Vorab ein Bitte an euch: Sollte ich jemals wieder erwähnen, dass ich über Paris fliege: Ratet mir eindringlich davon ab, bitte.
Bitte!
BITTE!!!
In einem anderen Thread wurde diskutiert, dass bei einigen von euch dieses „wow-Gefühl“ nicht mehr wirklich vorhanden sei: Am Strand stehen und nur so „naja, auch ganz schön hier“ denken, wo man früher einmal tief durchgeatmet hatte und die dringensde Frage war „Wissen die, die hier wohnen eigentlich, wie schön sie es hier haben?“
So ähnlich ging es mir beim Warten auf dein Einstieg in das Flugzeug in Berlin. Dieser Aufwand, dieses Geld, die lange Reise in einem engen Flugzeug, Stunde um Stunde, anstehen an unendlichen Schlagen, mal ganz zu schweigen von den Umweltaspekten. Diese Gedanken waren bei mir während der Anreise ein ständiger Begleiter…
…bis sich am Flughafen von Ft. Myers die Schiebetüren zur Straße öffneten und mein erster Gedanke war: „Ich will hier nie wieder weg“. Der blaue Himmel, die Temperaturen, die Menschen, die Sprache, ihr wisst wovon ich rede. Es sei also schon einmal so viel verraten: Wir sind da!
Was war zwischen diesen beiden Gedankengängen passiert?
Ich werde bei einigen Dingen die „Vorlauftaste“ drücken und euch die Langversion ersparen und außerdem weiß ich am Anfang immer nie, wie lange die Berichte so werden und ob das nicht irgendwann einfach nur langweilig für euch wird.. Aber der Reihe nach:
Kennt ihr diese Warteschleifenmusik am Telefon, wenn man bei einer Firma anruft und nicht sofort drankommt? Irgendein „Gedusel“ irgendwelcher Musik, meistens irgendetwas langsames, vermeintlich beruhigendes? Diese Musik ging mir durch den Kopf, als unser Taxifahrer mit Tempo 40 durch die Stadt zum Flughafen fuhr. Wir, um 4 Uhr morgens ganz alleine auf dem Weg ins Paradies…
…mit Tempo 40! Leider kannte er den Weg nicht ganz so genau und ich habe ihm am Anfang noch gesagt, dass diese Sachgasse vielleicht nicht die Richie Abbiegung wäre. Aber irgendwann kannte er sich nach seinen Aussagen aus und hatte den für Taxifahrer üblichen „Geheimweg“, der quasi eine grüne Welle schon komplett inkludiert hatte…
Nach der dritten roten Ampel habe ich aufgegeben und ihn fahren lassen. Wir hatten Zeit genug eingeplant, dass sollte passen, und tat es auch. Der Check in-Schalter war (verhältnismäßig) leer, die Sicherheitskontrolle auch und ca. 20 Minuten nach Betreten des Flughafens saßen wir am Gate. Schnell noch etwas zu Essen und zu Trinken kaufen (PriorityPass, ihr wisst ja) und dann kann es losgehen.
Doch bereits zwei Minuten nach dem Start wurde mir schmerzhaft (tatsächlich) bewusst, was ich Zuhause vergessen hatte: Meinen Werkzeugkoffer!
Den hätte ich gerne meinem Vordermann geliehen, der ständig(!) und ununterbrochen(!) versucht hatte, die Sitzlehne nach hinten durchzubrechen. Ernsthaft! So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ging soweit, dass mein Tablet (was zugegebenermaßen nur halbherzig in der Tasche zum Vordersitz steckte) herunterfiel, weil mein Vordermann so doll dagegen gedrückt hatte. Also entweder war das ein Psychopath oder Mitarbeiter der Sfiftung Warentest. Ich achte daher einmal in den kommenden Wochen auf die Zeitschrift mit der Schlagzeile „Für Sie getestet: Wie stabil sind Flugzeugsitze tatsächlich?“. Irgendwo in dem Bericht wird dann stehen „
..Und dann konnte ich mich noch live von der Stabilität der Sitze überzeugen. Ich habe über eine Stunde alle physikalisch möglichen Dinge ausprobiert, aber der Sitz ist nicht kaputt zu kriegen. Leider hatte auch keiner der Mitreisenden einen Wekzeugkoffer dabei, so dass ich leider keine weiteren Untersuchungen vornehmen konnte.“.
Ich schweife ab, näherten wir uns doch mit Tempo 850 km/h dem dramaturgischen Höhepunkt unserer Reise: Paris, Stadt der Liebe! Zumindest für andere. Zugegeben: 1:05 Stunden zum Umsteigen sind waghalsig, aber ein Wechsel von Terminal 2F nach 2E hört sich so ganz „un petit“ und „klitzeklein“ an. Im Kopf entsteht das durch Kino und Fernsehen geprägte Bild einer hübschen, jungen Französin die ihr Gesicht leicht schräg haltend einen anlächelt und die Strecke von „E“ nach „F“ quasi verschwinden lässt. Ich kann euch sagen: Das einzige, was wir verschwinden sahen war unser Flugzeug. Durch die aktuellen Problematik habe ich ja gelernt, dass man auf sich aufmerksam machen muss, wenn man feststellt, dass man am Ende der Schlange steht und vielleicht nicht rechtzeitig zum Flugzeug kommt. Also habe ich das auch gemacht: Leider schaute mir dann aber keine hübsche, junge Französin ins Gesicht, sondern ein streng blickender Franzose, der sagte: Sie haben noch 50 Minuten? Das reicht, Hier stehen Sie nur rund 10 bis 15 Minuten an, das passt schon.
Nach 25 Minuten hatte sich dann nicht nur unser Puls beschleunigt, nein, wir hatten dann auch unsere Pässe in der Hand und durften nach Frankreich einreisen. Also schnellen Schrittes 20 Meter weiter, nach links, um dann…
…vor einem Fahrstuhl zu stehen…
…mit den geschätzt 60 anderen…
...und zu warten…
Wisst ihr, was der Hausfraueneffekt ist? Ich habe gelernt, das nennt man so, wenn z.B. viele vor einem Fahrstuhl stehen und nahezu jeder noch einmal auf den Rufknopf drückt, obwohl dieser schon leuchtet und klar ist, dass der schon gedrückt wurde. Ich würde dieses Phänomen aber noch um den Hausmanneffekt ergänzen wollen, den ich wie folgt definiere: „
Wie jetzt? Die Türen gehen schon zu und der Fahrstuhl ist voll? Das muss ich aber noch einmal genau(!) überprüfen.“ Also Fuß in die Tür und noch reingequetscht. Wieso hatte ich wieder die Stiftung Warentest im Kopf mit der Schlagzeile „Wieviele Menschen gehen tatsächlich in einen Fahrstuhl? Wir haben es für Sie getestet!“
Endlich ein Stockwerk tiefer mit dem Fahrstuhl angekommen, ging es erst einmal nach links, dann nach rechts und dann mit der Rolltreppe wieder hinauf (nicht fragen, nur wundern). Nach einem kurzen Weg dann wieder hinunter, um an der nächsten Schlange zu stehen, nämlich die für einen Shuttle-Bus. Inzwischen waren wir 20 Minuten vor Abflug und standen in einer Schlange, die auf einen Bus wartet, der gar nicht da ist. Im Hintergrund lief Wartemusik, die man aus Telefonschleifen kennt…
Irgendwann kam dann ein Bus. Der Busfahrer, ausgebildet offensichtlich bei einer Berliner Taxizentrale, fuhr (obwohl ich gar nicht sicher war, ob er das Gaspedal drückte oder nur die Erdanziehung ausnutzte) mit einem Tempo, bei der die Nadel beim Tachometer in meinem Auto wahrscheinlich die Arbeit noch verweigert hätte, rund um den Pariser Flughafen, noch 13 Minuten bis zum Abflug. Irgendwann sind wir dann am Terminal 2E angekommen.
Was ich wusste, war, dass die Französische Sprache schwer zu erlernen ist, was ich gestern gelernt habe, ist: Offensichtlich ist auch das französische Alphabet ein anderes: Da kommt „E“ kurz vor „A“ und „F“ kurz nach „Z“. Egal, wir haben unseren Sohn rennend zum Gate geschickt, damit er schon einmal bescheid sagen konnte, dass wir kommen.
Die Kurzversion: Es war kein Passagier mehr am Gate, unmittelbar nach uns wurden die Türen geschlossen, unsere gebuchten Sitzplätze waren bereits wieder neu vergeben und einer unserer Koffer war schon wieder ausgeladen (ich hatte erwähnt, dass man in der DeltaApp verfolgen kann, was mit den Koffern passiert - falls es jemanden interessiert, das nennt sich „Bag removed planesite“). Aber wir saßen im Flugzeug. Ich vorne am Gang, Meine Frau und mein Sohn weiter hinten einigermaßen zusammen, einer auf der einen Seite des Ganges, einer auf der anderen“. Ansonsten war der Flug wie immer ganz gut. Es gab reichlich zu Essen und zu Trinken (ganze Dosen Softdrinks und nicht nur ein halbvoller Becher), das Entertainment-Programm war wie immer reichhaltig und der Flug an sich ruhig.
Zwei Dinge habe ich gelernt:
Delta schaltet die „Fast your seatbelts“-Zeichen schon relativ früh an (das wusste ich schon, ich bilde mir ein, dass hat versicherungstechnische Gründe). Neu war mir, dass das wohl nur noch eine Art Empfehlung ist, passend zu den Vorgaben über „Hand“-Gepäck. Obwohl die Zeichen geleuchtet haben, sind die Leute aufgestanden und durch das Flugzeug gerannt, als würde man dafür Extra-Meilen auf dem Meilenkonto bekommen. Ich verstehe es nicht (ebenso wenig, wie die Großzügigkeit der Airlines beim Handgepäck).
Inzwischen konnte ich in der App sehen, dass der fehlende Koffer bereits in die nächste Maschine nach Atlanta geladen wurde und so stellte sich mir die (zweite) Frage: „Wo muss man denn eigentlich zum Lost-and-found-Schalter gehen? An dem Flughafen, wo man einreist (also in Atlanta), weil man dort sein Gepäck ja wieder in Empfang nimmt) oder am Zielflughafen? Ich hatte ja mehrere Stunden Flugzeit, mir diese Frage zu stellen…
Na, wer weiß es?
(An dieser Stelle käme zur Zeitüberbrückung ein wenig Wartemusik aus den einschlägigen Telefonanlagen großer Firmen (gibt’s da eigentlich ein „Best of“? Muss ich gleich mal klären, wenn ich wieder Zuhause bin))
Die Antwort: Ich!
Wir haben beides ausprobiert. Sind sowohl in Atlanta zum Service gegangen (was ein Verlassen des Sicherheitsbereiches und ein erneutes Anstellen an der Security zur Folge hat, aber das ist eine andere Geschichte…), als auch in Ft. Myers. An beiden Standorten extrem nette Mitarbeitende, die uns dann erklärt haben: Zielflughafen ist die richtige Antwort. Also: Wieder was gelernt (und ich war noch nicht einmal richtig im Urlaub…). In Atlanta wurde uns auch bereits mitgeteilt, dass der Koffer für den nächsten Flug ATL- RSW eingebucht war und wir vor Ort klären sollten, on wir den Koffer geliefert haben wollten oder lieber selber abholen (Bevor ich verrate, was wir gemacht haben, kann sich jeder schon einmal vorstellen, was er oder sie gemacht hätte - diesmal ohne Wartemusik)
Der zweite Flug war ruhig und entspannt, ich habe einen Film im IFE geschaut „Kimi“. War komisch, aber zeitvertreibend.
In RSW gelandet, ge-de-boardet und zum Baggage Claim gegangen. Während meine Frau und mein Sohn den einen Koffer, der mitgekommen war, in Empfang nahmen, habe ich in der Servicestelle geklärt, dass wir den Koffer noch am selben Abend abholen würden. Lerneffekt dabei: Der nachgeschickte Koffer kommt dann genauso über das Förderband in der Halle an, als wäre im Flugzeug gesessen. Wusste ich auch nicht.
Mit unerwartet wenig Gepäck (auch mal ganz angenehm) dann zur Schiebetür am Flughafenausgang, die sich öffnete und die vielen positiven Emotionen, die vor der Tür schon auf uns gewartet hatten hereinließ. ICH WILL HIER NIE WIEDER WEG! Ich glaube, das sagte ich bereits, oder?
Die Halle mit den Autovermietern liegt ja gleich gegenüber, so dass für Emotionen nur der kurze Fußgängerüberweg bis zur nächsten Schiebetür blieb. Wir hatten ja ein Auto bei Sixt gebucht, was wir vorher noch nie gemacht hatten, insofern stand das nächste Spannungsfeld vor (in diesem Falle hinter) der Tür. Die Abholung (über die Rückgabe wissen wir noch nichts) war eine glatte 1. Ich hatte mich vorher über die App schon registriert und man kann sich dann kurz vor Mietbeginn in der App eines der vorhandenen Autos reservieren. Man bekommt also in der App eine Übersicht der vorhandenen Autos und wählt dann eines davon aus. Wir haben uns völlig unpatriotisch (aus US-Sicht) für einen VW Tiguan entschieden. Hatten auch noch einen Hyundai zur Auswahl gehabt, aber der war uns irgendwie nichts…
Dann wird ein Barcode erzeugt, den man draußen einem Mitarbeiter zusammen mit seinem Führerschein vorzeigt und die Schlüssel bekommt. Quasi „Sixt the Counter…“
Und bevor jemand fragt: Wir haben im Vorbeigehen bei Alamo und Co. in die Reihen geschaut: Da war nicht viel los. Ziemlich leergefegt (passt der Vergleich in dieser Zeiten?). Insofern haben wir bisher gefühlt alles richtig gemacht, was das Auto angeht.
Also rein in den VW, ein paar Dinge, wie Außenspiegel usw. eingestellt, den SunPass-Transponder an die Windschutzscheibe, Handy an CarPlay angeschlossen und los geht’s. Wir nähern und dramaturgisch der Frage, wie es denn hier vor Ort aussieht, aber bis dahin noch ein wenig Wartemusik…
Die Fahrt zum Haus war mit 45 Minuten relativ entspannt, es war ein bißchen Feierabendverkehr, aber wir wollten ja den Alltag hier genießen. Neu war für mich, dass es jetzt hier (ich glaube, an der Ausfahrt Daniels Parkway) eine Golf-Abschlag-Anlage gibt, die auch gut besucht war. Ich bin kein Golfer, aber vielleicht ist die Info für jemand anderes interessant.
Das Haus an sich ist in Ordnung, Internet geht, der Pool ist sauber, bis auf ein paar Blätter, die wir nachher noch rauskäschern und alles ist wie immer. Wie immer? Wie ist es denn hier nun vor Ort?
Wir sind ja erst einen (halben) Tag hier und waren auch nur in Cape Coral, daher erst einmal das Gefühl von hier: Es ist deutlich zu spüren, dass der Alltag hier wieder eingekehrt ist, quasi Business as usual. Außer, dass im Radio noch Informationen zu den Aufräumarbeiten laufen, ist der Wunsch, diese Katastrophe schnell hinter sich zu bringen, deutlich zu spüren. Und es ist schon komisch, hier durch die Straßen zu fahren, deren schreckliche Bilder einen noch vor ein paar Wochen die Tränen in die Augen geschossen haben. Und es ist tatsächlich auch irgendwie anders:
In den „öffentlichen“ Wäldern am Wegesrand sind noch viele Bäume und Palmen (sind das auch Bäume?) umgenickt oder stehen schief, und wirklich überall liegen am Wegesrand teilweise hohe Gestrüpp-Abfall-Berge. Bei den Bell Tower Shops ist das „O“ umgenickt. Aber alle Straßen sind geräumt und alles ist sauber. Am auffälligsten war, dass viele Straßenschilder („Stop“, „right turn only“ usw.) einfach umgeknickt sind und jetzt „am Boden liegen“. Und ich würde sagen, ca. 60 bis 70% der vielen beleuchteten Werbeschilder sind einfach kaputt. Meist war das ja nur eine dünne Glasscheibe oder nur eine Folie, da war klar, dass die nicht lange hält, aber das fällt schon auf. Einzelne Ampeln hängen schief und bei manchen Glasfronten an Hochhäusern fehlt eine Scheibe. Aber wir haben noch kein Haus oder keinen Ort gesehen, wo „einfach alles weg ist“, so wie es wohl am Fort Myers Beach der Fall ist.
Ein wenig anders sieht das Bild aus, wenn man in die berühmtem Wohnstraßen fährt. Zumindest in unserer Straße hat schon das ein oder andere Haus eines diesen provisorischen blauen Behelfsdächer-Folien. Und gerade in der Straße, in der wir wohnen sieht es so aus, als würde hier morgen die Müllabfuhr kommen. Hier liegt der Müll in großen Bergen vor den Häusern. Ein paar Palmen sind umgeknickt und wenn man weiß, was hier passiert ist, erkennt man schon die Zusammenhänge.
Aber: Der Walmart (woanders waren wir noch nicht) ist „normal“ gefüllt und die Vorfreude auf Halloween ist im Angebot deutlich spürbar.
Ich werde in den kommenden Tagen noch ein paar Bilder machen und hier hochladen. Ich muss erst einmal schauen, wie gut oder schlecht man das in diesem Forum machen kann (Ich bin ja wie erwähnt noch neu in dieser Schreib-Runde).
Also: Das erste Fazit: Es ist schon, wieder hier zu sein! Ja, man merkt, dass hier „irgendetwas“ nicht stimmt, aber der Überlebens- und Weitermach-Wille ist deutlich spürbar!
Soderle, schon wieder viel zu viel geschrieben - sorry for that! Ich hoffe, es nicht zu langweil- und wierig.
Also auf bald und again: Thank you for traveling with us.
Carsten