddel kräftig durchgezogen, dann ist die Distanz überwunden. Aber seine Toleranzgrenze offenbar auch. In blitzartiger Geschwindigkeit krümmt sich das eben noch ausgestreckt daliegende Tier und hechtet mit lautem Fauchen eine Attacke auf unser Boot. Ich ziehe sofort das Paddel aus dem Wasser und die Strömung treibt das Boot schnell aus der Komfortzone des Gators. Der Ehemann ist begeistert, er hat alles auf Video. Ich bin begeistert, weil wir ihn nicht bei uns im Boot sitzen haben.



Noch begeisterter wäre ich, wenn der Motor jetzt wieder anspringen würde. Tut er aber nicht. Die Teile haben einen Choke und wer selbst mal ein Auto mit Choke gefahren hat weiß, daß die Dinger manchmal absaufen. Also heißt es abwarten. Heute wird unsere Geduld dabei ganz erheblich strapaziert, fast eine Viertelstunde müssen wir warten, bis das Gerät wieder einen Mucks von sich gibt. Bis dahin sind wir erstaunlich schnell auf der Strömung unterwegs und müssen auch ohne Motor mit den Paddeln um die Zypressen herumnavigieren, was gar nicht so einfach ist, weil man die Knie der Zypressen bei dem hohen Wasserstand nicht sieht. Als der Motor endlich wieder anspringt, fahren wir wieder tiefer in den Sumpf und suchen uns eine schöne Stelle für ein Picknick. Und eigentlich denken wir wie jedes Jahr das selbe: Wenn wir aus irgendeinem Grund hier unser Boot verlören, wäre das der sichere Tod. Eine lebensfeindlichere Umgebung für Menschen kann man sich kaum denken. Der nächste Hammock, Billys Island, ist weit entfernt und schwimmend würden wir es bis dahin kaum lebend schaffen.



Es wird ziemlich schnell klar, daß wir mehr heute nicht entdecken werden und wir fahren zurück auf den Hauptarm des Suwannee. Unser Plan, dort vielleicht noch ein paar sehr große Alligatoren zu sehen, die es nicht mehr nötig haben, sich zu verstecken, geht auf. Die Nachmittagssonne steht noch hoch am Himmel, es weht ein laues Lüftchen und mit ihm das Spanish Moss, die Alligatoren am Ufer glänzen im Sonnenschein, und der Suwannee, der hier besonders breit und dunkel ist, hat etwas Majestätisches und zugleich auch Unheimliches.
 
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Wir verbringen mehrmals halbe Tage auf dem Damm des Alligator Lake. Tiere sehen wir wenige, dafür das Aufsitzrasenmäherrennen zweier Mitarbeiter vom städtischen GaLa-Bau, die sich auf dem langen Damm in ihrer gewaltigen Staubwolke offenbar unbeobachtet fühlen, was irgendwie auch witzig ist.





Was wir auch noch nie getan haben, ist, die Marion Street einmal aus Downtown hinaus in südlicher Richtung zu fahren. Bislang zog es uns immer nur Richtung Georgia nach Norden, aber dieser Teil der Stadt, der am südwestlichen Ufer des Alligator Lake liegt, ist erstaunlich nobel und bietet einige nette Überraschungen.

Fast noch schöner als Tootsies finden wir diese liebevoll gestaltete ehemalige Tankstelle.





Je weiter man nach Süden kommt, desto höher die Dichte an Villen auf den Ufergrundstücken. Die meisten sind Kolonialstil, weiß und mit klassizistischen Säulen und Ornamentik. Mir gefällt aber am besten ein niedriger Bungalow im Spanish Revival Stil, mit Flachdach und niedrigem Parapet, hinter dem man sicher wunderbar sitzen, über den See blicken und einen Sundowner trinken kann. Das Haus ist zu verkaufen, so daß ich ohne Aufsehen zu erregen bis auf die Auffahrt gehen und ein paar Fotos machen kann. Im Garten eine Live Oak von gewaltigen Ausmaßen.



Sicher sind die Grundstückspreise hier nicht zu vergleichen mit der Golf- oder Atlantikküste, aber ein Haus wie dieses wird auch hier sicher im siebenstelligen Bereich gehandelt. Das bleibt also genauso ein Traum wie eine der Corvetten vom Motelparkplatz.

Daß wir hier so mit dem Auto herumcruisen erregt sofort Aufmerksamkeit, einige in den Vorgärten herumwerkelnde ältere Damen unterbrechen ihre Tätigkeit und starren uns an, die Hände fest um die Umkrauthacke geschlossen. Das ist auch nicht nur Neugier über ein unbekanntes Auto, das sieht schon eher wachsam aus, und wie wir wenig später lesen werden, haben sie ihre Gründe.

Der Lake City Reporter, die hiesige Tageszeitung, zeichnet sich durch einen humorvollen, oftmals süffisanten Schreibstil aus, weshalb wir uns angewöhnt haben, ihn regelmäßig zur Frühstückslektüre zu machen. Der Zeitung entnehmen wir nicht nur die Florida erwartenden Veränderungen, wie den massivsten Bevölkerungszuwachs aller US-amerikanischen Bundesstaaten mit allen damit einhergehenden Problemen, die Infrastruktur und die Lebenshaltungskosten sowie das zwischenmenschliche Zusammenleben betreffend, sondern auch die lokalen Ereignisse hier aus Columbia und den umgebenden Counties, die in den Fernsehnachrichten vermutlich keine Erwähnung finden würden.

Und dazu gehört ein wenige Tage nach unserer Marion Street-Tour genau dort stattgefundenes nächtliches Drive By-Shooting, vermeintlich wahllos in die Fenster der anliegenden Häuser hinein. Wir erfahren während unseres Aufenthaltes leider nicht mehr, ob der Fall eine Aufklärung gefunden hat. Einmal mehr aber macht es uns deutlich, welche Auswirkungen die anstehenden Gesetzesänderungen des konservativen Gouverneurs DeSantis, das Waffenrecht vollkommen liberalisieren und Waffen ohne jeden Background-Check und Registrierung an jedermann ausgeben zu wollen, haben würde. So heimisch wir uns in Lake City fühlen und so schön die Vorstellung eines kleinen Hauses irgendwo am Stadtrand oder einer der kleinen Gemeinden im Columbia, Gilchrist oder Suwannee County sein mag, abschreckend ist das schon.



Immer mal wieder ist es uns passiert, daß wir, gerade als Deutsche und Kriegsverlierer, hier gefragt wurden, ob uns die Tatsache, uns nicht mit einer Waffe verteidigen zu dürfen, nicht einschränken würde. Mir hingegen ist die Vorstellung, mit der beständigen Bedrohung durch eine Schießerei, sei es nun kriminellen Hintergrunds oder aufgrund einer psychischen Episode des Schützen, leben zu müssen, vollkommen fremd. Es erklärt aber für mich auch die extreme Höflichkeit, das häufig auffallend defensive Verhalten der Menschen im Umgang miteinander, und eben diese Wachsamkeit in der eigenen Wohnumgebung, die die Menschen hier zeigen.

So vergehen die Tage in Lake City und ein feines Restaurant für das geplante Essen ist inzwischen auch gefunden. Ich erfahre nicht, welches der Ehemann ausgesucht hat, es soll eine Überraschung sein. Also werfen wir uns am späten Freitagnachmittag in unsere besten Klamotten und fahren los. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, als wir auf dem Parkplatz vor einem langgezogenen Gebäude einfahren, das zur Hälfte aus einem Olive Garden und einem Longhorn Steakhouse besteht. Ich habe nichts gegen mediterrane Küche, aber das Steakhaus wäre mir lieber. Und wie ich den Ehemann kenne, ihm auch.

Und natürlich wird es das Steakhaus. Ich war noch nie in so einem Lokal in den USA und bin gespannt. Die Dekoration ist texanisch, silberne Gürtelschnallen in einer Vitrine und großformatige Gemälde von Cowboys mit Rindern, die natürlich alle Longhorns sind, ist ja klar.

Da wir unser Restaurantessen meist nicht fotografieren, für die, die es interessiert, hier ein paar Fotos aus dem Netz. Aber da die Longhorn Steakhäuser ja eine Kette sind, sehen die ja vermutlich sowieso alle gleich aus und die meisten hier kennen das sicher ohnehin:


Wir werden von einer jungen Dame "geseated" und schon auf dem Weg zum Tisch heftet sich unser Kellner an unsere Fersen. Wir sind relativ früh da, daß wir keine Reservierung hatten, ist somit kein Problem, es sind kaum Leute da. Am Nachbartisch sitzt ein Mann unseres Alters, der sich hier kleidungstechnisch gut einfügt.

Ansonsten genießen wir die ungeteilte Aufmerksamkeit unserer Bedienung. Ethan, stellt er sich vor, und kaum daß er uns zwei Sätze hat sagen hören, verkündet er überschwänglich, wie sehr er unseren Akzent liebe, woher wir denn wohl seien. Deutschland, sagen wir, Berlin. Ethan macht kugelrunde Augen, wie, sagt er, ihr seid aus Berlin und was macht ihr dann hier, in dieser gottverlassenen Gegend? Wir mögen das hier, sagen wir, aber ich kann ihm die Frage irgendwie nicht verübeln, denn Ethan selbst sieht aus, als gehörte er überhaupt nicht hierher.

Während er abzischt, um uns die Speisekarten zu holen, frage ich den Ehemann, ob er nicht auch findet, daß er aussieht wie ein Surfer aus Malibu und nicht wie ein Bewohner des nördlichen Florida. Naja, sagt er, genau genommen sieht er aus wie ein Klon von Leif Garrett. Jetzt, wo er es sagt, sehe ich es auch. Und irgendwie haben wir beide recht, denn immerhin hat Leif Garrett ja mal Surfin USA von den Beach Boys gecovert, und hier für diejenigen, die zu jung sind, um sich daran zu erinnern, von wem hier die Rede ist:


Die Speisekarten sind eigentlich zu gut um wahr zu sein. Jede Menge Rinderfilet und Hummer, eine riesige Auswahl an Beilagen, unter anderem sogar Spargel. Ethan kehrt zurück um die Bestellungen aufzunehmen und erklärt erneut, wie sehr er unseren Akzent liebe. Seinen gedehnten Südsaatenslang liebe ich auch, die Worte dehnen sich wie zähflüssiger Honig.

Auch sonst ist Ethan die personifizierte southern hospitality. Groß wie er ist, müßten wir uns den Hals verrenken um ihn anzusehen, also kauert er sich neben den Tisch, um mit uns auf Augenhöhe zu sein. Unsere Bestellung dauert aufgrund der kleineren Verständigungsschwierigkeiten und unserer Fragen auch entsprechend lange, das muß anstrengend für ihn sein in dieser gehockten Haltung, ich bin beeindruckt, Ethan geht eindeutig „the extra mile“ für seine Gäste.

Ich frage nach dem Spargel. Ja, der sei grün, sagt er, wie er denn sonst sein solle? Na weiß, sage ich. Und meine vor der Reise offengebliebene Frage, ob man hier weißen Spargel kennt, findet nun ihre Antwort, denn Ethan fragt: White Asparagus, is that a thing? 😉

Auch ohne Spargel lassen wir es richtig krachen und bestellen die Sahnestücke der Speisekarte. Grob im Kopf überschlagen werden das 150 Dollar, aber wir machen sowas nicht andauernd, also darf das jetzt auch mal sein.

Während wir aufs Essen warten, dreht sich der Herr am Nachbartisch zu uns um. Er entschuldigt sich, er habe zufällig gehört, was wir mit dem Kellner gesprochen hätten, wir seien also aus Deutschland. Er sei auch mal in Deutschland gewesen, in Stuttgart, also die Autobahnen und daß es kein Geschwindigkeitslimit gebe, das habe ihm schon Respekt eingeflößt. Verstehen wir gut, sagen wir, wir haben dieses Jahr nur einen Spark, da flößen einem die Rams und Trucks auch Respekt ein, wie ein Kindergartenkind zwischen einer wildgewordenen High School-Footballmannschaft komme man sich vor. Das findet er lustig. Wir plaudern ein Weilchen über Deutschland und Florida, und irgendwann stellt er dann die selbe Frage wie Ethan zuvor: Was uns denn ausgerechnet nach Lake City verschlagen hätte. Wir sagen unsere üblichen Sprüchlein auf, wir lieben die Wälder, die Quellen, die alten kleinen Ortschaften, den Suwannee und den Santa Fé. Deswegen sind wir hier, nicht wegen der Maus. Wir lieben es hier, sagen wir. Das berührt ihn sichtlich, er beugt sich zu uns herüber, legt sich die Hand aufs Herz und sagt: "and we love to have you here" . Und es klingt aufrichtig. Wir bedanken uns, wünschen uns gegenseitig weiter eine gute Zeit und die üblichen Aufforderungen, auf sich aufzupassen werden ausgetauscht. Er lasse uns jetzt unser Essen genießen, sagt er zum Abschied.

Kaum ist er weg, kommt unser Essen auch schon und es sieht so gut aus, wie es sich auf der Speisekarte las. Auf meinem 250 Gramm-Filetsteak liegt ein Hummerschwanz und glänzt vor Safranbutter. Gerade als wir die kunstvollen Gebilde auf unseren Tellern zerstören wollen, kommt Ethan an unseren Tisch, lehnt sich gegen die Einfassung unserer Nische und starrt nachdenklich aus dem Fenster auf den Parkplatz. Ob wir den Mann eben gekannt hätten, fragt er. Nein, sagen wir, nie zuvor gesehen. Ok, sagt Ethan, ich wollte euch nur sagen, er hat eben beim Rausgehen eure Rechnung bezahlt.

Es wird ein paar Tage dauern, bis wir diese unerwartete Großzügigkeit verarbeitet haben.

Damit es nicht so aussieht, als würden wir nur fröhlich herumschmarotzen, bestellen wir auf eigene Rechnung noch ein Stück Schoko-Käsekuchen als Dessert. Es paßt zwar kaum noch rein, aber es ist so lecker. Und daß Ethan ein fürstliches Trinkeld bekommt, versteht sich von selbst.

Und wenn diese Begegnung auch die einprägsamste der ganzen Reise bleiben wird, ist sie doch nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von interessanten Begegnungen, die wir in den kommenden Tagen haben werden, und aus denen sich zum Teil dauerhafte, aktuell natürlich nur virtuell gepflegte, Bekanntschaften ergeben.

Die ersten Kontakte hat der Ehemann bereits in der letzten Woche im Anschluß an eine seiner Dollarläden-Touren geknüpft, während ich im Pool herumdümpelte. Wie immer Freitags findet auf dem hiesigen Hardees Parkplatz ein Oldtimertreffen statt und diesmal war unter den ausgestellten Autos ein besonders ungewöhnliches Auto, das er mir nun zeigen will.

Nach dem Essen fahren wir also zum Hardees. Neu ist, daß vor dem Burgerladen ein älterer Mann den DJ gibt und zum Alter der Autos passende Musik spielt, vor allem Doo-Wop-Sachen, die ziemlich genau meinen Musikgeschmack treffen. Ich mag nicht nur die alten Autos, sondern auch diese Musik und von daher gefällt mir die Ergänzung.



Manche der Wagen, die heute gezeigt werden, sind mir seit der letzten Reise noch gut in Erinnerung geblieben.



Das einzige zu diesem Wagen passende Lied spielt der Open Air-DJ aber leider nicht.


Das Highlight ist jedoch ein 71er Chevy Nova, ein Dragster mit 9,4 Liter Hubraum, 700 PS und Straßenzulassung. :eek:





Wenn man den Wagen oberflächlich betrachtet, sieht man nicht sofort, was drinsteckt. Aber da der Ehemann sich mit dem Besitzer bereits am letzten Freitag angefreundet hat, bekommen wir die Exklusivführung.

Überrollkäfig, Gestänge seitlich ausklappbar, damit man überhaupt einsteigen kann.



Verschraubbarer Tankdeckel:



Und last but not least die Wheelie Bars



Daß so ein Fahrzeug in Deutschland niemals, never ever eine Straßenzulassung bekäme, belustigt ihn. Und uns zuliebe läßt er den Dragster dann auch mal an, ab da kann der Oldie-DJ auf der anderen Parkplatzseite einpacken, den hört man nicht mehr. :LOL:

Den Besitzer des Dragster schätze ich so auf Mitte 70. Er fährt den Wagen regelmäßig auf der Straße, aber schon lange keine Rennen mehr. Trotzdem kommt mir der Gedanke, daß er so als Insider wissen könnte, ob Floridas Dragsterlegende Big Daddy Don Garlits noch lebt. Ja, meint er, er denke schon, genau wisse er das aber nicht.

Später lese ich dann nach, daß Don Garlits sogar noch relativ aktiv in der Dragsterszene ist. Sein Museum haben wir seit über 10 Jahren nicht mehr besucht, und er war seinerzeit schon hoch betagt. Er fährt auch selbst keine Rennen mehr, aber auf youtube findet sich ein Video von Anfang Mai dieses Jahres, in dem er ziemlich munter mit dem Kerosinkännchen um die aktuelle Swamp Rat herumläuft.


(bei Minute 3:30 wird erst gezündet, falls jemand das ganze Vorgeplänkel vorspulen möchte)

Irgendwann müssen wir doch mal wieder hin.

 

die 3 Kölner

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Sehr schön geschrieben:love:, und solche Erinnerungen wie bei Euch im Longhorn, kommen mir bekannt vor. Ist uns vor 24 Jahren auch mal passiert.
Irgenwo in der Einöde von Oregon oder Idaho.
Cars and Coffee Treffen (die es ja überall meisst Sonntags gibt) habe ich dieses Jahr, dank Ian, leider alle verpasst:tired:
 
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Suse65

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Am nächsten Tag brechen wir dann zwar schon in südliche Richtung auf, aber ganz bis Ocala wollen wir dann doch nicht, nur etwa halb soweit, bis zur Paynes Prairie.

Die Prärie ist keine in dem Wortsinn, den wir darunter meist verstehen, sondern ein großes Feuchtgebiet zwischen Gainesville und Micanopy. Durch das Gelände ziehen sich mehrere Dämme, von denen einer der interessantesten, der Alachua Trail, beim letzten Mal überflutet war. Uns ist angesichts dessen, was wir von der Natur bisher so gesehen haben, schon klar, daß das diesmal vermutlich eher noch schlimmer sein wird.

Das Besondere an der Paynes Prairie ist nicht nur die große Zahl teilweise sehr großer Alligatoren, die hier lebt, sondern auch die Herden wilder Bisons und halbwilder Pferde. Da wir dieses Jahr relativ früh dran sind, hoffe ich wieder auf Sichtung von Fohlen, es wäre genau die richtige Jahreszeit. Auf einer früheren Reise hatten wir das Glück schon einmal, aber nur aus der Ferne. In der letzten Zeit haben sich im Internet die Berichte von direkten Kontakten mit den offenbar ihre Scheu verlierenden Pferden gehäuft, man sieht regelmäßig Aufnahmen von Personen, die die Pferde auf den Wegen füttern. Wobei es meist nur eine Frage der Zeit ist, bis irgendeiner der Beteiligten durch solchen Blödsinn zu Schaden kommt. Nur die Bisons zu sehen ist offenbar weiterhin Glückssache.

Wie auch in der Circle B Bar wurde hier früher Landwirtschaft betrieben, genau genommen war die La Chua Ranch einmal die größte ganz Floridas, wurde aber schon vor über 300 Jahren wieder aufgegeben. Nachdem die Spanier abgezogen waren, siedelten sich wieder Seminolen in dem vermutlich für Europäer zu mühselig zu bewirtschaftenden Sumpfgebiet an, und von einem ihrer Häuptlinge, Payne, hat die Prairie dann auch ihren Namen.

Der nordwestliche Eingang führt durch ein altes Stallgebäude, dahinter beginnt ein kurzer Boardwalk mit zwei Schutzhütten, der dann in den Alachua Trail übergeht, einen Grasdamm mit mehreren Abzweigungen, der normalerweise bis zu einem Sinkhole in die Mitte es Sumpfgebietes führt und an dessen Ende ein Aussichtsturm steht. Hier hatten wir schon spannende Tiersichtungen, vor allem Alligatoren aller Größenordnungen, aber auch Weichschildkröten bei der Eiablage.

Wir waren ja darauf vorbereitet, sind aber trotzdem ein bißchen enttäuscht, daß der Weg zum Trail hinter der zweiten Schutzhütte auch dieses Jahr wieder gesperrt ist, diesmal sogar durch einen niedrigen Maschendrahtzaun.

Wie wir später hören, ist der Alachua Trail inzwischen schon durchgehend seit 2017 überflutet. Das verbliebene Stück Rasenfläche ist vielleicht noch 50 Meter lang, bevor es im Wasser verschwindet. Mitten darauf eine einsame Parkbank, auf der niemand sitzen mag, denn drum herum liegen vier große Alligatoren und sonnen sich.



Und zwischen ihnen:





Die meisten wissen sicher, wer beziehungsweise was der Florida Man ist?


Hier ist gleich ein ganzer Haufen davon auf einmal versammelt. Wir schauen uns das Treiben zunächst eine Weile von jenseits des Zaunes an, dann packt es auch uns, den Florida-Man zu geben. 😉



Wir achten allerdings darauf, daß wir die Parkbank zwischen uns und den Tieren haben, und damit ist die Sache jetzt nicht wirklich gefährlich. Wir bemühen uns, wachsam zu bleiben, auch wenn die Fotomotive endlos sind:






Bis irgendwann ein besonders großer Gator aus dem Wasser kommt. Die Insel aus Wasserpflanzen, die er auf dem Rücken trägt, verleiht ihm noch mehr Imposanz, und das bringt Unruhe in die bereits anwesenden Tiere. Wir treten daraufhin den Rückzug auf die andere Seite an.






So ein Erlebnis schweißt natürlich zusammen. Auch nachdem die Alligator-Expedition abgebrochen wurde, bleiben einige der Anwesenden beisammen stehen und tauschen ihre Kenntnisse über die hiesige Fauna aus. Eine Frau weist uns auf eine am Beginn das Boardwalks liegende Gruppe Babygators hin, die eigentlich nur zu erkennen ist, wenn man zuvor die sie bewachende Mutter ausgemacht hat.



Durch den Austausch wird uns, die wir keine Hobby-Ornithologen sind, erst bewußt, daß die uns umgebenden Limpkins



und Snail Kites



höchst seltene Vogelarten sind, die sich von den hier zahlreich vorkommenden Apple Snails ernähren.

Die weit entfernten Tiere brauche ich mit meiner kleinen Kamera gar nicht erst ins Visier zu nehmen, dafür erwische ich ein paar Anolis bei der Familiengründung. Auch wenn die Tiere an sich nicht selten sind, das sieht man nicht so häufig.. Ich knipse wild drauflos, einige der Fotos sind trotzdem nicht völlig verwackelt.






Mit einem älteren Herrn kommen wir länger ins Gespräch. Er lebt in Gainesville und die Paynes Prairie ist sowas wie sein zweites Zuhause, er ist fast täglich hier und fotografiert. Er hat einen Allerweltsnamen und falls ich seine Alben auf Facebook anschauen wolle, solle ich nach dem Profilbild Ausschau halten, auf dem er an einem Denkmal von Kaiser Wilhelm lehne.

Wie jetzt, Kaiser Wilhelm? Nachdem wir kurz den Gedanken hatten, uns hier womöglich unwissentlich die ganze Zeit mit einem Landsmann unterhalten zu haben, klärt er uns auf. Flußkreuzfahrten seien das gemeinsame Interesse von seiner Frau und ihm und das Bild sei auf einer Fahrt auf dem Rhein entstanden. Da er somit nie die deutsche Autobahn benutzt hat, ist er voll der Begeisterung über unser Heimatland.

Er ist es auch, der mich schon mal darauf vorbereitet, daß ich wahrscheinlich keine Pferde aus der Nähe sehen werde. Durch das ständige Anfüttern durch Besucher hätten diese zunehmend ihre Scheu verloren und seien auch über die grüne Grenze in den benachbarten Sweetwater Wetlands Park eingedrungen, eine privat betriebene Anlage, deren Besitzer schon die Zivilklagen gefürchtet habe, die ihn erwarten, wenn auf seinem Gelände ein Besucher durch ein aufdringliches Pferd zu schaden käme. Das Florida Department of Recreation habe die Pferde daraufhin in den weitestmöglich entfernten Winkel der Paynes Prairie umgetrieben, wo sich die meisten auch jetzt noch aufhielten. Nun ja, also dieses Jahr keine Fohlen für mich.
 
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Aber zur Entschädigung für die Fohlen gibt es ja die Babygators. Der Ehemann, der die besseren Augen hat, entdeckt sie sofort, die Mutter ist nicht zu übersehen und wenn man weiß, daß sie in ihrem Radius liegen, sieht man sie auch. Die Jungtiere selbst sind sehr gut getarnt, ich brauche, trotzdem ich die Mutter als Anhaltspunkt habe, deutlich länger, um sie zu finden. Nachdem mir das einmal gelungen ist, könnte ich sie stundenlang beobachten. Ich entdecke im dichten Bewuchs sechs Jungtiere, vermutlich sind es noch mehr. In diesem Alter sehen sie mit ihren Glubschaugen aus wie Hundewelpen und ich finde sie total süß.



Ein Ehepaar mit einer Fotoausrüstung, die auch für mich als Laien sofort als professionell zu erkennen ist, bleibt kurz neben mir stehen. Was es denn da gebe, fragen sie mich. Babygators, sage ich, und zeige ins Schilf. Sie gucken kurz, zum Fotografieren ist es für sie wohl aber nichts. Die beiden sind auf Vögel aus, am liebsten große. Die Ausrüstung dafür haben sie auf jeden Fall.

Als ich nach einer Weile genug geguckt habe und zum Gazebo zurückkehre, stehen sie da und schwatzen mit dem Ehemann. Als ich mich nähere, ruft er mir schon von weitem entgegen, ich solle mal raten, woher die beiden seien. Naja, wenn er schon so fragt, wird’s doch mal wieder irgendwas mit Deutschland zu tun haben, denke ich. Es ist dann aber nicht nur einfach Deutschland, sondern tatsächlich Berlin, wo beide einen Teil ihrer Jugend verbracht haben. Bei ihm war es präzise Dahlem, und er freut sich ein Loch in die Mütze, hier auf Berliner zu treffen. Sie sind aus Maryland, kürzlich nach Georgia gezogen, der Familie wegen, und wegen der Fotomöglichkeiten über die Grenze nach Florida unterwegs.

Das, was die beiden heute vor der Brust tragen, ist mehr als selbst ambitionierte Naturfotografen normalerweise an Fotoausrüstung besitzen, aber für sie ist es nur die Schmalspurausstattung. Die Smartphones werden gezückt und gegenseitig die Fotos gezeigt. Nach Meinung des Ehemann seien die Bilder, die er da zu sehen bekommen habe, an Perfektion nicht zu überbieten. Einiges davon, raunt sie mir zu, seien aber ihre Bilder, die ihr Mann gern mal als seine ausgebe.

Sie ist begeisterte Quilterin, und da ich bei den Fotofachsimpeleien nicht mitreden kann, kann ich hier wenigstens mit meinen Kenntnissen vom Florida Quilt Trail und den Barn Quilts auftrumpfen und empfehle den Beiden natürlich sofort eine Fahrt nach White Springs, so wie überhaupt jedem, der gern handarbeitet oder sich schön bemalte Scheunenwände anschaut:


Wir unterhalten uns lange, und wie so oft kommt das Thema vorsichtig auf die Politik. Der gerade begonnene Krieg gegen die Ukraine, wie Deutschland damit umginge. Daß ich froh bin, daß die USA noch in der NATO seien, sage ich, denn bei einem anderen Wahlausgang wäre das ja möglicherweise nicht mehr der Fall gewesen. Ja, sagen sie beide, es sei schwierig mit den Präsidenten in den USA. Der eine sei das eine Extrem, der andere das andere. Wir sind uns einig, daß beide Länder, Deutschland wie die USA, gespalten sind, wenig Grautöne, nur mehr schwarz und weiß. Sie wünschen sich einen gemäßigten Präsidenten, der aber auch eine klare Linie verfolge.
Es ist spannend, sich mit gemäßigt denkenden Amerikanern, die nicht nur gebildet sind, sondern sich auch klug äußern können, zu unterhalten. Wir haben schon anderes erlebt.

Als es Zeit wird aufzubrechen, bekommen wir eine Visitenkarte überreicht und werden um unsere gebeten. So etwas besitzen wir aber nicht, so muß es die Emailadresse tun. Seine Karte outet ihn Nasa-Ingenieur, befaßt mit der Entwicklung von Satelliten, was ihm vor vielen Jahren auch seinen spannendsten Job eingebracht hat. Er war in den Siebziger Jahren der Funker der Calypso.


Wir gucken vermutlich ungefähr so ungläubig aus der Wäsche wie gestern, als Ethan uns sagte, wir seien von einem Unbekannten zum Essen eingeladen worden. Die Calypso, das ist unglaublich, jemandem gegenüberzustehen, der mit Cousteau zusammengearbeitet hat. Diese Reaktion scheint er gewohnt zu sein, wenn er diese Geschichte erzählt, denn er hat sofort eine Ladung alter Fotos auf dem Smartphone parat, die ihn zusammen mit Cousteau zeigen, unterwegs zwischen den Inseln der Bahamas.

Während die beiden auf dem Boardwalk nach den Snail Kites Ausschau halten wollen, gehen wir zurück zum Auto und umrunden die Paynes Prairie. Wir wollen heute noch zum Haupteingang, wo der größte Aussichtsturm steht, den die Gegend zu bieten hat. Hier haben wir auf der letzten Reise eine unserer unangenehmsten Begegnungen mit US-Amerikanern gehabt, zwei religiösen Fanatikern, die uns Hölle und Verdamnis predigten. Daher sind wir auch ein klein wenig angespannt, als wir am Fuße des Aussichtsturms hören, daß oben auf der obersten Plattform bereits jemand herumrumort. Es handelt sich dann aber um zwei harmlose Freunde, ebenfalls Wildtierfotografen, die auf Hirsche und Bisons aus sind und schon den ganzen Tag hier stehen.



Neulich hätten sie Glück gehabt, erzählen sie uns, da hätte die gesamte Bisonherde auf der Grasfläche vor dem Aussichtsturm gelegen. Heute sehen wir nur ein Reh. Der Ehemann und die beiden sind sofort wieder in Fotolatein vertieft, einer der beiden ist obendrein auch noch professioneller Surf-Fotograf aus St. Augustine (und ich finde, man erkennt auf dem Foto oben sofort, welcher der beiden das ist 😉 ), der nicht schlecht staunt, als wir ihm erzählen, daß wir in einem Monat in Teahupo’o sein werden.

Da sich aber bis zum Horizont derzeit nichts weiter Spannendes abspielt, beschließe ich, ein paar Trails zu gehen.



Parallel zum Besucherzentrum beginnt der Cones Dike Trail, ein Damm, der tief in den Sumpf hineinführt, aber trocken liegt. Ich gehe ein Stück, in der Hoffnung, hier vielleicht wenigstens in der Ferne ein paar Pferde zu sehen, aber nichts. Als die Sonne langsam zu sinken beginnt, kehre ich um und drehe noch eine kurze Runde über den Little Wacahoota-Trail, der unterhalb des Aussichtsturms einen kleinen Loop macht. Hier, zwischen Aussichtsturm und Campingplatz, ist vermutlich tagsüber zuviel menschliche Aktivität für Tiere, aber wenigstens auf eine Schildkröte hätte ich gehofft, aber nichts zu sehen. Der Weg ist trotzdem schön zu gehen, unter dem Blätterdach ist es schon ein bißchen düster, es ist sehr tropisch, als wäre man viel näher am Äquator, als man ist. Ich genieße es sehr, hier ganz allein zu sein, die Gerüche und Geräusche. Man kann hier auch ganz entspannt gehen und vor sich hin träumen, mit Bären oder Gators muß man auf diesem Weg nicht rechnen.



Als ich wieder auf den Turm zurückkehre, ist nicht nur das Licht besonders schön geworden, es sind auch drei Pferde in Sichtweite gekommen.



Alle drei sehen gut genährt und gesund aus. Da es nur drei erwachsene Tiere sind, ist anzunehmen, daß es eine Junggesellengruppe ist, erkennen kann man das aus der Entfernung nicht.



Wie mir Kaiser Wilhelm vor ein paar Stunden erzählt hat, werden gelegentlich Pferde, deren Besitzer sie loswerden möchten, hier in der Prairie entsorgt wie anderorts überflüssig gewordene Schmuckschildkröten im Stadtparkteich, aber die überleben dann meist nicht lange. Zwar sind die hier geborenen Tiere ja eigentlich auch keine wirklichen Wildpferde, sondern Nachkommen der Pferde der Cracker, die, wie viele Rassen die in sumpfigen Untergründen ihren Ursprung haben, mehr als drei Gangarten beherrschen und sehr sitzbequem sind.


Der Bestand ist bedroht, es soll nur mehr 2000 Exemplare geben, daher ist die Population hier in der Prairie so wichtig für den Erhalt. Ausgewildert wurden sie schon vor vielen Jahrzehnten und sind an das Leben hier im Sumpf gewöhnt und bei gelegentlichen Zusammentreffen mit Gators wissen sie sich durchaus zu wehren:


Schon am Abend tauscht der Ehemann mit unseren Dahlemer Paynes-Bekanntschaften die ersten Mails. Der Kontakt besteht bis heute, was wir überhaupt nicht erwartet hatten. Eine Einladung, an einer Fotosafari nach Südafrika teilzunehmen mußten wir aufgrund anderer Reisepläne ausschlagen, aber wir sind gespannt, ob die beiden ihre Ankündigung eines Besuches in ihrer alten Heimat Berlin wahr machen werden.
 
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Nach dem intensiven Tag in der Paynes Prairie ist der Ehemann voll im Reptilienfieber und würde am nächsten Tag am liebsten direkt nach St. Augustine fahren. Da das aber erneut einen zeitigen Aufbruch und ein straffes Tagesprogramm bedeuten würde, verschieben wir das auf morgen und beschließen, uns heute nur über die Landstraßen der näheren Umgebung treiben zu lassen. Alte Häuser fotografieren, Blumenwiesen bewundern und die ein oder andere Quelle auf Beschwimmbarkeit prüfen.

Wir haben keine Eile und trödeln über die Dörfer und halten an, wo es uns gefällt.
Die Gegend hier ist einsam, am Straßenrand immer wieder verfallene Farmhäuser, deren Geschichte man gern wüßte. Wenn ein Farmbesitzer verstirbt, haben die benachbarten Farmer natürlich nur Interesse daran, die angrenzenden Agrarflächen zu übernehmen, und überlassen die Farmhäuser der Natur. Auch die Erben machen sich meist nicht die Mühe, die Häuser auszuräumen oder abzureißen, das Grundstück direkt an der Landstraße wird nicht benötigt, niemand kümmert sich weiter darum.



So sehr sich diese Häuser als Fotomotive eignen, so traurig ist es auch. Was einmal das Zuhause von jemandem war, ist nun ein Lost Place. Oft ist anhand der Vegetation noch zu sehen, daß hier jemand einen Garten gepflegt hat. Wir betreten natürlich keines der Gebäude, aber auch von außen kann man sehen, daß manchmal noch Mobiliar vorhanden ist, Gardinen und Jalousien vor den Fenstern hängen. Die Atmosphäre ist weniger unheimlich, eher melancholisch.

Hauser-4.jpeg


Entlang des Suwannee gibt viele kleine, abgelegene Quellen, die nur nach langer Fahrt über Sandpisten durch dichten Wald erreichbar sind. An der alten Tankstelle in Luraville gibt es noch eine verblaßte Wandmalerei, die inzwischen kaum noch zeigt, wie zahlreich die Quellen hier sind.



Als Wegweiser taugt sie auch nicht mehr viel. Mit ein paar Tips, wie wir die Abzweigungen in den Wald gut finden, hilft uns die Kassiererin in der Tankstelle aus. Der Dreh- und Angelpunkt hier in der Gegend ist Black Gold, die Kartoffelfarm. Von da ab nur noch rechts, rechts und nochmal nach rechts.

Später werden wir feststellen, daß wir unabsichtlich einen riesigen Umweg gefahren sind und die Quellen auf anderem Wege schneller hätten erreichen können, aber zum Nachteil ist das nicht, denn die Strecke ist wunderschön. Wir fahren an weiß gestrichenen Koppelzäunen entlang, die den Hintergrund zu Phlox und Rudeckien bilden.



Das Ganze wirkt komponiert, wie künstlich angelegte Blühstreifen, ist aber auf natürlichem Wege entstanden. Inzwischen gibt es allerdings Saatmischungen für das Nordflorida-Feeling für den heimischen Garten zu kaufen.


Die Fahrt zieht sich und wir glauben schon, Black Gold verpaßt zu haben. Als wir aber am neuralgischen Punkt der Fahrt ankommen, einer winzigen Kreuzung irgendwo im Nirgendwo, an der man sich bestens verfahren kann, wenn man falsch abbiegt, sehen wir, daß es kaum möglich ist, Black Gold zu übersehen. Die Farm ist riesig, gigantische Erntemaschinen fahren in noch gigantischere Wellblechgebäude hinein und hinaus und sehen dabei aus wie Ameisen. Uns war nicht bewußt, daß hier in so großem Stil Kartoffeln angebaut werden.

Jetzt noch dreimal rechts abgebogen, dann geht es in den Wald nach Royal Springs. Royal Springs ist eine jener Quellen, die sich im Besitz einer beneidenswerten Privatperson befindet, es gibt aber kein Wohngrundstück direkt an der Quelle, sie ist der Öffentlichkeit zugänglich und kostet großzügigerweise keinen Eintritt. Dementsprechend voll ist es hier auch, zahlreiche Einheimische sitzen in den Pavillons und grillen, im Wasser ist jede Menge los.



Die Quelle hat etwas von einem verwunschenen Waldsee und bei dem hohen Wasserstand würde es sicher Spaß machen, zwischen den überfluteten Bäumen herumzuschnorcheln. Bei normalem Wasserstand ist es vermutlich ein wenig beengt, wenn hier immer so viel los sein sollte. Es gibt eine Höhle und ein paar Taucher bereiten sich gerade auf den Tauchgang vor während Jugendliche, die auf dem oberen Holzdeck stehen, über ihre Köpfe hinweg ins Wasser springen. Der Ehemann war vor vielen Jahren schon einmal hier, ich noch nie. Wir schauen uns ein bißchen um, vielleicht kommen wir ja zu einem späteren Zeitpunkt noch mal wieder, heute reizt es uns aber nicht.



Little River Springs dagegen ist eine Quelle nach unserem Geschmack. Sie liegt ein paar Meilen flußabwärts und ist eine First Magnitude. Der Quelltopf ist weit und wie in Ginnie bildet sich durch den hohen Druck der Quelle ein scharfer Grenzbereich zwischen dem klaren Quellwasser und dem dunklen Flußwasser, in den man hineinschnorcheln kann, was witzig und auch ein bißchen gruselig ist.



Die Quelle kostet stateparkmäßig einen geringen Obolus, es ist nicht viel los, eine Mutter unterrichtet ihren Sohn im Schwimmen, ein paar Angler stehen am Ufer. Wir suchen uns einen etwas abgelegeneren Platz auf einem der Decks direkt am Fluß und packen unsere Klappstühle aus. Hier haben wir einen Logenplatz, wie man ihn sich schöner nicht wünschen kann. Im Fluß liegt ein umgestürzter Baum, wir packen unser Picknick aus und beobachten einen kleinen Cooter bei seinem mühsamen Aufstieg zu einem Sonnenplatz.



Irgendwann kommen zwei große Motorboote vom Suwannee, die offenbar zusammengehören, verbotenerweise in die Quelle hineinfahren und direkt neben dem Verbotsschild festmachen, dreister geht es kaum. Die Mutter holt auch sofort ihren Sohn aus dem Wasser und beide sitzen am Ufer und gucken.

Das erzkonservative Florida ist in Natur- und Tierschutzbelangen nicht gerade in einer Vorreiterposition. Den Florida Springs and Aquifer Protection Act gibt es immerhin, aber gerade mal 30 Quellen sind als „outstanding“ eingestuft und genießen besonderen Schutz.
Es ist zwar nicht unbedingt zu befürchten, daß die kleinen, entlegenen Quellen am Suwannee und am Santa Fé zukünftig einen massiven Touristenansturm zu erwarten haben. Hier, wo der Reiz eher im Unspektakulären liegt und man viel Geduld aufbringen muß, um im dunklen Wasser der Flüsse Tiere zu sehen, und wo man auch nicht Tuben oder auf Springbreakerparties gehen kann, ist nichts, was die breite Masse der Amerikaner, die die wenige Urlaubszeit, die sie haben, ja zumeist intensiv nutzen wollen, anziehen würde. Aber allein durch den massiven Zuzug, der ganz Florida merklich unter Druck setzt, droht den Quellen zusätzliche Belastung. Nicht nur durch den Einfluß der Landwirtschaft und die steigende Trinkwasserentnahme, sondern auch von den Menschen selbst, die sich hier niederlassen, ihre Freizeit hier verbringen, von der wunderschönen Natur profitieren wollen, aber (noch) kein Empfinden für die fragilen Ökosysteme, die einen Teil ihrer endemischen Fauna in den letzten 10 Jahren bereits so gut wie eingebüßt haben, entwickeln konnten.

Weitere Quellen heben wir uns für später auf und trödeln lieber gemütlich nach Lake City zurück. Wir wählen dabei eine andere Strecke, die durch besonders üppige Blumenwiesen führt. So viele „Wildflowers“ wie dieses Jahr haben wir wirklich noch nie gesehen.

 
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Suse65

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So viele große Gators, wie wir auf dieser Reise bislang gesehen haben, sind kaum zu toppen. Noch größere Reptilien gibt es in Florida nur noch in St. Augustine. Ich war erst einmal dort, das ist aber schon 10 Jahre her und damals stand auch der Besuch der Altstadt im Vordergrund. Diesmal wird es umgekehrt sein, und alte Krokodile werden den Vortritt vor alten Häusern haben.

Es ist eine knapp dreistündige Fahrt von Lake City bis St. Augustine. Daß wir die Langsamsten sind, obwohl auch wir immer am oberen Limit fahren, muß wohl nicht nochmal erwähnt werden. Wenigstens ist es Sonntag und auf den Autobahnen relativ wenig los. Dafür ist es auf der Alligatorfarm umso voller. Wir haben ein Riesenglück und bekommen den letzten Parkplatz direkt vor dem Haupteingang.

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Den Eingang bildet ein hübsches Gebäude im Spanish Revival Stil, dahinter schließt sich die Parkanlage an, die für sich in Anspruch nimmt, jede auf der Erde bekannte vorkommende Krokodilspezies zu zeigen.

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Neben den Krokodilgehegen hat man südostasiatischen Tieren wie Waranen und einer Schlangensammlung ein Indonesienhaus gegönnt und für eine Lemurengruppe aus Madagaskar gibt es ein großes Gehege.

Im Vergleich zum Gatorland ist die Alligatorfarm klein. Angesichts der Artenvielfalt, die hier gezeigt wird, wirkt alles irgendwie komprimiert, dabei aber mit viel Liebe zum Detail gestaltet.

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Wir sehen während des gesamten Rundgangs kein einfallsloses Gehege, alles ist üppig bepflanzt, auf Freisitzen hocken Papageien, dazu die zahllosen Reiher, die sich hier freiwillig niedergelassen haben, natürlich aus den gleichen Gründen wie im Gatorland.

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Im Außengelände dann eine Überraschung. Nicht nur Reiher brüten hier, sondern auch eine große Kolonie Rosa Löffler.

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Sie sind so zahlreich, daß man beinahe meinen könnte, das sei doch nichts Besonderes.

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Aber nicht nur ich, sondern auch viele Floridianer haben noch nie einen Rosa Löffler in freier Wildbahn gesehen. Und hier sitzen sie genauso zahlreich wie die Reiher herum.

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Die Nistbäume sehen aus wie in Zuckerwatte gehüllt.

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Unter ihnen schnarchen die Alligatoren. Es gibt Futterautomaten, das scheinen sie genau zu wissen, denn genau unterhalb der Standorte lümmeln die meisten herum. Ich mache mir den Spaß und verbrate zwei kostbare Waschmaschinen-Vierteldollar und werfe die Futterpellets ins Wasser. Da werden sie dann tatsächlich munter und das Wasser brodelt kurzzeitig, danach fallen sie sofort zurück ins Koma.

Das Highlight der Alligatorfarm ist aber gar kein Alligator, sondern ein Salzwasserkrokodil. Genauer gesagt zwei, aber nur eines davon ist lebendig: Maximo, stolze viereinhalb Meter lang.


Wir haben die Fütterungszeiten verpaßt oder möglicherweise gab es heute auch gar keine. Aber auch einfach nur so, wie er so daliegt, ist das schon noch eine andere Hausnummer als der größte Alligator, und schmücke er sich auch mit noch so vielen Wasserpflanzen.

Wenn man Maximo eine Weile angeschaut hat, hatte das Auge Gelegenheit, sich an die Abmessungen zu gewöhnen, so daß der Anblick seines Vorgängers nicht mehr ganz so erschreckend ist. Das Krokodil, das Maximos Gehege vor ihm bewohnt hat, war sogar noch einen ganzen Meter länger und man kann sich ihm inzwischen gefahrlos nähern, er ist nämlich ausgestopft.

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Gomek, ebenfalls ein Salzwasserkrokodil, war ein legendär riesiger Wildfang aus Neu Guinea, eines der größten, wenn nicht das größte Krokodil, das je in einem Zoo gehalten wurde. In seinem eigenen Museum wird Gomeks gedacht, und wenn man dann so direkt daneben steht, ist der Gedanke, dem Tier zu Lebzeiten irgendwo in Neu Guinea begegnet zu sein, schon eine Horrorvorstellung. Generell finde ich Krokodile sehr viel unheimlicher als Alligatoren, und ich glaube, das liegt an der spitzen Schnauze, die die Tiere viel aggressiver wirken läßt.

Ich bin zum ersten Mal auf der Alligatorfarm und finde die Einrichtung sehr angenehm, es gibt viel zu sehen und alles ist gepflegt und liebevoll gestaltet. Natürlich darf die obligatorische Zip-Line nicht fehlen; während wir essen, sausen die Leute über unseren Köpfen quer über die harmloseren Gehege. Das von Maximo wird dabei ausgespart, warum nur?

Wir lassen uns irgendwo zwischen dem Gomek- und dem Indonesienhaus nieder und besorgen uns zu essen und zu trinken. Die Auswahl an Snacks ist anders als im Gatorland, dies hier ist keine Zuchtfarm, somit wird kein Alligatorfleisch angeboten. Die Preise sind ok und Getränke gibt zum Nachfüllen.

Während der Ehemann noch eine ausgiebige Runde über das Außengelände zu den Reihern, Löfflern und anderen Bewohnern dreht,

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bleibe ich noch ein bißchen beim Refill, passe auf die Taschen auf und beobachte die Leute.
Als ich plötzlich „Fountain-Drinks“ lese, wird mir auf einmal bewußt, wie lange Miami schon her ist und daß sich unser Aufenthalt so langsam dem Ende nähert.

Aber der Tag hält noch einen Brüller bereit, zumindest für mich. Drei Jahre ist es her, daß ich auf einer pazifischen Insel Opfer eines nicht stubenreinen Rotfußtölpels wurde, der sich genau über mir erleichtern zu müssen meinte. Angeblich soll das ja Glück bringen, mir brachte es vor allem das Gelächter des Ehemannes ein. Drei Jahre also mußte ich warten, bis ich gerächt wurde, aber heute ist es soweit. Als der Ehemann überraschend früh und auffallend zügigen Schrittes von seiner letzten Fotorunde auf dem Außengelände zurückkehrt, haben ihm die Löffler den Arm verziert. Er sieht er fast schlimmer aus als ich damals, aber vor allem die fassungslose Miene ist unbezahlbar.

Nachdem ich vor Lachen erstmal ausgiebig zusammengebrochen bin, putzen wir die Hinterlassenschaften ab, so gründlich wie es geht, und gottseidank hat es nicht nur das T-Shirt überlebt, die Geruchsbelästigung während der Rückfahrt hält sich in Grenzen. Und die Hauptsache ist, daß die Kamera nichts abbekommen hat.

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Und was die Fotos betrifft, hat sich der Einsatz sowieso gelohnt.

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Suse65

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Am nächsten Tag raffen wir uns zu einer Fahrt zu einer nicht allzuweit entfernten Quelle auf. Da wir diesmal noch gar nicht in Ichetucknee Springs waren, ist klar, daß es das heute wird, denn wenigstens einmal auf jeder Reise müssen wir dort hin. Es ist Montag, und wir hoffen darauf, daß so zum Wochenbeginn nicht allzuviel los ist.

Ichetucknee Springs ist eine Quelle, deren Namen selbst viele Floridianer vor 20 Jahren noch nicht einmal kannten. Inzwischen gehört sie zu den überregional bekannten und gut vermarkteten Quellen, und das liegt eigentlich nicht so sehr an der Quelle selbst, sondern am Ichetucknee River. Bei allem Verständnis für den Spaß, den das Tuben auf dem Fluß sicher macht, stehen wir der Angelegenheit eher ambivalent gegenüber. Gut gemanagtes Tubing in Maßen schadet der Umwelt sicher kaum, aber es ist die schiere Masse an Besuchern, die den gesamten Sommer über hier am Ichetucknee einfallen, die wirklich erschreckend ist.

Auch der Headspring ist inzwischen zu einer regelrechten Badeanstalt ausgebaut worden. Das Wasser ist mit Mauern eingefaßt, hier gibt es keine Schutzzonen für Tiere mehr. Wir sind schon bei der letzten Reise nur für einen kurzen Blick auf das Geschehen stehengeblieben und dann direkt zum tiefer im Wald liegenden Blue Hole weitergegangen.



Am Blue Hole ist man spätestens ab dem späteren Vormittag auch nicht mehr allein, aber die ganz großen Menschenmassen scheuen offenbar den zehnminütigen Fußmarsch durch den Wald. Wenn man das Wasser für sich allein haben möchte, muß man Geduld haben, die meisten Besucher halten es im Quellwasser nicht lange aus und gehen bald wieder, da man sich unter dem dichten Blätterdach auch nicht in die Sonne setzen und sich aufwärmen kann.

Heute ist es anders, wir sind nicht die einzigen, die hier ganz offensichtlich genau das selbe suchen, ein junger Mann schnorchelt bereits im Blue Hole, und er ist sehr ausdauernd. Da das Wasser so hoch steht, kann man ein Stück in den Spring Run hineinschnorcheln, wo viele Fische stehen. Vor über 10 Jahren habe ich genau an dieser Stelle zuletzt eine kleine Moschusschildkröte über den Grund laufen sehen, danach nie wieder, und es ist auch unwahrscheinlich, daß ich je wieder eine sehen werde. Aber trotzdem halte ich unbewußt immer wieder Ausschau.

In dem engen Spring Run stehen viele Fische, die ich aufscheuche, so wie ich es auch kaum schaffe, den Bodengrund nicht mit den Flossen aufzuwirbeln, daher lasse ich das dann doch bleiben und schwimme in das offene Wasser zurück. Weiter draußen scheint die Sonne in das Blue Hole hinein und läßt es leuchten. Ich versuche jedesmal, ein Stück hinunterzutauchen, aber gegen den Wasserdruck komme ich immer nur wenige Meter an.



Auch unter Wasser kann ich hören, daß weitere Leute angekommen sind und sich irgendwo auf der Plattform unterhalten. Auf der Treppe sitzen drei Personen und lachen über irgendwas. Wie sich herausstellt, sind es US-Amerikaner auf Familienbesuch, die sich nicht ins kühle Wasser wagen. Der Ehemann ruft mich heran und diesmal beantwortet sich die Frage, woher die Gruppe stammt, nicht mit Deutschland. Sie sind aus Guam, womit sich auch erklärt, warum ihnen das Quellwasser zu kalt ist. Alligatoren lassen solche Leute aber eher nicht nervös werden. Wenn sie Urlaub machen, fahren sie normalerweise nach Palau, wo es vor Gomeks und Maximos nur so wimmelt. 🐊🐊 Wir sind beeindruckt, wir kennen Leute, die schon zum Tauchen in Guam waren und die die Schönheit der Insel schwer beeindruckt hat.

Wir erzählen, daß wir auch bald im Südpazifik unterwegs sein. Sie kennen Tahiti ebenfalls und haben direkt eine Empfehlung für einen Guide für uns. Wir tauschen Facebook-Kontaktdaten, die seither meinen Feed mit Bildern aus Guam verschönern. Man müßte vielleicht wirklich mal hinfahren.

Die Südseeinsulaner brechen bald wieder auf und auch der Ehemann macht sich mit der Kamera auf den Weg. Ich bleibe, in mein Handtuch gewickelt zurück, und bewache unser Zeug. Der einsame Schnorchler, der bereits vor uns da war, hat sich auf der Plattform im Hintergrund gehalten und vermutlich gewartet, daß er die Quelle wieder für sich allein hat, denn als alle außer mir aufbrechen, ist seine Enttäuschung, daß ich nicht ebenfalls den Rückzug antrete, förmlich spürbar. Er klettert auf den Zaun und schaut reglos auf das Wasser hinaus, in dem jetzt gerade kein Mensch mehr schwimmt und die Perfektion stört. Die Oberfläche ist glatt wie ein Spiegel, nur über dem Blue Hole kräuselt es sich ein bißchen. Sobald es ruhiger wird, kommen die Schildkröten wieder heraus, um sich zu sonnen, irgendwo im Wald klopft ein Specht. Ich versuche, ihm die Stimmung so wenig wie möglich zu verderben, indem ich keinen Mucks von mir gebe.



Als der Ehemann zurückkommt und wir uns kurz unterhalten, spricht er uns an und entpuppt sich als sehr sympathischer College-Student aus Jupiter. Die deutsche Sprache hat sein Interesse geweckt. Diesmal ist der Bezug zu Deutschland ein besonders kurioser: Sein Vater sammelt Porsches.
Er macht gerade den Abschluß und gönnt sich das hier als Pause vor der letzten Prüfung. Der Eindruck, den ich von ihm hatte, bestätigt sich. Er stammt von der Küste, aber eigentlich zieht es ihn hierher, in die Wälder zu den Quellen. Und so wie wir gern hierher kommen, träumt er davon, nach dem Studium Europa zu bereisen. Was er von Jupiter erzählt, klingt, als sei das eine Stadt, die sich zu besuchen lohnen könnte. Er spricht von der schönen Landschaft und den nicht überlaufenen Stränden abseits des Inlet.

Die eigentlich geplante kurze Wanderung auf dem Uferweg entlang des Ichetucknee River muß ausfallen, Ausbesserungsarbeiten am Weg, überall rotweiße Absperrbänder. Der Ehemann ist ein bißchen enttäuscht, weil der Weg normalerweise sehr ergiebig ist, was Fotomotive betrifft. Also verbringen wir den Nachmittag mit Grillen und Musikhören und Faulenzen.

Die Souvenirs von gestern werden weiter genutzt 😉



Vielleicht auch ganz gut so, denn am nächsten Tag haben wir sowieso unsere letzte längere Fahrt vor.
 

Sommarsverige

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Wow, die Natur und Tierfotos sind ein absoluter Traum :love: Diese Vielfalt an Natur und Tierwelt finde ich in Florida einfach immer wieder beeindruckend und es ist einer der Gründe, warum es mich immer wieder dorthin zieht!!

Vielen Dank auch dafür, dass Du mal ein paar nicht so bekannte State Parks vorstellst. Die Fotos gefallen mir sehr und wenn es mich mal die Ecke Floridas verschlägt, lese ich vorher auf jeden Fall nochmal Deinen Bericht.

Vielen Dank für Deine Mühe :)
 
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